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01.02.2019 |

Metastudie: Ökolandbau bringt Vorteile für Umwelt‐ und Ressourcenschutz

Sonne
Insekten fliegen auf Bio (Foto: A. Beck)

Der Ökolandbau bringt vor allem beim Umwelt‐ und Ressourcenschutz deutliche Vorteile gegenüber der konventionellen Landwirtschaft. Zu diesem Ergebnis gelangt eine umfassende Metaanalyse unter Leitung des staatlichen Thünen-Instituts und der Universität Kassel, die am 21. Januar veröffentlicht wurde. Ziel des interdisziplinären Verbundprojekts von acht Universitäten und Forschungseinrichtungen war es, die gesellschaftlichen Leistungen des Ökolandbaus für Wasserschutz, Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Klimaschutz, Klimaanpassung, Ressourceneffizienz und Tierwohl zu bewerten. Dies taten die 22 Wissenschaftler anhand von insgesamt 33 Indikatoren und werteten dafür 528 Vergleichsstudien mit 2.816 Einzelvergleichen aus. Das Resultat zeigt über alle Indikatoren hinweg, dass die ökologische Bewirtschaftung gegenüber der konventionellen Variante im Bereich des Umwelt‐ und Ressourcenschutzes bei 58% der analysierten Vergleichspaare Vorteile aufwies und bei 28% gleichauf war. Nur bei 14% der Vergleichspaare war die konventionelle Variante vorteilhafter. Der Ökolandbau punktete insbesondere in den Bereichen Wasserschutz, Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Klimaanpassung und Ressourceneffizienz.

„Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der Ökolandbau ein hohes Potenzial zum Schutz von Grund- und Oberflächenwasser zu zuschreiben ist“, lautet das Fazit in puncto Gewässerschutz. „Positiv wirkt sich der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel aus. Im Mittel vermindert eine ökologische Bewirtschaftung in den ausgewerteten Untersuchungen die Stickstoffausträge um 28%. Durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel wird der Eintrag von Wirkstoffen mit einer potenziell hohen Umwelttoxizität unterbunden.“ Auch bei Tierarzneimitteln sei wegen der Produktionsvorschriften für die ökologische Tierhaltung von deutlich geringeren Einträgen auszugehen. Bei der Bodenfruchtbarkeit bringt der Ökolandbau ebenfalls Vorteile: „Die Abundanzen (Häufigkeiten) und Biomassen von Regenwurm-Populationen waren hier im Mittel um 78 bzw. 94% höher. Bei 62% der Vergleichspaare war die ökologische Wirtschaftsweise im Oberboden mit einer geringeren Versauerung verbunden“, teilten die Forscher mit. Beim Gehalt an pflanzenverfügbarem Phosphor im Oberboden konnte hingegen keine eindeutige Tendenz festgestellt werden.

Ganz eindeutig punktet der Ökolandbau hingegen bei der Artenvielfalt. Im Mittel lagen die Artenzahlen der Ackerflora um 95% höher, bei den Feldvögeln um 35% und bei blütenbesuchenden Insekten um 23% höher. Zu berücksichtigen sei aber, dass die Landschaftsstruktur einen erheblichen Einfluss auf die Artenvielfalt habe und diese die Effekte der Landnutzung stark überlagern könne. Auch beim Klimaschutz brachte der Ökolandbau positive Effekte, doch die Wissenschaftler differenzierten hier nach Emissionen pro Hektar und pro Tonne. Durch eine höhere Kohlenstoffspeicherungsrate – die Forscher sprechen von einem im Schnitt 10% höheren Gehalt an organischem Bodenkohlenstoff und eine um 256 kg C/Hektar höhere jährliche Kohlenstoffspeicherungsrate – sowie verminderte Lachgasemissionen stießen Ökobetriebe laut Studie im Mittel 1.082 kg weniger CO2‐Äquivalente pro Hektar und Jahr aus. „Aufgrund des niedrigeren Ertragsniveaus im Ökolandbau sind die ertragsbezogenen Klimaschutzleistungen im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft jedoch vermutlich vergleichbar.“ Geschlagen geben musste sich Bio bei einem Indikator: Die ökologische Rinderhaltung erbringe bezüglich stoffwechselbedingter Methanemissionen pro kg Milch vermutlich niedrigere Leistungen als die konventionelle. Doch die Gesamtemissionen pro kg Milch aus ökologischer und konventioneller Produktion werden wiederum als vergleichbar eingestuft.

Bei der Klimaanpassung zeigt die Studie den Beitrag des Ökolandbaus zur Erosionsvermeidung und zum Hochwasserschutz auf. „Der Gehalt an organischem Kohlenstoff im Boden – vereinfacht gesagt der Humusgehalt – und die Aggregatstabilität waren im Ökolandbau im Mittel 26% bzw. 15% höher; bei der Infiltration wurde ein Unterschied von 137% festgestellt. Dadurch werden Oberflächenabfluss und Bodenabtrag vermindert“, vermeldet das Thünen-Institut. Auch bei der Ressourceneffizienz lag er Ökolandbau vorn: Der sparsame Ressourcenverbrauch im Ökolandbau spiegelt sich unter anderem in der Stickstoff- und Energieeffizienz wider. Im Pflanzenbau war die Stickstoffeffizienz im Mittel 12% und die Energieeffizienz 19% höher als im konventionellen Landbau. Doch die Wissenschaftler betonen auch: „Eine der größten Herausforderungen im Ökolandbau ist die nachhaltige Steigerung der Erträge und der Energiebindung sowie die Verminderung der „Ertragslücke“ (yield gap) zu konventionellen Systemen. Hierzu sind unterschiedliche Ansätze zu verfolgen, vor allem die Züchtung leistungsfähiger, an die Bedingungen des Ökolandbaus adaptierter Sorten.“

Kein klares Bild zeigte sich beim Tierwohl. Bei 46% der Vergleichspaare wurden keine eindeutigen Unterschiede zwischen ökologischer und konventioneller Tierhaltung festgestellt. Die ökologische Wirtschaftsweise wies bei 35% der Vergleichspaare Vorteile auf. Bei der Tiergesundheit schien das Management entscheidender zu sein als die Wirtschaftsweise. Die Wissenschaftler verweisen darauf, dass nur wenige Studien bisher neben der Tiergesundheit weitere Dimensionen des Tierwohls, d. h. Tierverhalten und emotionales Befinden berücksichtigen. Die vorhandenen Studien deuten hier Vorteile der ökologischen Tierhaltung an, z. B. da Bio-Tiere mehr Platz im Stall und Auslauf haben.

