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12.07.2019 |

OECD/FAO: Steigende Produktion, stabile Agrarpreise

Reis
Der Getreideverbrauch steigt (Foto: CC0)

Die Agrarproduktion wird in den kommenden zehn Jahren weltweit etwas schneller wachsen als die Nachfrage nach Agrargütern, aber auf die Landwirtschaft werden neue Herausforderungen zukommen. Davon gehen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Welternährungsorganisation FAO aus, die am Montag ihren jährlichen Ausblick veröffentlichten. Der OECD-FAO Agricultural Outlook 2019-2028 enthält Prognosen für alle wichtigen Agrarrohstoffe. Die weltweite Nachfrage nach Agrarerzeugnissen wird in den kommenden zehn Jahren um etwa 15% zunehmen. „Die Art und Weise, wie diese Nachfrage gedeckt wird, entscheidet darüber, welche Auswirkungen der Sektor auf die natürlichen Ressourcen hat, insbesondere Land, Wasser und Artenvielfalt“, schreiben FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva und OECD-Generalsekretär Angel Gurría im Vorwort. Ein Großteil der zusätzlichen Nachfrage nach Lebensmitteln in den nächsten zehn Jahren wird aus Regionen mit hohem Bevölkerungswachstum stammen, vor allem aus Ländern südlich der Sahara, aus Südasien sowie aus dem Nahen Osten und Nordafrika, heißt es in der Zusammenfassung des Berichts. Die Verwendung von Getreide für Nahrungszwecke wird um rund 150 Millionen Tonnen zunehmen – ein Anstieg von 13%, der vorwiegend auf Reis und Weizen entfällt.

Die landwirtschaftliche Produktion wird von 2019 bis 2028 voraussichtlich um 15% wachsen. Für fast alle Agrarerzeugnisse rechnen die Experten damit, dass die Preise inflationsbereinigt auf ihrem derzeitigen Niveau bleiben oder sinken, da die Produktivität schneller steigt als die Nachfrage. Der Bericht prognostiziert Ertragssteigerungen und eine höhere Produktionsintensität aufgrund von technischen Innovationen, obwohl die landwirtschaftliche Nutzfläche weltweit weitgehend konstant bleibt. „Die steigende Agrarproduktion ist auch mit höheren Treibhausgasemissionen verbunden, wobei fast ein Viertel aller Emissionen durch Land- und Forstwirtschaft sowie Landnutzungsänderung entstehen“, schreiben Graziano da Silva und Gurría. Die direkten Emissionen aus der Landwirtschaft, vor allem durch Nutztiere, Reisanbau und synthetische Düngemittel, werden im Prognosezeitraum jährlich um rund 0,5% zunehmen. Das liegt unter der 0,7%-Rate der letzten zehn Jahre und dem prognostizierten Produktionsanstieg – den Autoren zufolge sinkt die Kohlenstoffintensität der Landwirtschaft.

Neben den üblichen Risiken werden die globalen Agrarmärkte mit neuen Unsicherheiten konfrontiert sein. Auf der Angebotsseite nennen die Autoren die Ausbreitung von Krankheiten wie die Afrikanische Schweinepest, die zunehmende Resistenz gegen antimikrobielle Substanzen, regulatorische Schranken für neue Pflanzenzüchtungstechniken und extremer werdende klimatische Ereignisse. Auf der Nachfrageseite werden sich Gesundheits- und Nachhaltigkeitsthemen auf die Ernährungsweisen auswirken und der alarmierende Trend zur Fettleibigkeit wird politisches Handeln erfordern. Dem Bericht zufolge wird der Konsum von Zucker und Pflanzenöl steigen, was den anhaltenden Trend zu Fertiggerichten und stärker verarbeiteten Lebensmitteln widerspiegelt, gerade in vielen Ländern mit rascher Urbanisierung und geringerem Einkommen. „Eine Kombination aus übermäßigem Kalorienverbrauch, unausgewogener Ernährung und sinkender Aktivität führt in verschiedenen Ländern der Welt zu einer wachsenden Belastung durch Übergewicht und Fettleibigkeit. In vielen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen existieren diese Probleme Seite an Seite mit Unterernährung und Mikronährstoffmangel – eine dreifache Bürde der Mangelernährung“, warnt der Bericht. In den reichen Ländern machen sich die Menschen verstärkt Gedanken über Gesundheit und Wohlbefinden und der Verzehr von rotem Fleisch wird wohl zurückgehen.

Dieses Jahr stehen Lateinamerika und die Karibik im Fokus des Berichts. Auf die Region entfällt 14% der globalen Produktion und 23% der weltweiten Exporte von Agrar- und Fischereierzeugnissen. Der Anteil soll bis 2028 auf 25% steigen. Trotz des beeindruckenden Wachstums habe die Region mit Ernährungsunsicherheit zu kämpfen, da sich viele Haushalte die benötigten Lebensmittel nicht leisten können. Zudem werden die natürlichen Ressourcen verstärkt ausgebeutet. OECD und FAO betonen, dass es von Entwicklungen in den Bereichen Ernährung, Umweltschutz, soziale Sicherung und in der Unterstützung von Existenzgrundlagen abhänge, ob das Wachstum der Agrarproduktion künftig einen nachhaltigeren Weg einschlage. Die extreme Armut in der Region nimmt seit 2015 wieder zu. „Es ist von größter Bedeutung, sicherzustellen, dass das Einkommen der ärmsten Gemeinden wächst – eine Herausforderung, bei der die landwirtschaftliche Entwicklung eine wichtige Rolle spielt.“ Der Ausblick sieht in der Region „starke Wachstumschancen“ für die Erzeugung hochwertiger Obst- und Gemüsesorten, die den Kleinbauern bessere Chancen und der Bevölkerung eine gesündere Ernährung sichern würden. Eine gezielte Politik könnte Landwirten und Verbrauchern helfen, diese Chancen zu nutzen und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen zu schützen, so das Fazit. (ab)

