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18.05.2018 |

Ein Fünftel des deutschen Ackerlandes dient Produktion von Biogas und Biosprit

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Mais für Biogasanlagen wuchs 2017 in Deutschland auf 913.000 Hektar (Foto: CC0)

Auf 2,65 Millionen Hektar wuchsen 2017 in Deutschland Pflanzen, die nicht der Ernährung dienten, sondern für die Energiegewinnung oder die industrielle Nutzung angebaut wurden. Das teilte die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) am Montag mit. Im Vergleich zu den beiden Vorjahren, als 2,68 Millionen Hektar für die Produktion nachwachsender Rohstoffe genutzt wurden, mit denen vor allem Strom, Wärme und Biokraftstoffe erzeugt werden, blieb die Fläche stabil. Im Jahr 2004 wuchsen lediglich auf 1 Million Hektar nachwachsende Rohstoffe, doch schon 2007 wurde die 2-Millionen-Marke geknackt. Dieses rasante Wachstum setzte sich zuletzt nicht fort, seit 2014 stagniert die Anbaufläche weitgehend.

In ihrem Bericht zeigt die FNR basierend auf Daten für 2016, dass die Energieproduktion auf dem Acker dennoch einen beachtlichen Anteil der Flächennutzung in Deutschland einnimmt. „In der Landwirtschaft erzeugte nachwachsende Rohstoffe wuchsen 2016 auf rund 16% der landwirtschaftlichen Nutzfläche, hauptsächlich auf dem Acker“, schreibt die Agentur. Der Rest der 16,7 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche wurde größtenteils für die Produktion von Futtermitteln (60%) und Nahrung (22%) genutzt, während 2% Brache und Stilllegung ausmachten. Zwar wird auch ein Teil des Dauergrünlandes für die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen genutzt, da etwa Mähgut in Biogasanlagen landet, aber der Löwenanteil wächst auf gut einem Fünftel der deutschen Ackerfläche von 11,8 Millionen Hektar. Die Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP), die die Veröffentlichung der aktuellen Zahlen kommentierte, findet das toll: „Würden auf diesen 2,7 Millionen Hektar statt nachwachsenden Rohstoffen Weizen für die Nahrungsmittelverwendung angebaut, würden allein in Deutschland etwa 18 Millionen Tonnen Weizen zusätzlich produziert. Der Preisdruck für die Erzeuger würde massiv steigen“, argumentiert der Interessenverband.

Der Großteil der Fläche für nachwachsende Rohstoffe entfiel 2017 mit 2,35 Millionen Hektar auf Energiepflanzen: An erster Stelle stand der Anbau von Energiepflanzen für Biogasanlagen mit 1,4 Millionen Hektar. Auf zwei Dritteln davon wuchs Mais, während das übrige Drittel mit Gräsern, Getreide, Rüben und Leguminosen bepflanzt war. An zweiter Stelle folgte der Anbau von Rohstoffen für die Herstellung von Biokraftstoffen mit 960.000 Hektar. Davon wurden 713.000 Hektar für den Anbau von Raps für die Herstellung von Biodiesel und Pflanzenöl genutzt, während auf 251.000 Hektar Pflanzen für Bioethanol wuchsen – vor allem Weizen, Roggen, Zuckerrüben und Körnermais. Während die Anbaufläche für nachwachsende Rohstoffe für Biogas zwischen 2011 und 2017 um 52,6% zunahm, verlor der Anbau von Raps für die Herstellung von Biodiesel und Pflanzenöl im selben Zeitraum mit einem Minus von 21,6% an Bedeutung. An dritter Stelle standen mit gerade einmal 11.000 Hektar Pflanzen für Festbrennstoffe, die gegenüber dem Holz aus Wäldern in diesem Bereich nur eine untergeordnete Rolle spielen. Der Anbau zur Gewinnung von Industrierohstoffen macht mit 300.000 Hektar im Vergleich zu den Energiepflanzen einen kleineren Anteil aus. Es dominieren Rapsöl für technische Zwecke mit rund 131.000 Hektar sowie Industriestärke (Weizen, Körnermais, Kartoffeln) mit 128.000 Hektar. Zuckerrüben für Industriezucker wuchsen auf 15.000 Hektar und Arznei- und Färbepflanzen auf etwa 12.000 Hektar. (ab)