Die Autoren schlussfolgern, dass der ökologische Landbau „einen relevanten Beitrag zur Lösung der umwelt‐ und ressourcenpolitischen Herausforderungen dieser Zeit leisten kann und zu Recht als eine Schlüsseltechnologie für eine nachhaltige Landnutzung“ gelte. „Die Studie zeigt, dass Ökolandbau beim Umwelt- und Ressourcenschutz deutliche und messbare Vorteile bringt“, kommentierte Felix Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. „Doch Ressourcenschutz kostet Geld. Es ist sehr entscheidend, dass Bauern, die enkeltaugliche Landwirtschaft betreiben, dafür honoriert werden. Hier ist die Politik am Zug.“ Er forderte Landwirtschaftsministerin Klöckner und ihre Kollegen in Bund und Ländern auf, „die agrarpolitischen Weichen noch entschiedener auf Öko stellen“. Die Reform der EU-Agrarpolitik biete dafür jetzt die beste Gelegenheit. (ab)

29.01.2019 |

Rezept für eine gesunde Ernährung innerhalb der planetaren Grenzen

Gemü
Mehr Gemüse auf den Teller (Foto: CC0)

Auch eine wachsende Weltbevölkerung von 10 Milliarden kann gesund und nachhaltig ernährt werden. Doch die Art und Weise, wie wir essen und Lebensmittel produzieren, muss sich grundlegend verändern. Wie das gehen soll, hat die EAT-Lancet-Kommission ausgearbeitet, ein Team von Wissenschaftlern aus den Bereichen Gesundheit, Nachhaltigkeit, Wirtschaft, Politik und Landwirtschaft. Mitte Januar publizierten die 37 Experten aus 16 Ländern ihren Vorschlag im Fachjournal The Lancet: die „planetary health diet” – eine Ernährung, die Gesundheit und Umwelt schützt. „Ernährungssysteme haben das Potenzial, die menschliche Gesundheit und ökologische Nachhaltigkeit zu fördern, doch derzeit stellen sie eine Bedrohung für beides dar“, warnen die Autoren. Aktuell ist unsere Ernährung weltweit eine der Hauptursachen für Krankheiten. Sie führt nicht nur zu Fettleibigkeit und ernährungsbedingten, nicht übertragbaren Krankheiten, sondern schädigt auch den Planeten. „Die globale Nahrungsmittelproduktion gefährdet die Klimastabilität und die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme. Sie ist der größte Treiber für die Zerstörung der Umwelt und die Überschreitung planetarer Grenzen“, sagte Prof. Johan Rockström, Co-Vorsitzender der Kommission und einer der Hauptautoren. „Eine radikale Umgestaltung des globalen Ernährungssystems ist dringend nötig. Wenn nicht gehandelt wird, riskieren wir, die UN-Nachhaltigkeitsziele und das Pariser Klima-Abkommen nicht einhalten zu können.“

Die Autoren argumentieren, dass der Mangel an wissenschaftsbasierten Zielen für eine gesunde Ernährung bisher Bemühungen zur Umgestaltung des Ernährungssystems behinderte. Daher formulieren sie Ziele für eine gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion. Die „planetarische Gesundheitsdiät“ sieht vor, dass sich der weltweite Konsum von Lebensmitteln wie rotem Fleisch und Zucker halbiert, während doppelt so viel Nüsse, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auf den Teller kommen sollen. „Eine gesunde Ernährung weist eine angemessene Kalorienzufuhr und eine Vielzahl von pflanzlichen Lebensmitteln auf, geringe Mengen tierischer Lebensmittel, ungesättigte statt gesättigte Fette und wenig raffiniertes Getreide oder stark verarbeitete Lebensmittel und zugesetzter Zucker“, sagt der zweite Co-Vorsitzende, Dr. Walter Willett von der Harvard University. Der optimale Speiseplan erlaubt 2.500 Kilokalorien täglich, von denen 35% auf Vollkornprodukte und Knollen entfallen und die meisten Eiweiße pflanzlich sind. 500 Gramm Obst und Gemüse und 250g Milchprodukte, aber nur 14g rotes Fleisch und 13g Eier sind einkalkuliert. „Die Spannbreiten bei den vorgeschlagenen Lebensmittelgruppen erlauben Flexibilität für unterschiedliche Lebensmitteltypen, Agrarsysteme, kulturelle Traditionen und individuelle Ernährungspräferenzen - inklusive zahlreiche omnivore, vegetarische und vegane Ernährungsweisen.“ Würde der Ernährungsvorschlag weltweit umgesetzt, würde sich den Wissenschaftlern zufolge die Zufuhr der meisten Nährstoffe verbessern und zwischen 10,9 und 11,6 Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr könnten abgewandt werden.