05.07.2019 |

HLPE: Agrarökologie als Schlüssel zu nachhaltigen Ernährungssystemen

Food
Lebensmittel anders anbauen! (Foto: CC0)

Die Agrarökologie hat enormes Potenzial, unsere Landwirtschaft und Lebensmittelsysteme nachhaltiger zu machen. Das zeigt ein neuer UN-Bericht, dessen Botschaften und Empfehlungen der Ausschuss für Welternährungssicherung (CFS) am 3. Juli präsentierte. Der Bericht befasst sich mit agrarökologischen und anderen innovativen Ansätzen, die zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und Ernährung und zum Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele beitragen können. Erstellt hat ihn das hochrangige Expertengremium (HLPE) des Ausschusses in einem fast zweijährigen Prozess, an dem sich auch Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftlerinnen und Experten aus aller Welt mit über 300 Kommentaren beteiligten. „Die Lebensmittelsysteme stehen am Scheideweg“, heißt es in der Zusammenfassung. „Ein tiefgreifender Wandel ist nötig, um die Agenda 2030 anzugehen und Ernährungssicherheit und Ernährung in den vier Dimensionen Verfügbarkeit, Zugang, Nutzung und Stabilität zu erreichen und vielschichtige und komplexe Herausforderungen zu bewältigen. Dazu gehören die wachsende Weltbevölkerung, Urbanisierung und Klimawandel, wodurch der Druck auf die natürlichen Ressourcen steigt und Böden, Wasser und Artenvielfalt beeinträchtigt werden.“ Bei der Vorstellung des Berichts in Rom betonte der HLPE-Projektleiter Fergus Sinclair, dass in den aktuellen Lebensmittelsystemen Mangelernährung weit verbreitet ist und diese Systeme mitverantwortlich für das Überschreiten der planetaren Grenzen sind: „Ohne eine grundlegende Transformation der Lebensmittelsysteme, die sich darauf auswirkt, was die Menschheit isst und wie sie Lebensmittel herstellt, transportiert und verarbeitet, sind die Probleme nicht lösbar.“

Das HLPE-Expertengremium schreibt, dass Agrarökologie ein dynamisches Konzept ist, das in den letzten Jahren im wissenschaftlichen, landwirtschaftlichen und politischen Diskurs an Bedeutung gewonnen hat. „Es wird zunehmend dafür geworben, dass die Agrarökologie dazu beitragen kann, Ernährungssysteme zu transformieren, indem ökologische Prinzipien in der Landwirtschaft angewandt und die regenerative Nutzung natürlicher Ressourcen sowie Ökosystemleistungen sichergestellt werden. Gleichzeitig adressiert sie auch den Bedarf an sozial gerechten Lebensmittelsystemen, die den Menschen die Wahlfreiheit geben, was sie essen und wie und wo es hergestellt wird.“ Die Autoren betonen, dass es nicht nur eine einzige Definition von Agrarökologie und auch keine Einigung auf alle Aspekte dieses Konzept gibt, doch sie warten mit 13 Prinzipien der Agrarökologie auf: Sie beziehen sich auf Recycling; die Verringerung des Inputeinsatzes; Bodengesundheit; Tiergesundheit und -schutz; Artenvielfalt, Synergien, wirtschaftliche Diversifizierung; das gemeinsame Schaffen von Wissen; soziale Werte und Ernährung; Gerechtigkeit; die Verbindung von Produzenten und Konsumenten; die Verwaltung von Land und natürlichen Ressourcen; sowie Partizipation. Die Autoren unterteilen die innovativen Ansätze für nachhaltige Lebensmittelsysteme in zwei Kategorien: Die nachhaltige Intensivierung von Produktionssystemen und verwandte Ansätze (z.B. klimafreundliche Landwirtschaft, ernährungssensible Landwirtschaft und nachhaltige Wertschöpfungsketten für Lebensmittel) sowie agrarökologische und verwandte Ansätze (z.B. Agrarökologie, Ökolandbau, Agroforstwirtschaft, Permakultur und Ernährungssouveränität).

In bestimmten Produktionssystemen und entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette müssen dem Bericht zufolge viele Veränderungen erfolgen, um eine umfassende Transformation ganzer Lebensmittelsysteme zu erzielen. Dafür muss die Politik einen unterstützenden Rahmen schaffen und u.a. mehr öffentliche Förderung für stärker diversifizierte Agrarsysteme lockermachen. „Angesichts der Tatsache, dass viele Kleinbauern anfällig für Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung sind, hätte eine Förderung durch geeignete öffentliche Unterstützung für die Anwendung agrarökologischer Methoden eine Doppelwirkung, da zugleich die Ernährungssicherheit als auch der Übergang zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen angegangen würde.“ Öffentliche Unterstützungsmaßnahmen, die es Erzeugern ermöglichen würden, unabhängig von der Betriebsgröße verstärkt nachhaltigere Methoden der Lebensmittelproduktion zu nutzen, könnten etwa darin bestehen, Subventionen für synthetische Betriebsmittel zu streichen und zugleich Anreize für nachhaltige Methoden und die Bewirtschaftung multifunktionaler Landschaften einschließlich wilder Arten zu schaffen. Eine Patentlösung für die Umgestaltung der Ernährungssysteme gibt es nicht, betonen die Autoren, aber sie haben eine Reihe von Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger im Gepäck. (ab)

28.06.2019 |

Plädoyers für nachhaltige Landwirtschaft und Kampf gegen Klimawandel

Frau
Der Klimawandel trifft die Ärmsten (Foto: CC0)