16.05.2018 |

Studie: Fairtrade wirkt sich positiv auf die ländliche Entwicklung aus

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Fairtrade-Kakaokooperative in der Côte d'Ivoire (Foto: TransFair e.V. / Eric St-Pierre)

Fairtrade wirkt sich positiv auf die ländliche Entwicklung in den Anbauländern aus, doch trotz dieser Erfolge haben Kleinbauern in Zeiten des Klimawandels zu kämpfen. So lautet das Fazit einer Wirkungsstudie des Centrums für Evaluation (Ceval) in Saarbrücken, die von TransFair am 15. Mai zusammen mit den Umsatzzahlen des fairen Handels in Deutschland für 2017 am 15. Mai veröffentlicht wurde. Schon 2012 hatten Ceval den Beitrag des fairen Handels zur Armutsminderung und ländlichen Entwicklung untersucht – nun präsentiert die Folgestudie sechs konkrete Fallbeispiele von drei Kontinenten und zeigt die Wirkung von Fairtrade auf die langfristige ländliche Entwicklung von Kleinbauernorganisationen und Plantagen vor Ort auf. Unabhängig von Produkt und Region bietet der faire Handel Kleinbauern wichtige Entwicklungschancen, schlussfolgert die Studie, die Fairtrade-Produzentenorganisationen und nicht-zertifizierte Vergleichsgruppen unter die Lupe nimmt. „Die Feldforschung zeigte, dass Fairtrade über Kontinente hinweg dazu beiträgt, die Widerstandskraft der Kleinbauern zu stärken. In Zeiten von Krisen und Klimawandel leistet der faire Handel einen entscheidenden Beitrag, wirtschaftlich marginalisierte Gruppen in ländlichen Regionen des Südens zu unterstützen“, sagte Tatjana Mauthofer von Ceval.

Über den Zeitraum von fünf Jahren konnten die Forscherinnen und Forscher nachweisen, dass der faire Handel Bäuerinnen und -bauern stärkte, indem er ihre wirtschaftliche Situation stabilisierte, Bildungsangebote ausbaute und das Bewusstsein für umweltschonenden Anbau nachhaltig förderte. Die Studie zeigte aber auch, dass der Klimawandel die kleinbäuerliche Landwirtschaft bedroht. Die Untersuchung zum Kakaoanbau in Ghana ergab, dass sich die Lage der Fairtrade-Bäuerinnen und -Bauern in den letzten Jahren zunehmend verbesserte. Sie hatten ein höheres Einkommen als ihre konventionellen Kollegen, da sie ihre Produktivität steigern konnten und weniger Geld für landwirtschaftliche Produktionsmittel ausgeben mussten. Zudem profitierten Fairtrade-Kakaobauern von vielseitigen Weiterbildungsangeboten, z.B. zu Arbeitssicherheit, Einkommensdiversifizierung und nachhaltigen Anbaupraktiken – viele von ihnen kompostieren nun und integrieren Schattenbäume im Anbausystem. Ihre konventionellen Nachbarn hatten hingegen nur sehr unregelmäßig Zugang zu staatlichen Fortbildungen. Während Kinderarbeit vor fünf Jahren noch als Problem identifiziert wurde, gab es bei den untersuchten Fairtrade-Produzenten keine Fälle mehr.