Eine Umstellung auf diesen Speiseplan würde die Welt auch dem Ziel einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion näherbringen, die sich innerhalb der Grenzen des Planeten bewegt. „Fünf wichtige Umweltprozesse regulieren den Zustand des Planeten“, erklärt Rockström. „Unsere Definition von nachhaltiger Lebensmittelproduktion erfordert, dass wir keine zusätzlichen Flächen nutzen, die Artenvielfalt erhalten, den Wasserverbrauch reduzieren und verantwortungsvoll mit Wasser umgehen, die Stickstoff- und Phosphorbelastung erheblich reduzieren, keine CO2-Emissionen sowie keinen weiteren Anstieg der Methan- und Lachgasemissionen verursachen.“ Die ganze Lebensmittel-Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Verbrauch müsse bis 2050 unabhängig von fossilen Brennstoffen werden und der Ausstoß von Methan und Lachgas unter 5 Gigatonnen CO2-Äquivalenten bleiben. „Es gibt kein Patentrezept für die Beseitigung schädlicher Produktionspraktiken, aber durch die Definition eines sicheren Betriebsbereichs für Ernährungssysteme können wir Ernährungsweisen identifizieren, die die menschliche Gesundheit und Umweltverträglichkeit fördern“, so Rockström. (ab)

23.01.2019 |

Appell an die Bundesregierung: „Agrarökologie stärken!“

Vielfalt
Vielfalt lautet die Devise (Foto: CC0)

Eine grundlegende Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme mithilfe der Agrarökologie – das fordern mehr als 50 zivilgesellschaftliche Organisationen von der Bundesregierung. Denn ein „Weiter-wie-bisher“ ist keine Option, wie schon die mehr als 400 Autoren des Weltagrarberichts 2009 betonten, da die industrielle Landwirtschaft die Existenz (klein-)bäuerlicher Betriebe und die natürlichen Lebensgrundlagen hier und im globalen Süden bedroht. Der Weltagrarbericht trug auch wesentlich dazu bei, dass Agrarökologie zu einem anerkannten Konzept ökologischer, klimaangepasster und sozial nachhaltiger Entwicklung wurde. Nun richten sich die 56 unterzeichnenden Organisationen – von A wie Agrar Koordination über I wie INKOTA bis Z wie Zukunftsstiftung Landwirtschaft – mit einem Mitte Januar veröffentlichten Positionspapier an die Regierung. Ihr Appell: Die Agrarökologie soll zum zentralen Förderkonzept zur Armutsbekämpfung und zur Anpassung an die Klimawandel gemacht werden und auch bei der Reform der EU-Agrarpolitik eine gewichtige Rolle spielen. „Die Förderung der Agrarökologie zahlt sich dreifach aus: Sie verbessert die Lebenssituation von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, mindert die Folgen der Klimakrise und schützt die natürlichen Lebensgrundlagen“, erklärt die Agrarexpertin von Oxfam, Marita Wiggerthale.

Das Konzept der Agrarökologie ist wissenschaftlich fundiert, in der Praxis hinlänglich erprobt und ganzheitlich im Ansatz, argumentieren die Verfasser. Es baut auf den Prinzipien des ökologischen Landbaus auf. Dazu zählen der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, der Kreislauf von Boden-Pflanze-Tier und Mensch sowie der Verzicht auf Mineraldünger und Pestizide. „Agrarökologie entwickelt Lösungsansätze für viele soziale und ökologische Probleme in Landwirtschafts- und Ernährungssystemen in Zeiten des Klimawandels“, heißt es in dem Papier, das zehn Kernelemente der Agrarökologie formuliert. Eines lautet Vielfalt: „Agrarökologie integriert systematisch Biodiversität im Anbausystem und respektiert biologische Prozesse. Boden, Pflanzen und Tiere werden als Ökosystem verstanden und das Wissen darüber in den Vordergrund gestellt. Vielfältige Fruchtfolgen und eine kontinuierliche Bodenbedeckung durch Ackerwildkräuter und Zwischenfrüchte füttern die Bodenlebewesen, ermöglichen Humusaufbau und verhindern Bodendegradierung.“ Katrin Wenz, Agrarexpertin beim BUND, fasst zusammen: „Wer Vielfalt erhalten will, darf also nicht weiter auf die Intensivierung der Landwirtschaft setzen, sondern muss Anbausysteme fördern, die Ressourcen sparen und die Biodiversität schützen.“

Zudem ermögliche Agrarökologie mehr Resilienz und Anpassung an die Klimakrise: „Diversifizierte Anbausysteme machen Bauern und Bäuerinnen krisensicherer gegenüber externen Schocks wie Wetterextremen oder Preisschwankungen. „Böden speichern in Dürrezeiten besser Wasser und nehmen bei Starkregen Wasser leichter auf. Pflanzen können tiefer wurzeln. Der Schädlings- und Krankheitsdruck nimmt ab“, so INKOTA-Landwirtschaftsexperte Jan Urhahn. Durch eine verbesserte Bodengesundheit und die Bindung von Kohlenstoff sowie einen geringeren Energieverbrauch vermeiden agrarökologische Praktiken Treibhausgasemissionen und tragen so zum Klimaschutz bei.

Die Agrarökologie berge auch großes Potenzial, um viele der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) zu erreichen. Doch verfehlte Agrar-, Handels-, Forschungs- und Subventionspolitiken stünden dem entgegen. Daher richten die Autoren Forderungen zu sechs Bereichen an die Bundesregierung. Sie wollen erreichen, dass diese die notwendigen politischen Rahmenbedingungen setzt und sich zur schrittweisen Umsetzung agrarökologischer Elemente verpflichtet. In der staatlichen Entwicklungs-Zusammenarbeit solle die Agrarökologie zum zentralen Förderkonzept zur Armutsbekämpfung auf dem Land werden. Bis 2021 sollten 300 Millionen Euro dafür national und international zur Verfügung gestellt werden. Kontraproduktive Programme müsse die Bundesregierung umgehend beenden. „Daher muss sie aus der Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika aussteigen“, fordert Urhahn. Denn diese Initiative nütze vor allem großen Agrarkonzernen und stehe der Agrarökologie entgegen.