Der Klimawandel wird die in Armut lebenden Menschen am härtesten treffen und Demokratie und Menschenrechte bedrohen. Laut einem Bericht des UN-Sonderberichterstatters zu extremer Armut und Menschenrechten Philip Alston wird sich die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vertiefen. „Wir riskieren ein Szenario der „Klima-Apartheid“, in dem die Reichen dafür bezahlen werden, um Überhitzung, Hunger und Konflikten zu entgehen, während der Rest der Welt leiden muss“, warnte der UN-Experte. Perverserweise seien die armen Menschen nur für einen Bruchteil der globalen Emissionen verantwortlich, doch sie werden die Hauptlast des Klimawandels tragen und am wenigsten in der Lage sein, sich selbst zu schützen. Der Klimawandel drohe, die Fortschritte der letzten 50 Jahre in den Bereichen Entwicklung, globale Gesundheit und Armutsbekämpfung zunichte zu machen. „Er könnte bis 2030 mehr als 120 Millionen Menschen in die Armut treiben und wird die gravierendsten Auswirkungen in armen Ländern, Regionen und an den Orten haben, an denen arme Menschen leben und arbeiten“, betont Alston. „Selbst wenn die derzeitigen Ziele erreicht würden, werden Millionen verarmt sein, was zu weitreichender Vertreibung und zu Hunger führt.“

Selbst das unrealistische Best-Case-Szenario mit einer Erwärmung von 1,5 Grad bis 2100 wird in vielen Regionen zu extremen Temperaturen führen und benachteiligte Bevölkerungsgruppen mit Ernährungsunsicherheit, Einkommensverlusten und schlechterer Gesundheit belasten, warnt der Sonderberichterstatter in seiner Pressemitteilung. Viele werden sich zwischen Hunger und Migration entscheiden müssen. Die Bekämpfung des Klimawandels erfordere eine grundlegende Veränderung der Weltwirtschaft, heißt es in dem UN-Bericht. Dies werde radikale und systemische Änderungen mit sich bringen und Anreize, die Preisgestaltung, Regulierung und Ressourcenverteilung einschließen, um nicht nachhaltige Ansätze zu beenden und die Umweltkosten in allen wirtschaftlichen Bereichen, inklusive Energie, Landwirtschaft, Fertigung, Bau und Verkehr, widerzuspiegeln. Eine Umstellung auf eine nachhaltige Landwirtschaft bietet zudem zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten.

Auch Papst Franziskus mahnte auf der 41. Konferenz der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO in Rom, man müsse die Ursachen anpacken, die die Tragödie des Hungers in der Welt auslösten. „Die Zunahme der Zahl der Flüchtlinge in der Welt in den letzten Jahren hat uns gezeigt, dass das Problem eines Landes das Problem der ganzen Menschheitsfamilie ist. Daher ist es notwendig, die landwirtschaftliche Entwicklung in den am stärksten gefährdeten Regionen zu fördern und die Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit des Gebiets zu stärken.“ Der Vatikan-Vertreter des Heiligen Stuhls bei der FAO, Fernando Chica Arellano, betonte, eine agrarökologisch nachhaltige Landwirtschaft sei zentral für die sozioökonomische Entwicklung eines Landes. Der Heilige Stuhl forderte mehr Investitionen in eine nachhaltige Landwirtschaft, um die gravierenden Probleme Migration, Hunger und Armut in der Welt anzugehen. Arellano unterstrich die Bedeutung von Politiken, die darauf abzielen, junge Menschen im landwirtschaftlichen Sektor Beschäftigungsmöglichkeiten zu geben. Dazu gehöre, den Zugang zu Land, Sicherheit und Schutz des Eigentums an ihrem Land sowie Zugang zu Krediten und lokalen Märkten zu ermöglichen. Auch die Landflucht ende oft in tragischen Armutsspiralen, so Arellano. Die FAO müsse Politiken entwerfen, die ländliche Familien unterstützen, damit sie ihre Identität als Vermittler von Werten aufrechterhalten können, wie die Bewahrung von traditionellem Wissen. Zudem müsse die unersetzliche Rolle von Frauen in der Landwirtschaft und im Viehzuchtsektor gestärkt werden. (ab)

18.06.2019 |

Mehr als zwei Milliarden Menschen ohne sicheres Trinkwasser

Wasser
Sauberes Trinkwasser - für Milliarden keine Selbstverständlichkeit (Foto: CC0)

Sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung liegen für Abermillionen Menschen immer noch in weiter Ferne. Rund 2,2 Milliarden Menschen haben immer noch keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser und 4,2 Milliarden müssen ohne angemessene sanitäre Einrichtungen auskommen. Das zeigt ein am 18. Juni veröffentlichter Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des UN-Kinderhilfswerks UNICEF. Demnach haben 785 Millionen Menschen noch nicht einmal Zugang zu einer grundlegenden Versorgung – sprich einer geschützten Trinkwasserquelle im Radius von 30 Minuten für den Hin- und Rückweg. Dazu gehören auch die 144 Millionen Menschen, die gezwungen sind, unbehandeltes Wasser von Oberflächengewässern wie Flüssen, Bächen oder Seen zu trinken. Mehr als die Hälfte dieser Menschen leben in Subsahara-Afrika. Bei der Versorgung mit Trinkwasser besteht auch eine deutliche Kluft zwischen Stadt und Land. Acht von zehn Menschen ohne Grundversorgung leben auf dem Land, mehr als die Hälfte von ihnen in den am wenigsten entwickelten Ländern. „Kinder und ihre Familien in armen und ländlichen Gemeinden haben das größte Risiko, abgehängt zu werden. Regierungen müssen in ihre Gemeinden investieren, damit wir diese ökonomische und geographische Kluft überwinden und dieses grundlegende Menschenrecht erfüllen“, fordert Kelly Ann Naylor, UNICEF-Expertin für Wasser, Sanitär und Hygiene.

Von den 4,2 Milliarden Menschen ohne sichere Sanitärversorgung – also hygienische Toiletten, von denen das Abwasser sicher behandelt und entsorgt wird – mangelt es 2 Milliarden selbst an einer Grundversorgung. 627 Millionen Menschen teilen eine Toilette oder Latrine mit anderen Haushalten, 701 Millionen nutzen nur einfachste Einrichtungen wie Grubenlatrinen oder Eimer und 673 Millionen Menschen – vor allem in ländlichen Gebieten – müssen ihre Notdurft im Freien verrichten. Bei dem Ziel, die „offene Defäkation“ zu beenden, gibt es sowohl Fortschritte als auch Rückschritte, heißt es im Bericht. So ging der Anteil der Bevölkerung, die ihre Notdurft im Freien verrichtet, seit 2000 von 21% auf 9% zurück. In 91 Ländern gibt es Fortschritte. Allerdings ist in 39 Ländern, mehrheitlich im südlichen Afrika mit einem hohen Bevölkerungswachstum, die Zahl sogar angestiegen.