Im Bananenanbau in Peru gelang es durch Fairtrade zwei von vier Kooperativen, zu starken, resilienten Institutionen heranzuwachsen, die nun wichtige Akteure sind, um ländliche Entwicklung anzustoßen. Der faire Handel stärkte kleine Produzentenorganisationen im Valle de Chira im Norden Perus. Die Mitglieder konnten ihr Einkommen dank der gezahlten Prämien, Investitionen in die Infrastruktur, Skaleneffekten und einer effizienteren Verarbeitung verbessern – alles Faktoren, die einzelne Bauern nicht hätten erzielen können. Die Fairtrade-Bauern konnten so in Wohnraum und die Bildung ihrer Kinder investieren. Die Studie zeigte, dass Kinder von Fairtrade-Produzenten vermehrt Universitätsabschlüsse anstreben und sich von der Landwirtschaft abwenden. Zudem belegt sie, dass starke Fairtrade-Kooperativen ihre Produzenten in Notsituationen, die zum Beispiel durch das El-Niño-Phänomen verursacht werden, unterstützen können, während nicht-zertifizierten Kooperativen meist die Kapazitäten dafür fehlen. Diese sind auf staatliche Hilfe angewiesen, die nur vereinzelt ankommt. Doch die Konkurrenz durch großflächige Bananenplantagen bereitet allen Kooperativen Sorgen und führt zu Preisdruck. Der Klimawandel zeigt in Peru bereits seine Auswirkungen.

In Deutschland boomte der Handel 25 Jahre nach Einführung von Produkten mit Fairtrade-Siegel gewaltig: 2017 wurden 1,33 Milliarden Euro umgesetzt, ein Plus von 15% gegenüber dem Vorjahr. Das umsatzträchtigste Produkt war Fairtrade-Kaffee mit 441,9 Millionen Euro. Mehr als 18.000 Tonnen wurden in Deutschland verkauft – ein Zuwachs von 8%. An zweiter Stelle folgten Fairtrade-Bananen mit 159 Millionen Euro Umsatz und über 87.000 Tonnen verkauften Bananen – 21% mehr als 2016. Die Produzenten im globalen Süden erhielten 2017 neben Markt- und Mindestpreisen zusätzlich über 25 Millionen Euro Prämien, die sie in Gemeinschaftsprojekte investierten. Doch es gibt noch Luft nach oben: „Mehr Wertschöpfung im globalen Süden ist nötig, um existenzsichernde Einkommen für Bauern- und Arbeiterfamilien in Afrika, Asien und Lateinamerika zu ermöglich“, sagte TransFair-Vorstandsvorsitzender Dieter Overath. „Wir alle müssen bereit sein, mehr Geld für nachhaltige Produkte auszugeben, um ausbeuterische Bedingungen in globalen Lieferketten zu beenden.“ (ab)

09.05.2018 |

Nitrat im Grundwasser: Deutschland ist EU-Spitzenreiter nach Malta

Gülle
Zu viel Gülle auf dem Acker ist nicht gut fürs Grundwasser (Foto: CC0)

Deutschlands Grundwasser ist durch Überdüngung in der intensiven Landwirtschaft zu stark mit Nitrat belastet. Ein am 4. Mai veröffentlichter Bericht der EU-Kommission zeigt nun, dass die Bundesrepublik EU-weit trauriger Spitzenreiter bei der Grundwasserbelastung ist – nur in Malta werden Nitrat-Grenzwerte noch öfter überschritten als hierzulande. Zunächst wartet der Bericht zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie jedoch mit einer guten Nachricht auf: In den letzten zwei Jahrzehnten sei es EU-weit gelungen, die Wasserbelastung mit Nitrat sowohl in Oberflächengewässern als auch im Grundwasser zu verringern und die Eutrophierung habe abgenommen. Im Berichtszeitraum 2012-2015 wurde in der EU an 13,2% aller Grundwasser-Messstellen der kritische Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter Wasser überschritten und 5,7% der Messstellen standen mit einem Wert zwischen 40 und 50 Milligramm kurz davor. „Das ist eine leichte Verbesserung gegenüber dem vorigen Berichtszeitraum, in dem 14,4% aller Stationen über 50 mg/l und 5,9% zwischen 40 und 50 mg/l erreichten“, schreiben die Autoren. „Sauberes Wasser ist für gesunde Ökosysteme und die Lebensqualität der Bürger unverzichtbar. Es freut mich zu sehen, dass die EU-Regelungen zur Senkung der Nitratbelastung im Wasser greifen“, sagte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella.