Aber auch im Bereich Forschung und Beratung sowie bei Klima und Landwirtschaft sei einiges zu tun. „Die Bundesregierung sollte Klimagelder für die Landwirtschaft, insbesondere in der Forschung, verstärkt in Vorhaben zur Agrarökologie einsetzen.“ Auf EU-Ebene solle sich die Bundesregierung bei der anstehenden Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) dafür starkmachen, dass agrarökologische Elemente zentraler Bestandteil werden. Statt agrarindustrielle Betriebsmodelle zu unterstützen, sollte die GAP artgerechte Tierhaltung sowie einen Umbau im Ackerbau (mehr Fruchtfolge, Leguminosenanbau, vielfältige Flächenstruktur) fördern und wirkungsvoll zu Umwelt-, Tierschutz- und Klimazielen beitragen. (ab)

21.01.2019 |

35.000 Menschen demonstrieren in Berlin für Reform der Agrarpolitik

FotoDemo
Abschlusskundgebung der Demo (Foto: Nick Jaussi/www.wir-haben-es-satt.de)

Tausende haben am Samstag in Berlin für eine gerechte und ökologischere Landwirtschaft demonstriert. Angeführt von 171 Bäuerinnen und Bauern mit ihren Traktoren zogen rund 35.000 Menschen unter dem Motto „Der Agrarindustrie den Geldhahn abdrehen!“ vom Brandenburger Tor zum Ort der Agrarministerkonferenz und durch das Regierungsviertel. Die aus ganz Deutschland angereisten Teilnehmer protestierten bei eisigen Temperaturen und anfangs strahlendem Sonnenschein für konsequenten Klima- und Naturschutz, mehr Unterstützung für kleine und mittlere Betriebe, artgerechte Tierhaltung, ein Ende der Dumping-Exporte, gerechten Welthandel und gesundes Essen für alle. Plakate mit der Aufschrift „Summ Summ Summ... Ohne Vielfalt komm ich um“ oder „Insekten schützen, Pestizide stoppen“ wandten sich gegen den Verlust der Artenvielfalt. Andere Demonstranten forderten „Faire Preise für Landwirte“, „Tiere auf die Weide“ oder machten auf das Verschwinden kleiner Höfe aufmerksam. Viele von ihnen waren als Bienen, Schweine oder Kühe verkleidet. Aufgerufen zu der Demo hatte „Wir haben es satt!“, ein breites Bündnis von mehr als 100 Umwelt-, Verbraucher-, Landwirtschafts- und Entwicklungsorganisationen. Der Protestzug findet schon seit 2011 jedes Jahr zum Auftakt der Agrarmesse Grüne Woche und der internationalen Agrarministerkonferenz in Berlin statt.

Das Demonstrationsbündnis fordert von der Bundesregierung die längt überfällige Agrarwende. Die aktuelle Reform der EU-Agrarpolitik bietet dazu eine Chance, denn hier kann die Bundesregierung mitentscheiden, welche Art der Landwirtschaft künftig durch Steuergelder finanziert wird. „Mit den über sechs Milliarden Euro, die Deutschland jedes Jahr an EU-Agrargeldern verteilt, muss der umwelt- und tiergerechte Umbau der Landwirtschaft gefördert werden”, sagt „Wir haben es satt!“-Sprecherin Saskia Richartz. In Deutschland werden jährlich 6,3 Milliarden Euro an EU-Agrargeldern ausgezahlt. Mehr als drei Viertel sind pauschale Subventionen je Hektar Fläche. „Agrarministerin Klöckner klammert sich an die pauschalen Flächensubventionen wie ihre Vorgänger ans Ackergift Glyphosat“, fügt sie hinzu. „Der Agrarindustrie immer weiter Milliarden in den Rachen zu stopfen ist agrar- und klimapolitischer Irrsinn. Wir fordern: Umverteilen jetzt!” Die 3.300 flächengrößten Betriebe erhalten eine Milliarde Euro im Jahr, während die kleinsten 200.000 Bauernhöfe sich knapp 700 Millionen teilen müssen.

Im Vorfeld der Demo hatten die 171 Bauern, die mit ihren Traktoren aus dem ganzen Bundesgebiet angereist waren, eine Protestnote an die 70 versammelten Agrarminister aus aller Welt übergeben. Diese nahm Bezug auf das Kernthema der Agrarministerkonferenz: die Digitalisierung in der Landwirtschaft. „Wir möchten bei Ihnen in Erinnerung rufen, dass bäuerliche Erfahrungen und bäuerliches Wissen ein Schatz sind, den es zu erhalten und zu schützen gilt. (...) Digitalisierung kann den Austausch von Wissen und Informationen sowie die Vernetzung der Erzeuger*innen wesentlich vereinfachen und zu massiver Arbeitserleichterung in der Landwirtschaft führen“, schreiben sie. „Damit es aber zu keinem Missbrauch dieses Wissens und dieser Informationen kommt, braucht es hier klare und verbindliche internationale Regeln im Rahmen der Vereinten Nationen.“ Sie forderten die Agrarminister auf, die notwendigen Schritte einzuleiten, damit nicht multinationale Konzerne die Rechte erhalten, um Daten und Informationen, z.B. über Klima, Genetik oder Böden, exklusiv zu nutzen und zu bestimmen, wie die (digitale) Landwirtschaft der Zukunft aussieht. (ab)

17.01.2019 |

BÖLW fordert Umsteuern in der Agrar- und Ernährungspolitik

Gemüse
Welche Landwirtschaft fördern wir? (Foto: CC0)