Wenn die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) erreicht werden sollen, muss es also schneller vorangehen. Diese sehen vor, bis 2030 den allgemeinen und gerechten Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trinkwasser für alle zu erreichen und eine angemessene und gerechte Sanitärversorgung und Hygiene für alle zu gewährleisten. Niemand soll mehr seine Notdurft im Freien verrichten müssen. „Die Staaten müssen ihre Anstrengungen bezüglich der Sanitärversorgung hochfahren oder wir werden bis 2030 keine Versorgung für alle Menschen erreichen“, sagte Dr. Maria Neira, Direktorin der WHO-Abteilung für Öffentliche Gesundheit. „Wenn die Staaten dabei versagen, ihre Bemühungen zu Sanitärversorgung, sicherem Wasser und Hygiene zu verstärken, werden wir weiterhin mit Krankheiten leben müssen, die schon seit langer Zeit der Geschichte angehören sollten: Krankheiten wie Durchfall, Cholera, Typhus, Hepatitis A und vernachlässigte Tropenkrankheiten (…). Die Investition in Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene ist kostengünstig und in so vielerlei Hinsicht gut für die Gesellschaft. Sie ist die unerlässliche Grundlage für eine gute Gesundheit.“ (ab)

14.06.2019 |

Konzerne streben Patente vom Futtertrog bis zum Schnitzel an

Fleisch
Erst die Braugerste - ist nun bald auch das Schnitzel patentiert? (Foto: CC0)

Das europäische Patentrecht verbietet Patente auf konventionell gezüchtete Tiere. Doch Konzerne umgehen dies zunehmend, indem sie Lebensmittel wie Milch und Fleisch von Tieren, die mit bestimmten Pflanzen gefüttert werden, als „Erfindungen“ beanspruchen. Das zeigt eine aktuelle Recherche des Bündnisses „Keine Patente auf Saatgut!“, das regelmäßig die Stimme erhebt, wenn etwa das Europäische Patentamt (EPA) in München wieder einmal Patente auf Pflanzen und Tiere aus herkömmlicher Züchtung erteilt – sei es auf Braugerste, Melonen oder Tomaten. Erst im Mai hatte das Bündnis ein im Oktober 2018 gewährtes Patent auf Lachse angeprangert, die mit bestimmten Pflanzen gefüttert wurden und dadurch mehr gesundheitsfördernde Omega-3-Fettsäuren aufweisen. Das Patent EP1965658 erstreckt sich auf das Futtermittel, die Haltung der Fische und ihre Fütterung, die Fische selbst sowie das Fischöl. Die Futtermittel können laut Patentschrift entweder aus konventioneller Züchtung stammen oder gentechnisch verändert sein.

Nun steht zu befürchten, dass dieses Patent ein Präzedenzfall für viele weitere Anmeldungen werden könnte. Denn 2018 und 2019 wurden bereits mehrere ähnliche europäische Patentanträge bei der Weltpatentbehörde (WIPO) eingereicht, die eine ähnliche Strategie verfolgen. Ausgehend von Saatgut und Futtermitteln werden auch Lebensmittel, die von landwirtschaftlichen Nutztieren stammen, als Erfindung beansprucht. So beansprucht der Konzern Syngenta etwa nicht nur gentechnisch veränderte Maispflanzen als „Erfindung”, sondern auch deren Verfütterung zur Produktion von Fleisch und Milch. Im Patentantrag WO2018204245 wird „ein von Rindern geernteter Schlachtkörper“ beansprucht, im Patent WO2019075028 geht es um „eine Methode die Milchmenge von Kühen zu erhöhen.“ Während diese Patente auf GVO-Mais beruhen, wird in anderen, wie dem Lachspatent, auch die Verwendung von konventionell gezüchteten Pflanzen beansprucht, vermeldet „Keine Patente auf Saatgut!“.

„Dies ist ein ethisch nicht akzeptabler Versuch das Patentrecht zu missbrauchen. Die Folgen können für Tierschutz, Landwirtschaft und VerbraucherInnen schwerwiegend sein“, warnt Christoph Then für Keine Patente auf Saatgut!. „Werden derartige Patente vom Saatgut bis zum Schnitzel erteilt, können die Patentinhaber Tierhaltung und Lebensmittelerzeugung in großem Umfang kontrollieren. Wenn es mit dieser Strategie klappt, werden die Firmen in Zukunft immer mehr derartiger Patentmonopole beantragen.“ Das Bündnis fordert daher, dass die Regeln zur Auslegung des Patentrechtes geändert werden, damit die bestehenden Schlupflöcher geschlossen und die bestehenden Verbote endlich wirksam werden. „Falls eine veränderte Auslegung keine ausreichende Klarheit und Sicherheit bringt, müssen die Gesetze selbst entsprechend verändert werden“, lautet die Forderung. Denn „Keine Patente auf Saatgut!“ fürchtet, dass große Konzerne wie Bayer, DowDupont und Syngenta zunehmende Kontrolle über Landwirtschaft, Züchtung und Lebensmittelherstellung erhalten, falls den Patenten auf landwirtschaftlich genutzte Pflanzen und Tiere nicht endlich ein Ende gesetzt wird. (ab)

11.06.2019 |

Kinderarbeit: 108 Millionen Kinder weltweit schuften in der Landwirtschaft

Kind
In der Landwirtschaft arbeiten 108 Millionen Kinder (Foto: CC0)

Weltweit arbeiten immer noch mehr als 150 Millionen Kinder – fast die Hälfte von ihnen unter extrem ausbeuterischen Bedingungen, zum Beispiel als Arbeitssklaven im Bergbau und in Steinbrüchen, auf pestizidverseuchten Baumwollfeldern oder als Dienstmädchen. Darauf macht das Kinderhilfswerk Terre des Hommes anlässlich des Welttages gegen Kinderarbeit am 12. Juni aufmerksam. Die Organisation verweist in ihrem internationalen Kinderarbeitsbericht darauf, dass durch entschiedenes Engagement von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die Ausbeutung arbeitender Kinder beendet werden kann. Doch ein Ende der Kinderarbeit liegt noch in weiter Ferne: Nach den aktuellsten Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verrichten immer noch 152 Millionen Kinder im Alter zwischen 5 und 17 Jahren Kinderarbeit – der Großteil von ihnen (108 Millionen Kinder) in der Landwirtschaft (71%), sowohl in Subsistenzlandwirtschaft als auch bei kommerziellen landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Es folgen der Dienstleistungssektor mit 17% und die Industrie, einschließlich des Bergbaus, mit 12%.