Allerdings sieht die Lage nicht ganz so rosig aus: Im Vergleich zum Zeitraum 2008-2011 blieb die Nitratbelastung zwar an 42% der Grundwasser-Messstationen in der EU stabil und nahm an 32% der Stationen gar ab, doch an 26% der Stationen verschlechterten sich die Nitratwerte. Der Kommission bereiten vor allem die großen Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten Sorge, wenn auch die Vergleichbarkeit nur eingeschränkt gegeben ist. Während in Ländern wie Irland, Finnland und Schweden fast keine Grundwasser-Messstelle den Grenzwert von 50 mg/l überschritt, lagen in Malta 71% aller Messstellen über dem Wert. In Deutschland waren es 28% und in Spanien 21,5%. Bei der Süßwasserqualität vermeldet die Kommission ebenfalls eine leichte Verbesserung, da nur noch 1,8% der Messstellen an Oberflächengewässern die 50-Milligramm-Marke überschritten und 2% zwischen 40 und 50 mg/l lagen, während im Zeitraum 2008-2011 noch 2,5% über 50 mg/l und 2,5% zwischen 40 und 50 mg/l lagen. Am schlechtesten schnitten Malta, Belgien und das Vereinigte Königreich, da sie den größten Anteil an Messstellen aufwiesen, die den kritischen Grenzwert überschritten.

„Die Wasserverunreinigung durch Nitrat verursacht weiterhin Probleme in vielen Mitgliedsstaaten. Diese müssen ihre Anstrengungen verstärken, um die Gewässer in der EU in einen guten Zustand zu versetzen“, schreiben die Autoren. „Der Druck auf die Wasserqualität durch die Landwirtschaft nimmt in einigen Gebieten weiter zu, da einige landwirtschaftliche Praktiken stark auf Dünger angewiesen sind, die zu einer Verschlechterung der Wasserqualität vor Ort führen. Die im Bericht beobachteten Trends können daher Einfluss habe auf die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser und die Kosten, die die öffentliche Hand tragen muss, um verschmutztes Wasser zu reinigen.“ Auch Karmenu Vella pocht auf mehr Einsatz, um eine nachhaltigere Landwirtschaft in der EU zu erreichen: „Landwirte sollten immer nach Wegen suchen, um den Nährstoffkreislauf nachhaltiger zu gestalten. Das wird die öffentlichen Kosten für die Wasseraufbereitung reduzieren, Wasser sicher für den Konsum machen und liegt auch im langfristigen Interesse der Landwirte selbst“, betont der Kommissar.

Der EU-Bericht benennt auch die Massentierhaltung als Problem: „Eine lokale Konzentration großer Tierbestände stellt ein hohes Risiko für die Umwelt dar, wenn sich die Gülleproduktion nicht mehr im Gleichgewicht mit der Verfügbarkeit von Landflächen und den Bedürfnissen der Pflanzen befindet. Dieses Ungleichgewicht schafft einen Nährstoffüberschuss, von dem ein großer Teil früher oder später ins Wasser oder in die Luft abgegeben wird – wenn die Region ihn nicht exportiert, was teilweise zu zusätzlichem Druck in den Empfängerregionen führen kann.“ In der EU nahmen zwar die Tierbestände von 2010 bis 2013 um 2,9% ab auf 0,73 Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche, doch auch hier gibt es EU-weit Unterschiede. Deutschland gehört mit +3,5% zu den Ländern, in denen der Wert zunahm, während es in Dänemark einen Rückgang um 14,4% gab. (ab)