Ist die deutsche Landwirtschafts- und Ernährungspolitik darauf ausgerichtet, Tiere, Umwelt und Klima zu schützen und künftigen Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen? Dieser Frage ging der Bioverband „Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft“ (BÖLW) nach. „Das Ergebnis unseres Politik-Checks ist eindeutig: Bei der Agrar- und Ernährungspolitik der Bundesregierung ist viel Luft nach oben“, lautet das Fazit des BÖLW-Vorsitzenden Felix Löwenstein. „Denn auch wenn Julia Klöckner und ihre Kollegen erkannt haben, dass sich was verändern muss, ziehen sie daraus bisher kaum echte Konsequenzen.“ Mit Blick auf die Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) wirft der Verband der Bundesregierung vor, nicht ausreichend aktiv zu werden. „Dürrejahr, Höfesterben, Überdüngung und Artenschwund zeigen, dass Politik in der Landwirtschaft wirksam umsteuern muss“, sagte BÖLW-Vorstand für Landwirtschaft Alexander Gerber. Die Themen würden zwar benannt, aber ambitionierte Reformen lasse die Bundesregierung vermissen – „trotz ihrer Ziele im Koalitionsvertrag, obwohl die Wissenschaft den Umbau anmahnt und die Bürger sich dringend eine nachhaltige Landwirtschaft wünschen.“

Die Bilanz zur Ernährungspolitik fällt ebenso dürftig aus. Ernährungsbedingte Gesundheitskosten von 300 Millionen Euro am Tag seien ein klarer Arbeitsauftrag an die Politik – und das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel, einen ‚gesunderhaltenden und nachhaltigen Lebensstil fördern‘ zu wollen daher richtig, räumt Volker Krause, BÖLW-Vorstand für Verarbeitung, ein. „Was Ernährungsministerin Klöckner dafür tut, genügt allerdings nicht. Denn anstatt eine umfassende Ernährungsstrategie mit entsprechenden Maßnahmen und Finanzierung aufzusetzen, bleibt es bisher bei einzelnen, zumeist ‘technischen’ Nischenlösungen mit einer dünnen finanziellen Ausstattung“, erklärte Krause. Zucker in Fertigprodukten etwa durch ‚neuartige Zucker‘ auszutauschen, werde die Probleme nicht lösen. Vor allem in der öffentlichen Verpflegung in den eigenen Einrichtungen wie Kantinen, Schulen, Kitas oder Krankenhäusern müssten mehr gesunde Bio-Lebensmittel eingesetzt werden.

Und auch das Ergebnis des Politik-Checks zur Tierhaltung und Kennzeichnung fällt durchwachsen aus: „86 % der Menschen wollen wissen, wie die Tiere gehalten, deren Fleisch sie essen, sagt der aktuelle Ernährungsreport von Bundesministerin Klöckner“, erinnert Elke Röder, BÖLW-Vorstand für Handel. „Die Bürger kennen die Eierkennzeichnung und vertrauen dem Bio-Siegel als wichtigstes Kennzeichen für gute Lebensmittel.“ Ministerin Klöckner plane mit dem nicht verpflichtenden ‚Tierwohllabel‘ dennoch einen Sonderweg, der mehr Verwirrung als Klarheit für die Kunden und sehr wenig für die Tiere bringe. Bliebe es etwa bei den Punkten, die hinsichtlich Schlachtung oder Transport als Verbesserung im ‚Tierwohllabel‘ genannt werden, würden lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen konkretisiert. „Ein staatliches ‚Tierwohllabel‘ sollte aber keine Werbung mit Selbstverständlichkeiten betreiben“, fordert Röder.

Auch mit dem Einsatz der Regierung für den Ökolandbau ist der BÖLW nicht zufrieden. „Die jetzige Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, den Flächenanteil der ökologischen Landwirtschaft bis zum Jahr 2030 auf 20% zu erhöhen. Das ist ehrgeizig und gut. Allerdings genügt es nicht, was die Politik bisher tut“, sagte Löwenstein diese Woche im Interview mit dem Tagesspiegel. „Das Landwirtschaftsministerium hat sich noch immer nicht klar zu den Reformvorschlägen aus Brüssel zur Agrarförderung geäußert, und die sind jetzt neun Monate alt. Langsam werden wir ungeduldig. Denn die Zeit rennt uns und unseren Kindern und Enkeln davon, für die wir unbedingt eine zukunftsfähige Landwirtschaft brauchen.“ Der Verband fordert daher, das 20%-Ziel durch konkrete Maßnahmen umzusetzen, denn der Flächenanteil des Ökolandbaus liege erst bei 8%. Dazu müsse die „Zukunftsstrategie Öko-Landbau“ umgesetzt und mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden. Die GAP müsse darauf ausgerichtet werden, dass jene Bauern honoriert werden, die Umwelt, Klima und Tiere schützen. Und: „Wer heute 20% Bio anstrebt, muss auch ausreichend in Forschung investieren, um das Innovationspotential von Bio voll zu heben“, mahnte der BÖLW. Denn aktuell werden nur etwa 1,5 % der Agrarforschungsmittel für Bio-Themen investiert. (ab)

14.01.2019 |

Wollschwein zur gefährdeten Nutztierrasse 2019 gekürt

Wollschwein
Wollschwein im Doppelpack (Foto: A. Beck)

Für widriges Wetter ist das Wollschwein optimal gerüstet: Sein dichtes Borstenkleid und eine ordentliche Speckschicht schützen es vor extremer Witterung. Dennoch bedarf die älteste, rein erhaltene Schweinerasse Europas weiterhin eines besonderen Schutzes und steht auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH). Nun hat die GEH das Wollschwein zur „Gefährdeten Nutztierrasse des Jahres 2019“ gekürt. Seinen Ursprung hat das Wollschwein – auch Mangalitza-Schwein genannt – auf dem Balkan, vor allem in Ungarn. Bis in die 1950er Jahre war es als Speckschwein weit verbreitet und wurde millionenfach gehalten, doch eben diese fette Speckschicht wurde dem Wollschwein zum Verhängnis. Denn aufgrund veränderter Essgewohnheiten und der verstärkten Nachfrage nach magerem Fleisch wurde Wollschwein-Fleisch ab den 1960er Jahren kaum noch nachgefragt – und die Tiere wurden daher nicht mehr gezüchtet. Die Bestände nahmen stark ab: 1993 gab es im Ursprungsland Ungarn weniger als 200 Tiere.