Rund die Hälfte der Kinderarbeiter beziehungsweise 72,5 Millionen Kinder arbeiten unter gefährlichen Bedingungen. Sie schuften in Minen und Fabriken oder auf dem Acker, wo sie häufig Pestiziden oder anderen giftigen Substanzen ausgesetzt sind. An den psychischen und physischen Folgen der Kinderarbeit leiden sie oft ein ganzes Leben lang. In der Landwirtschaft ist gefährliche Kinderarbeit besonders stark verbreitet. „Ausbeuterische Kinderarbeit muss heute nicht mehr sein! Es ist bekannt, was getan werden muss, um sie sofort zu beenden“, erklärte Albert Recknagel, Vorstandssprecher von terre des hommes. „In unserem diesjährigen internationalen Kinderarbeitsbericht stellen wir erfolgreiche Strategien gegen Ausbeutung aus Afrika, Asien, Europa und Lateinamerika vor und benennen Ansatzpunkte für Regierungen, Behörden, Schulen und Lehrkräfte, Städte und Gemeinden, Familien, Arbeitgeber, Gewerkschaften und Handelsunternehmen, gegen Kinderarbeit vorzugehen.“

„Patentlösungen zur Beendigung aller Formen ausbeuterischer Kinderarbeit gibt es nicht“, betont terre des hommes in der deutschen Kurzfassung des Berichts. „Um wirksame Lösungen zu finden, muss die jeweilige Situation eines Kindes präzise und mit Blick auf die sozialen Zusammenhänge analysiert werden.“ Kinder, die leichte und ungefährliche Arbeit leisten, die sie weder körperlich noch psychisch schädigt und die zur Schule gehen, sollten zunächst einmal nicht von der Arbeit abgehalten werden. Denn sie tragen damit zum Familieneinkommen bei, was ihnen oft erst ermögliche, selbst zur Schule gehen zu können. Sie brauchen aber Unterstützung, damit sie einen guten Schulabschluss schaffen und nicht in ausbeuterische Arbeit abrutschen. In vielen Ländern sei eine solche Strategie wirksamer als ein pauschales Verbot sämtlicher Kinderarbeit. Wirksame Interventionen sind terres des hommes zufolge etwa die Befreiung von Kindern aus ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen, indem sie in Schulen integriert werden, eine Berufsausbildung absolvieren können oder nicht ausbeuterischen Arbeiten nachgehen. Zudem seien flexible Schulsysteme hilfreich, die es Kindern erlauben, leichte Arbeit mit dem Schulbesuch zu kombinieren. Insbesondere sei es wichtig, Familien zu stärken, damit sie ohne Kinderarbeit leben können, zum Beispiel durch existenzsichernde Löhne.

terre des hommes fordert in diesem Zusammenhang die Bundesregierung auf, international eine Vorreiterrolle bei der Beendigung von Kinderarbeit einzunehmen und mehr Mittel für die Förderung von Grundbildung in der Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen. „Ferner ist es unbedingt notwendig, global verbindliche Regelungen für die Wirtschaft zu schaffen, damit Unternehmen in ihren Lieferketten keine Kinder mehr ausbeuten können und den Familien existenzsichernde Löhne gezahlt und faire Arbeitsbedingungen zugestanden werden“, so Albert Recknagel. Deutschland hat sich wie die anderen UN-Staaten im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zur Abschaffung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit, einschließlich gefährlicher Arbeit, bekannt. Das achte UN-Nachhaltigkeitsziel (SDG 8) sieht im Unterziel 8.7 ein Ende aller Formen von Kinderarbeit bis 2025 vor. Doch wenn sich die aktuelle Tendenz fortsetzt, werden im Jahr 2020 immer noch 137 Millionen Kinder arbeiten. „Wir müssen dringend den Fortschritt beschleunigen“, sagte auch ILO-Generaldirektor Guy Ryder. „Mehr kohärente Maßnahmen sind erforderlich, um sicherzustellen, dass eine gute Bildung und soziale Sicherung für alle und angemessene Arbeit für die Eltern verfügbar sind.“ (ab)

05.06.2019 |

NGOs: Deutsche Nachhaltigkeitspolitik zu lahm und lückenhaft

Nachhaltigkeit
Ob Energie oder Agrarpolitik: Deutschland hat Defizite bei der Nachhaltigkeit (Foto: CC0)

Bei der deutschen Nachhaltigkeitspolitik muss dringend nachgebessert werden, sonst werden die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verfehlt. Das mahnt ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis. Insgesamt 118 Organisationen aus ganz Deutschland wandten sich in einer gemeinsamen Erklärung an die Bundesregierung und machten ihrem Ärger über die bisherigen Versäumnisse und fehlenden Anstrengungen der Politik in puncto Nachhaltigkeit Luft. Vor fast vier Jahren im September 2015 beschloss die UN-Generalversammlung die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, auf die sich 193 Staaten geeinigt hatten. Angegangen werden sollten zentrale globale Herausforderungen, wie Armut, Hunger und Ungleichheit, Umweltzerstörung und Klimawandel oder Themen wie Bildung, Gesundheit und Energie. Herzstück ist ein Katalog von 17 Zielen: die Sustainable Development Goals (SDGs). Im September kommen die Staats- und Regierungschefs erneut in New York zusammen, um Bilanz zu ziehen. Doch schon heute ist klar, dass das bisherige Tempo bei weitem nicht ausreichen wird.