08.05.2018 |

FAO: Bodenverschmutzung gefährdet unsere Ernährung und Gesundheit

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Böden: verschmutzt und bedroht (Foto: CC0)

Bodenverschmutzung stellt eine ernsthafte Gefahr für die Agrarproduktion, die Lebensmittelsicherheit und die menschliche Gesundheit dar – und um viele Böden weltweit ist es äußert schlecht bestellt, warnt die Welternährungsorganisation FAO in einem am 2. Mai veröffentlichten Bericht. Die Industrialisierung, Kriege, der Bergbau und die Intensivierung der Landwirtschaft setzen Böden rund um den Globus ordentlich zu und aufgrund des stetigen Wachsens der Städte werden Böden immer häufiger als Müllkippe für großen Mengen an städtischem Abfall missbraucht. „Bodenverschmutzung betrifft die Lebensmittel, die wir essen, das Wasser, das wir trinken, die Luft, die wir atmen, und die Gesundheit unserer Ökosysteme“, sagt die stellvertretende FAO-Generaldirektorin Maria Helena Semedo in einer Pressemitteilung. Die Autoren des Berichts „Soil Pollution: A Hidden Reality“ betonen, dass bisher nur wenig über das wahre Ausmaß der Bodenverschmutzung bekannt ist. Ihre Auswertung der wissenschaftlichen Fachliteratur zum Thema ergab, dass sich bisherige Studien vor allem auf Industrieländer beschränken und daher eine gehörige Wissenslücke besteht. Doch das, was bereits über die Dimensionen des Problems ans Licht gekommen ist, biete allein schon ausreichend Anlass zur Sorge.

Der Bericht liefert Fakten und Zahlen zum Zustand der Böden: In Australien sind Schätzungen zufolge etwa 80.000 Orte von Bodenverschmutzung betroffen. In China gelten 16% aller Böden und 19% der Ackerböden als verseucht. Zudem gibt es im Europäischen Wirtschaftsraum und dem Westbalkan etwa 3 Millionen potenziell verunreinigte Standorte. Auf einer US-amerikanischen Liste stehen 1.300 Verunreinigungs-Hotspots. Schuld ist meist der Mensch: „Die anthropogenen Hauptursachen der Bodenverschmutzung sind Chemikalien, die in der Industrie genutzt werden oder als Nebenprodukte anfallen; in Haushalten, der Tierhaltung oder in Städten erzeugte Abfälle (einschließlich Abwässer); Agrarchemikalien und erdölbasierte Produkte“, besagt der Bericht. „Diese Chemikalien werden versehentlich in die Umwelt abgegeben, z.B. durch Ölunfälle oder Versickerung auf Mülldeponien, oder absichtlich, wie durch die Nutzung von Düngern und Pestiziden, Bewässerung mit unbehandeltem Abwasser oder das Ausbringen von Klärschlamm auf Landflächen.“

Bei den landwirtschaftlichen Verunreinigungsquellen tragen vor allem die übermäßige Ausbringung von Kunstdüngern oder Gülle bzw. die ineffiziente Nutzung der Hauptnährstoffe in Düngern – Stickstoff und Phosphor – zur Bodenbelastung bei. „Überdüngung kann zu Bodenversalzung, zu Anreicherung mit Schwermetallen, Eutrophierung von Gewässern und Nitratanreicherung führen.“ Aber auch tierischer Dünger kann, obwohl er ansonsten von großem Nutzen für die Landwirtschaft ist, hohe Mengen Schwermetalle, Krankheitserreger und Antibiotika-Rückstände enthalten, was die Verbreitung antibiotikarestistenter Bakterien im Boden fördert. Die Düngerproduktion in der Tierhaltung hat sich von 1961 bis 2016 weltweit um 66% erhöht von 73 auf 124 Millionen Tonnen Stickstoff. Dabei stieg die auf Ackerböden ausgebrachte Düngermenge von 18 auf 28 Millionen Tonnen Stickstoff, während der Stickstoffeintrag durch Dünger auf Weiden von 48 auf 86 Millionen Tonnen anwuchs.