Doch dank der Bemühungen mehrerer Züchter und durch die in den 1970er Jahren gegründeten staatlichen Genbanken in Ungarn stieg die Zahl der Wollschweine wieder. Der GEH zufolge ist dies vor allem auch darauf zurückzuführen, dass die Nachfrage nach Wollschweinschinken für die Produktion von spanischen Schinkenprodukten aufgrund der genetischen Nähe des Wollschweins zum schwarzen Iberico-Schwein stark zunahm. Auch in Deutschland sind die wolligen Gesellen immer häufiger zu sehen. Das Wollschwein kommt in drei verschiedenen Farben vor, die als eigenständige Rassen angesehen werden. Hierzulande sind derzeit insgesamt 74 Blonde-, 90 Rote und 123 Schwalbenbäuchige Wollschweine bei 91 Züchtern erfasst.

Seit 1984 rückt die GEH jedes Jahr eine gefährdete Nutztierrasse in den Mittelpunkt, um darauf aufmerksam zu machen, dass neben Wildtieren und -pflanzen auch in der Landwirtschaft der Verlust der Vielfalt eingezogen ist. Das bestätigt auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). In ihrem 2016 erschienen zweiten Bericht zum weltweiten Stand der tiergenetischen Ressourcen macht sie darauf aufmerksam, dass weltweit 1.458 landwirtschaftlich genutzte Tierrassen vom Aussterben bedroht sind. Das sind gut 17% aller Nutztierrassen. Aufgrund der schlechten Datenlage ist zudem bei fast 60% der Nutztierrassen unklar, wie es um ihren Erhaltungszustand bestellt ist. Als Gründe für die zunehmende Verringerung der genetischen Vielfalt nennt die FAO wahllose Kreuzungen, den wachsenden Einsatz nicht heimischer Tierarten, den Rückgang traditioneller Produktionsformen sowie die Vernachlässigung von Rassen, die nicht als leistungsfähig genug gelten. Dabei könnten ihre genetischen Eigenschaften in Zeiten des Klimawandels für die Welternährung enorm an Bedeutung gewinnen, betont die FAO. (ab)

10.01.2019 |

Agrar-Atlas fordert Agrarwende: Größere Töpfe für kleinere Betriebe

Geld
Wohin fließen die Milliarden? (Foto: CC0)

Die aktuelle EU-Agrarpolitik ist unökologisch, ungerecht und ineffektiv. Von den fast 60 Milliarden Euro, die die EU jährlich für die Landwirtschaft ausgibt, wird nur ein geringer Teil für jene Ziele verwendet, die den meisten Bürgerinnen und Bürgern wichtig sind, etwa den Schutz von Umwelt, Klima und Biodiversität oder den Erhalt kleiner und mittlerer Betriebe. Das zeigt der „Agrar-Atlas 2019“, der am Mittwoch vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Heinrich-Böll-Stiftung vorgestellt wurde. Für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zahlt jeder Europäer jährlich 114 Euro Steuergelder. Im Förderzeitraum 2014 bis 2020 machen die Direktzahlungen 72% des gesamten GAP-Budgets aus. Doch 80% dieser Direktzahlungen gehen an nur 20% der Berechtigten. Gerade einmal 131.000 der insgesamt 6,7 Millionen Betriebe erhielten mehr als 30% der Gesamtsumme. „Ein Prozent der Betriebe in Deutschland bekommt etwa zwanzig Prozent der Subventionen – und das ohne größere ökologische Auflagen“, kritisiert Barbara Unmüßig, Vorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung. „Wir brauchen genau das Gegenteil von dem, was wir haben: eine mutige Agrarpolitik mit klaren, verbindlichen Zielen, die den Wandel zu einer ökologischen Landwirtschaft fördert und lebenswerte, demokratische ländliche Regionen in Europa unterstützt.“

Einer im Agrar-Atlas veröffentlichten repräsentativen Forsa-Umfrage zufolge wünschen sich 49% der Befragten, dass zwar alle Betriebe finanziell unterstützt werden, aber mehr Fördergelder für besondere Leistungen der Landwirtschaft, wie Naturschutz, Gewässerschutz oder Klimaschutz, fließen sollen. Weitere 39% waren der Ansicht, dass Landwirte nur für besondere Leistungen Gelder erhalten sollten. Zudem bereitete das Höfesterben in Deutschland 76% der Befragten große Sorge: 73% sind dafür, dass gerade mittlere und kleine Betriebe besonders stark staatlich unterstützt werden sollten. „Wir müssen weg von pauschalen Zahlungen pro Fläche. Davon profitieren die Großbetriebe, die viel Land haben“, sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND. „Die kleinen und mittleren Betriebe sind die Leidtragenden dieser verfehlten Politik und werden nur unzureichend unterstützt. Wir wollen, dass Fördergelder für das ausgegeben werden, was wir als Gesellschaft von der Landwirtschaft einfordern, wofür Bäuerinnen und Bauern aber kein Geld am Markt bekommen: Die artgerechte Haltung von Tieren, der Schutz von Vögeln und Insekten, von Gewässern und des Trinkwassers.“

Die Herausgeber des Agrar-Atlas fordern daher eine zukunftsfähige Ausrichtung der EU-Agrarpolitik, die sich am Gemeinwohl und den Wünschen der Bürgerinnen und Bürger orientiert. „Kürzungen des Agrarhaushaltes sind keine Lösung, denn eine bäuerliche, umwelt- und klimafreundliche Landwirtschaft gibt es nicht zum Null-Tarif“, erklärte Unmüßig. „Wie die Forsa-Umfrage zeigt, möchte eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger eine Agrarpolitik, die gestaltet, die verbindliche Ziele formuliert und diese mit wirkungsstarken Maßnahmen und Geld hinterlegt.“ Dafür müsse die zweite Säule der GAP mit ihren ökologischen Programmen zum Kernelement einer neuen europäischen Agrarpolitik definiert und erheblich besser ausgestattet werden. Unmüßig äußerte sich enttäuscht über die vorliegenden Reformvorschläge der EU-Kommission, da sie „so dürftig, teilweise sogar kontraproduktiv und schädlich“ ausfielen. Aktuell werden die Vorschläge im EU-Parlament und im EU-Rat der Agrarministerinnen und Agrarminister diskutiert. „Die Bundesregierung muss die falsche EU-Förderpolitik angehen und sich für eine ambitionierte EU-Agrarreform einsetzen“, forderte Weiger.