„Der erhoffte Weckruf durch die Verabschiedung der Agenda 2030“ verhallt „bisher nahezu ungehört“, kritisieren die Organisationen in ihrer Erklärung. „Die Welt steckt tief in mehreren, sich wechselseitig verstärkenden Krisen vom Klimawandel und Artensterben über zunehmende Ungleichheiten und Hunger, von gewaltsam ausgetragenen Konflikten bis hin zu einer sich abzeichnenden, neuen Finanz- und Schuldenkrise. Die Bundesregierung weiß das, handelt aber nicht entschieden genug.“ Die Organisationen betonen, dass das deutsche Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell nicht nachhaltig ist – weder ökologisch noch sozial oder wirtschaftlich – und mit globaler Gerechtigkeit nicht vereinbar. Würde die ganze Welt so leben und so viele Ressourcen verbrauchen wie Deutschland, wären drei Planeten notwendig. Erst kürzlich vermeldete die Forschungsorganisation „Global Footprint Network“, dass Deutschland rein rechnerisch bereits am 3. Mai sämtliche Ressourcen verbraucht hat, die die Erde in diesem Jahr nachhaltig zur Verfügung stellen kann.

„Die Bundesregierung kann die Augen nicht länger verschließen vor den Konsequenzen der eigenen Politikentscheidungen. Eine Kurswende hinzu nachhaltiger Entwicklung wird nicht durch einige Schönheitsreparaturen hier und da erreicht“, kritisierte Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung und Mitinitiator der Erklärung. „Mit der aktuellen Ausrichtung unserer Wirtschafts- und Handelspolitik, dem ungebremsten Profitstreben in der Agrarpolitik und den Fehlentscheidungen in der Energie- und Verkehrspolitik sind wir auch in 100 Jahren nicht auf dem Pfad in eine nachhaltige Zukunft.“ In Bezug auf die deutsche und europäische Agrarpolitik sind die Organisationen nicht zufrieden. Sie sei ein „Notstandsgebiet der Nachhaltigkeitspolitik“ heißt es in der Erklärung, da sie eine der Hauptursachen für das Artensterben sei. „Für die anstehende Reform der EU-Agrarpolitik muss daher der Grundsatz gelten: öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen. Staatliche Gelder sollen für eine umwelt- und klimaschonende Landwirtschaft eingesetzt werden.“

Zudem kritisieren die Organisationen, dass die deutsche bzw. europäische Agrar- und Handelspolitik noch immer zu Lasten der Menschen im Globalen Süden erfolge. „Wo lokale Märkte im Süden mit europäisch subventionierten, billigen Exportprodukten überschwemmt werden, werden Kleinbäuerinnen und Kleinbauern aus ihrem Markt gedrängt. Wir fordern eine Agrarpolitik, die globale Ungleichheiten und Armut nicht weiter verschärft und das Menschenrecht auf Nahrung fördert, nicht verletzt“, schreiben sie. Denn dies verstößt u.a. gegen das 2. SDG, das darauf abzielt, den Hunger weltweit zu beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung zu erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern. Zudem wird in den Unterzielen von SDG2 konkretisiert, dass bis 2030 nicht nur alle Menschen das ganze Jahr über Zugang zu ausreichender und angemessener Nahrung haben und alle Formen der Mangelernährung beseitigt werden sollen, sondern auch die landwirtschaftliche Produktivität und das Einkommen von Kleinbauern verdoppelt werden soll. Doch nicht nur in der Agrarpolitik – in all ihren Entscheidungen müsse die Bundesregierung der Umsetzung der Agenda 2030 oberste Priorität einräumen, fordern die Organisationen. (ab)

27.05.2019 |

EU-Agrargelder 2018: 6,6 Milliarden gehen vor allem an Großbetriebe

Geld
Gelder für die Großen (Foto: CC0)

Von EU-Agrarsubventionen profitieren in Deutschland weiterhin vor allem Großbetriebe statt kleine Höfe: Behörden, öffentliche Institutionen und große Erzeugergemeinschaften haben 2018 die höchsten Gesamtsummen aus EU-Agrarfördertöpfen erhalten, während der Großteil der Direktzahlungen weiterhin vor allem an riesige Landwirtschaftsbetriebe und Konzerne fließt. Das geht aus einer am Donnerstag aktualisierten Datenbank der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hervor. Im Zuge der Transparenz-Initiative der EU sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Empfänger von Agrarhilfen des Vorjahres zu veröffentlichen. In Deutschland wurden 2018 insgesamt 6,6 Milliarden Euro an 326.000 Begünstigte ausgeschüttet, wie die BLE mitteilte.

Die Zahlungen umfassen sowohl den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL), die sogenannte 1. Säule, mit der die Direktzahlungen finanziert werden, als auch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), der unter anderem Gelder für Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen vorsieht. Laut Landwirtschaftsministerium entfielen 2018 etwa 4,85 Milliarden Euro auf die 1. Säule. Die Suche in der Datenbank ist mühselig, da sich keine komplette Liste herunterladen lässt und die Trefferzahl begrenzt ist. Doch filtern lässt sich, dass 2018 insgesamt 157 Empfänger mehr als 1 Million Euro erhielten, während 31 Begünstigte über 2 Millionen und 17 Begünstigte mehr als 3 Millionen aus den EU-Töpfen bekamen. Top-Empfänger sind das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern mit 10,4 Millionen Euro aus dem ELER-Topf, vor allem für Basisdienstleistungen und Dorferneuerung sowie Technische Hilfe und der Landesbetrieb für Küstenschutz Nationalpark und Meeresschutz mit 5,92 Millionen Euro für Küsten- und Hochwasserschutz. Bei den EGFL-Geldern lag die Erzeugergenossenschaft Landgard Obst + Gemüse GmbH mit 5,85 Millionen Euro für Beihilfen im Obst- und Gemüsesektor vorne.

Bei den Direktzahlungen profitieren neben Erzeugerorganisationen für Obst und Gemüse vor allem große Landwirtschaftsbetriebe, die über viel Land verfügen, und Molkereien. Die taz berichtete über die Agrargesellschaft Pfiffelbach aus dem gleichnamigen Dorf in Thüringen, die 1,9 Millionen Euro erhielt – davon 873.445 Euro Basisprämie und 422.574 Greening-Prämie. Das Unternehmen bewirtschaftet nach eigenen Angaben 5.060 Hektar und hätte, wie die taz betont, allein schon wegen seiner Größe auch ohne Subventionen erhebliche Wettbewerbsvorteile. Die Agrargesellschaft machte 2017 dem Unternehmensregister zufolge rund 15 Millionen Euro Umsatz und ihr Vermögen hatte Ende 2017 einen Buchwert von 26 Millionen Euro. Auch die Südzucker AG, einer der größten Nahrungsmittelkonzerne Deutschland mit einem Jahresumsatz von 6,8 Milliarden, bekam 2018 insgesamt knapp 1,8 Millionen Euro – davon 1 Million Euro Basisprämie und eine halbe Million Greening-Prämie. Der Spiegel berichtete 2018, das Unternehmen habe auf Anfrage mitgeteilt, die Direktzahlungen für die Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen im Umfeld der eigenen Zuckerfabriken zu empfangen. Die schwedisch-dänische Molkerei Arla Foods, die 2017 noch 3,09 Millionen Euro für Interventionsmaßnahmen zur Stabilisierung des Milchmarkts bekam, erhielt 2018 „nur“ noch 366.598 Euro. Der Energiekonzern RWE verbuchte Gesamtzahlungen über 330.827 Euro.

„Es widerspricht den Zielen der EU-Agrarpolitik, dass milliardenschwere Konzerne, die öffentliche Güter wie Wasser, Klima, Artenvielfalt und Böden zerstören, mit EU-Agrarsubventionen gefördert werden“, sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken der taz. „Angesichts von Artensterben und Klimakrise müssen die Brüsseler Töpfe zum Anreiz für eine umwelt- und klimaschonende Landwirtschaft werden.“ Aber auch in anderen EU-Ländern fällt die Verteilung der Gelder ähnlich aus. Die taz berichtete zu Rumänien, wo die Subventionen vor allem an große Betriebe und Multimillionäre gehen, wie den Weinerzeuger Claudiu Necşulescu. Auf ungefähr 6.000 Hektar baut er nach Firmenangaben neben Wein auch Weizen an. Seine größte Firma machte laut Handelsregister 2017 rund 3,7 Millionen Euro Gewinn. Dennoch erhielten vier seiner Firmen 2017 insgesamt 4 Millionen Euro von der EU. Kleinbetriebe hingegen kämpfen in Rumänien mit dem Überleben: Der EU-Statistikbehörde zufolge haben von 2007 bis 2016 etwa 509.000 Höfe aufgegeben. Kleine Höfe mit weniger als einem Hektar erhalten gar kein Geld von der EU. (ab)

24.05.2019 |

UN: Ernährung und Gesundheit benötigen Artenvielfalt

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Gesundheit braucht Vielfalt (Foto: CC0)

Unsere Ernährungssysteme und unsere Gesundheit sind abhängig von Artenvielfalt und gesunden Ökosystemen. Doch statt diese wertvolle Lebensgrundlage zu schützen, trägt der Mensch dazu bei, dass immer mehr Tier- und Pflanzenarten immer schneller schwinden. Darauf machte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, UN Environment, anlässlich des Internationalen Tages der Biologischen Vielfalt am 22. Mai aufmerksam. Dieser stand 2019 unter dem Motto „Biodiversität, unsere Nahrung, unsere Gesundheit” und will daran erinnern, dass wir an dem Ast sägen, auf dem wir selbst sitzen: Denn ohne eine ausgewogene und vielfältige Ernährung leidet auch die menschliche Gesundheit und ohne Artenreichtum ist unsere Ernährungssicherheit in Zeiten des Klimawandels in Gefahr. Ohne Bestäuber, wie Insekten, Vögel und andere Lebewesen, die durch den Einsatz von Pestiziden und Insektiziden aus der Agrarlandschaft verdrängt werden, würden viele der Lebensmittel verschwinden, die wir kennen und benötigen, warnt UN Environment. Und der Verlust von durch Vielfalt geprägten Ernährungsweisen hängt direkt mit Krankheiten oder gesundheitlichen Risikofaktoren wie Diabetes, Fettleibigkeit und Mangelernährung zusammen.

Doch erst kürzlich zeigte ein Bericht des Weltbiodiversitätsrates Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES), dass das Artensterben rasant voranschreitet. Etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht, viele drohen innerhalb der nächsten Jahrzehnte zu verschwinden. Es wird zu wenig getan, um das Ruder herumzureißen, kritisierten die Autoren. „Auf globaler Ebene wurden nur geringe Fortschritte dabei erzielt, Subventionen, die der biologischen Vielfalt schaden, zu streichen oder auslaufen zu lassen“, schreiben sie und nennen unter anderem die Preise für Waren und Industriegüter, die häufig nicht die ökologischen und sozialen Kosten widerspiegeln, die durch ihre Produktion verursacht werden. Die großflächige Industrialisierung hat zu einer weitgehenden Fragmentierung natürlicher Landschaften auf der ganzen Welt geführt, warnte ein anderer Bericht von UN Environment. Bisher verbundene Lebensräume sind jetzt unterteilt und isoliert, was bei einigen Arten zu einem starken Rückgang geführt hat, da ihre Suche nach Nahrung oder einem Partner eingeschränkt wird.