Doch die Herausgeber rufen auch jeden Einzelnen zum Handeln auf. „Landwirtschaftspolitik geht uns alle an, sie hat Einfluss auf unser Leben, unsere Landschaften und bestimmt, welche Lebensmittel in den Handel gelangen. Wir dürfen nicht warten, bis die europäischen Regierungen die gesellschaftliche Akzeptanz für die Agrarpolitik verspielt haben“, sagte Weiger. In Berlin werden am 19. Januar wieder Tausende Menschen auf die Straße gehen und lautstark Alarm für die Agrarwende schlagen. Unter dem diesjährigen Motto „Der Agrarindustrie den Geldhahn abdrehen!“ wird die „Wir haben es satt!“-Bewegung im neunten Jahr infolge für den Umbau hin zu einer bäuerlichen und ökologischeren Landwirtschaft demonstrieren. (ab)

07.01.2019 |

Supermärkte in Tschechien müssen nicht verkaufte Lebensmittel spenden

Supermarkt
Vernichten verboten! (Foto: CC0)

Große Supermärkte in Tschechien müssen unverkaufte Ware kostenlos an Lebensmittelbanken abgeben. Das entschied das Verfassungsgericht in Brünn Anfang Januar und wies damit den Einspruch einer Gruppe von Senatoren ab. Diese hatten gegen eine 2018 in Kraft getretene Änderung des Lebensmittelgesetzes geklagt, wonach Supermärkte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmetern unverkaufte aber noch genießbare Lebensmittel an Tafeln abgeben müssen, die diese dann an Bedürftige verteilen. Der Gesetzeszusatz bezieht sich vor allem auf Produkte mit beschädigter Verpackung oder fehlerhafter Etikettierung sowie auf Lebensmittel, die mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen sind. Bei Zuwiderhandlung droht eine Geldstrafe bis umgerechnet 390 000 Euro. Die Abgabepflicht trifft aufgrund der Mindestverkaufsfläche vor allem Ketten wie Kaufland, die niederländische Ahold, die britische Tesco-Gruppe sowie Lidl und Penny.

Gegen das Gesetz hatte eine Gruppe von 25 Mitgliedern des tschechischen Oberhauses um den Unternehmer Ivo Valenta geklagt, die argumentierten, die Änderung sei nicht verfassungsmäßig, da sie eine Form der Besteuerung darstelle und einem Enteignungsverfahren kommunistischer Art gleichkomme: „Mit dem Gesetz hat der Staat erstmals Eigentümern angeordnet, ihr Eigentum jemandem anderen zu geben. Das ist nichts anderes als ein unfreiwilliges, erzwungenes Geschenk“, teilte Valenta mit. Die Richter hielten dagegen und verwiesen auf die tschechische Grundrechte-Charta, in der es heißt, dass Eigentum verpflichte. Das Gericht betonte, das Gesetz sei Teil von internationalen Bemühungen, die Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen, das Ausmaß der Verschwendung zu begrenzen, die Umwelt zu schützen und sozial Benachteiligten zu helfen.

Marian Jurečka, der Landwirtschaftsminister war, als das Gesetz in Kraft trat, teilte auf Twitter mit, das Gesetz helfe mehr als 100.000 Menschen in Tschechien. Auch Veronika Láchová vom Verband der tschechischen Lebensmittelbanken begrüßte die Entscheidung der Richter: „Ich betrachte dies als Sieg der Vernunft über die Bürokratie. Unseren Daten nach ersparen wir den Handelsketten pro Quartal Kosten von mehreren Hunderttausend Kronen für die Vernichtung dieser Lebensmittel. Manche Einzelhandelsketten haben das schon gewusst, bevor der Staat die Abgabe zur Pflicht gemacht hat. Weitere haben das dann sehr schnell ebenfalls festgestellt“, so die Verbandssprecherin. Tschechien ist nicht das einzige Land, das Supermärkten untersagt, nicht verkaufte Lebensmittel zu entsorgen. In Frankreich gibt es bereits seit 2016 ein entsprechendes Gesetz, das Supermärkte verpflichtet, Lebensmittel an Hilfsorganisationen zu spenden. (ab)

03.01.2019 |

Kaufpreise für Agrarland in der BRD stiegen seit 2007 um 161%

Land
Die Kaufpreise für Agrarflächen explodieren (Foto: CC0)

Die Preise für Agrarland in Deutschland explodieren förmlich – seit 2010 haben sich die Kaufpreise mehr als verdoppelt. War damals ein Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche noch für 11.854 Euro zu haben, lag 2017 der Preis im Bundesdurchschnitt bereits bei 24.064 Euro. Das geht aus dem Mitte Dezember vom Deutschen Bauernverband veröffentlichten Situationsbericht 2018/19 hervor, der sich auf die aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu Kaufwerten für landwirtschaftliche Grundstücke stützt und diese in Grafiken aufbereitet. Diese Statistik wiederum beruht auf Angaben der Finanzämter oder der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte und erfasst Verkäufe von landwirtschaftlichen Grundstücken mit einer landwirtschaftlichen Nutzung von mindestens 0,1 Hektar. Im Vergleich zu 2016 betrug der Anstieg der Kaufpreise deutschlandweit satte 8 Prozent – mit 13,1% zogen die Preise in den neuen Bundesländern deutlich stärker an als im früheren Bundesgebiet mit 8,9%.

Am teuersten ist der Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche in Bayern: Käufer mussten für eine Hektar mit im Schnitt 60.864 Euro tief in die Tasche greifen. Auf den Plätzen folgten Nordrhein Westfalen mit 48.085 Euro und Niedersachen mit 33.497 Euro. Am „günstigsten“ ist ein Hektar Agrarland noch im Saarland zu haben (9.676 Euro); es folgen Thüringen (10.522 Euro) und Brandenburg (11.372). Die größten Preissteigerungen im Vergleich zum Vorjahr 2016 gab es in Bayern: Dort kletterte der Hektarpreis um 17%, während es in Sachsen-Anhalt 14,2% waren. Nur Sachsen und Schleswig-Holstein stemmten sich gegen den Trend: Die Kaufpreise sanken dort jeweils um 1,4% bzw. 0,8%.

Noch deutlicher wird die aktuelle Preisexplosion, wenn man vergleicht, wie sich der Preisanstieg für einen Hektar Agrarland im letzten Jahrzehnt entwickelte. So stiegen seither die Agrarlandpreise im Bundesdurchschnitt um 161%. Während im früheren Bundesgebiet der Anstieg mit 116% geringer ausfiel, da sich die Preise schon auf einem hohen Niveau befanden, verteuerte sich der Hektar in den neuen Bundesländern aufgrund niedrigerer Ausgangswerte um 278%. Besonders extrem war die Bodenpreisdynamik in Mecklenburg Vorpommern mit einem Plus von 349% und Brandenburg mit 276%. Waren der Hektar im Jahr 2007 noch für 4.862 bzw. 3.024 Euro zu haben, mussten Landwirte 2017 bereits 21.822 bzw. 11.372 Euro auf den Tisch legen. (ab)

28.12.2018 |

Mehr Energie vom Acker schadet der Artenvielfalt

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Noch mehr Maiswüsten würden der Artenvielfalt schaden (Foto: CC0)

Die Ausweitung des Anbaus von Energiepflanzen würde der Artenvielfalt genauso schaden wie der Klimawandel. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern der Technischen Universität München (TUM) und der Durham University, die im Fachblatt PNAS erschienen ist. Das Vorhaben, den Klimawandel zu begrenzen, indem Energie aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais, Raps, Ölpalme und Co. statt aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird, sei ein „Holzweg“ und gefährde die Lebensräume von Wirbeltieren in gleichem Maße wie der Klimawandel. „Um den Klimawandel damit wirksam zu begrenzen, müssen wir bis 2100 auf circa 4,3 Prozent der globalen Landflächen Bioenergie-Pflanzen anbauen – das entspricht fast der 1,5-fachen Fläche aller EU-Länder zusammen. Damit schaden wir der biologischen Vielfalt, die in diesen Gebieten bisher zuhause ist, gravierend“, sagte Dr. Christian Hof, der am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt forschte. „Die negativen Auswirkungen des Klimawandels, die mit maximaler Bioenergie-Nutzung verhindert werden könnten, werden diese Verluste nicht wettmachen.“

Die Studie richtet den Fokus auf die biologische Vielfalt und untersuchte auf globaler Ebene, wie Amphibien, Vögel und Säugetiere den Klima- und den Landnutzungswandel bis 2100 zu spüren bekommen. Die Forscher verglichen zwei Szenarien – eines mit maximaler Bioenergie-Nutzung, um die Erderwärmung auf etwa 1,5 Grad zu begrenzen, und ein Szenario mit minimaler Bioenergie-Nutzung, das bis 2100 einen Temperaturanstieg um etwa 3 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitraum mit sich bringen würde. Das Ergebnis: Bei beiden Szenarien sind rund 36% der Lebensräume von Wirbeltieren entweder durch den Klimawandel oder die neue Landnutzung infolge des Anbaus von Bioenergie-Pflanzen massiv gefährdet. „Die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt sind also vergleichbar. Unterschiedlich ist nur, auf wessen Konto sie gehen“, erklärt Dr. Alke Voskamp vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum. Außerdem gebe es Gebiete, in denen Wirbeltieren von einer Doppelbelastung bedroht seien, da sie sowohl unter Energiepflanzen-Plantagen als auch höheren Temperaturen zu leiden hätten. „Bei einem geringeren Temperaturanstieg bis 1,5 Grad, den wir durch die maximale Nutzung von Bioenergie erkaufen, könnten sogar größere Flächen unter dieser Doppelbelastung leiden“, so Voskamp.

„Obwohl die Auswirkungen der Ausweitung von Anbauflächen für Bioenergiepflanzen auf die Biodiversität von einer Vielzahl an Faktoren abhängen, wie der regionale Kontext, der Standort, der vorige Lebensraum sowie die Art des Energiepflanzenanbaus, zeigte sich, dass die Folgen an verschiedenen Orten negativ waren“, schreiben die Autoren. Sie räumten zwar ein, dass ihre Studie nur generelle Trends darlegen und für bestimmte Arten oder Standorte keine Aussagen treffen könne, doch sie zeige, dass die massive Ausweitung der Anbauflächen für Energiepflanzen der falsche Weg sei. „Der Klimawandel ist nach wie vor eine der größten Bedrohungen für die biologische Vielfalt und muss möglichst auf 1,5 Grad Temperaturerhöhung begrenzt werden“, sagt Hof. Doch dafür gebe es nur einen unbequemen Weg: Statt auf andere Formen der Energiegewinnung auszuweichen sei es notwendig, Energie einzusparen. „Unsere Studie fordert eine sofortige und signifikante Verringerung des Energieverbrauchs – zugunsten der Artenvielfalt und zur Erreichung der Ziele des Abkommens von Paris“, schreiben die Wissenschaftler im Abstract. (ab)

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