Die Vielfalt, die in Supermarktregalen und in Restaurants suggeriert wird, täuscht, erklärt das UN-Umweltprogramm. In den letzten hundert Jahren sind mehr als 90% der Pflanzenarten von den Feldern der Landwirte verschwunden. Im Jahr 2016 galten 559 der 6.190 domestizierten Säugetierrassen, die für die Ernährung und Landwirtschaft genutzt werden, als ausgestorben. Mindestens 1.000 weitere sind laut IPBES bedroht. Von den weltweit 90.000 Reissorten werden nur 40.000 angebaut und im Supermarkt wird nur ein Dutzend davon verkauft. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit, Ernährungssicherheit, Biodiversität und Gesundheit ist dies besorgniserregend, betont UN Environment. Vielfältige lokale Systeme der Lebensmittelproduktion, die dem Klimawandel trotzen könnten, sind bedroht. Die Agrobiodiversität verschwindet und damit auch das Wissen über traditionelle Medizin und lokale Lebensmittel. „Das muss sich ändern“, fordert Marieta Sakalian, Biodiversitäts-Expertin von UN Environment. „Das nachhaltige Management der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften und Meeresgebieten kann den Übergang hin zu einer gesunden Ernährung und zu nachhaltigeren Konsum- und Produktionsmustern in Zeiten des Klimawandels unterstützen.“ (ab)

13.05.2019 |

Bündnis protestiert gegen Patent auf Lachse

Fisch
Kein Patent auf Fische! (Foto: CC0)

Ob Braugerste, Melone oder Tomate – das Europäische Patentamt (EPA) in München erteilt immer wieder Patente auf Pflanzen und Tiere aus herkömmlicher Züchtung, obwohl dies gegen die europäischen Patentgesetze verstößt. Nun hat es ein umstrittenes Patent auf Lachse erteilt, die mit bestimmten Pflanzen gefüttert wurden und dadurch mehr Omega-3-Fettsäuren aufweisen. Diese gelten als gesundheitlich wertvoll. Das Patent EP1965658 erstreckt sich auf das Futtermittel, die Haltung der Fische und ihre Fütterung, die Fische selbst sowie das Fischöl. Die Futtermittel können laut Patentschrift entweder aus konventioneller Züchtung stammen oder gentechnisch verändert sein. Beantragt wurde das Patent von der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation, einer australischen Forschungseinrichtung. Die Erteilung des Patents wurde 2016 infolge von öffentlichen Protesten vorerst gestoppt, im Oktober 2018 dann jedoch erteilt.

Nach Ansicht des Bündnisses „Keine Patente auf Saatgut!“ verstößt das Patent gegen das Verbot der Patentierung von Pflanzen und Tieren aus konventioneller Züchtung. Zudem handle es sich weder um eine Erfindung noch um ein neues Patent, denn es sei bekannt, dass die Zusammensetzung von Futtermitteln Auswirkungen auf die Lebensmittel habe, die ein Tier liefere. So gibt es etwa Erkenntnisse dazu, dass die Milch von Kühen, die auf der Weide grasen, einen höheren Gehalt an Omega-3-Fettsäuren aufweist. „Wenn Tiere zur Erfindung werden, weil sie bestimmte Futtermittel fressen, werden bald auch Kühe und Schweine patentiert, die auf der Weide gehalten werden“, sagt Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (AbL), eine der Mitgliedsorganisationen des Bündnisses. „Derartige Patente können die Landwirtschaft sehr direkt betreffen. Bauern und Bäuerinnen dürften dann ohne Erlaubnis des Patentinhabers keine Kuh melken, kein Schwein schlachten und kein Hühnerei verkaufen.“ Keine Patente auf Saatgut! bereitet daher einen Einspruch vor, der am 26. Juni am EPA in München übergeben werden soll.

Derzeit herrscht am EPA mit seinen 38 Vertragsstaaten rechtliches Chaos. Der Verwaltungsrat hatte 2017 nach öffentlichen Protesten und Druck der EU beschlossen, dass Patente auf Pflanzen und Tiere aus herkömmlichen Züchtungsverfahren, bei denen keine Gentechnik zum Einsatz kommt, verboten sind. Allerdings war dieser Beschluss rechtlich lückenhaft. Im Dezember 2018 erklärte die Große Beschwerdekammer des EPA den Beschluss für unwirksam. Wie es weitergeht, liegt in der Schwebe. Keine Patente auf Saatgut! appelliert daher an die Politik, sich ihrer Verantwortung zu stellen und falls nötig auch die Gesetze zu ändern. Nur so könne verhindert werden, dass weiterhin Patente auf herkömmlich gezüchtete Pflanzen und Tiere erteilt werden. „Wenn die Politik dem Patentamt keine klaren Grenzen setzt, werden ständig neue Fakten geschaffen, damit Patentanwälte, Firmen und das EPA mit diesen Patenten immer mehr Profite machen können“, kommentierte Christoph Then für Keine Patente auf Saatgut!. „Demnächst wird dann vielleicht auch das Essen und Trinken als Erfindung patentiert.“ Das Bündnis fürchtet, dass sich Konzerne solche Patente zunutze machen, um noch mehr Kontrolle über die Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion zu erlangen.

Das Lachspatent ist nicht das erste Patent auf ein Tier, mit dem das EPA von sich reden macht. 2008 wurde bereits ein Patent auf die Zucht von Schweinen erteilt, das die Nutzung von Erbanlagen umfasst, die bei allen europäischen Schweinerassen vorkommen. Ursprünglich hatte Monsanto das Patent angemeldet. Es beschrieb eine Art Gen-Diagnose an Schweinen, mit der z.B. Tiere identifiziert werden sollten, die mageres Fleisch produzieren, und erstreckte sich auf die so gezüchteten Tiere und ihre Nachkommen. Bauern und Umweltschützer legten Einspruch ein, woraufhin das Patent 2010 widerrufen wurde. 2007 wurde auch ein Patent auf Milchkühe erteilt, die eine bestimmte natürliche Gen-Variante erhalten, die eine besondere Milchqualität bewirkt. Auch dieses Patent wurde 2015 widerrufen. Es wird sich zeigen, ob dies auch mit dem Einspruch gegen das Lachspatent gelingt. (ab)

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