Ein anderes Problem ist der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft. Laut FAO hat sich dieser in einigen Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen im letzten Jahrzehnt stark erhöht. In Bangladesch vervierfachte sich der Verbrauch etwa, während er sich in Ruanda und Äthiopien versechsfachte und im Sudan gar verzehnfachte. „Problematisch ist, wenn Pestizide unsachgemäß angewandt werden: Wenn mehr als nötig eingesetzt wird und Praktiken genutzt werden, die zu Abdrift in die Umwelt beitragen, wie ungeeignete Ausbringungsgeräte oder das Sprühen aus Flugzeugen. Die Belastung der Böden hat gravierende Folgen: Sie wirkt sich auf die Ernährungssicherheit aus, das sie den Stoffwechsel der Pflanze und damit die Erträge beeinträchtigt und führt dazu, dass der Verzehr von Nutzpflanzen nicht mehr sicher für Mensch und Tier ist. Schadstoffe schaden zudem Mikroorganismen und größeren Bodenlebewesen und damit auch der Artenvielfalt und Bodenfruchtbarkeit.

„Böden haben ein begrenztes Potenzial, mit Verunreinigungen fertig zu werden: Die Vermeidung der Bodenverschmutzung sollte daher eine Top-Priorität weltweit sein“, fordert Maria Helena Semedo. Die FAO empfiehlt Regierungen, auf nationaler Ebene Regelungen umzusetzen, die die Anreicherung von Schadstoffen über festgelegte Grenzwerte hinaus begrenzen, um die menschliche Gesundheit, eine intakte Umwelt und sichere Lebensmittel zu garantieren. Regierungen sollten zudem Maßnahmen zur Sanierung verschmutzter Böden ergreifen. Laut den Autoren ist es essenziell, der Verschmutzung durch die Landwirtschaft mit nachhaltigen Praktiken des Bodenmanagements entgegenzuwirken. (ab)

04.05.2018 |

EU-Agrarpolitik: Haushaltsentwurf der Kommission erntet heftige Kritik

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Der Kommissionsvorschlag bevorzugt Flächenprämien (Foto: CC0)

Der Vorschlag der EU-Kommission zum künftigen Finanzrahmen erntet im Bereich Landwirtschaft heftige Kritik von Naturschutzverbänden. Er zementiere die schädliche EU-Agrarpolitik und sehe kein zusätzliches Geld für den Naturschutz vor, kritisiert der Naturschutzbund Deutschland (NABU): „Die Diskussion um das Insektensterben, um ausgeräumte Landschaften und Nitrat im Grundwasser scheint an EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger komplett vorbeigegangen zu sein“, wettert der Verband. Der EU-Haushaltskommissar präsentierte am 2. Mai seinen Vorschlag für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen der EU für die Jahre 2021-2027 unter dem Motto „ein modernes Budget für eine Union, die schützt, stärkt und verteidigt“. Doch dies gelte offenbar nicht für den Schutz der Lebensgrundlagen dieser und künftiger Generationen, betont der NABU. Der Haushaltsentwurf sei weder modern noch nachhaltig, sondern ein „zig Milliarden Euro schweres Weiter so“. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnte, die EU verpasse „die Chance, die Weichen hin zu einem Haushalt zu stellen, der eine ökologischere und gerechtere Finanzverteilung ermöglicht“.

Auf die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) sollen in den Jahren 2021 bis 2027 insgesamt 365 Milliarden Euro entfallen – rund 32% des 1135 Milliarden schweren Gesamtbudgets. „Die Kommission schlägt vor, die Finanzmittel für die Gemeinsame Agrarpolitik und die Kohäsionspolitik moderat um jeweils ca. 5 % zu kürzen, um den neuen Gegebenheiten in einer Union mit 27 Mitgliedern Rechnung zu tragen“, teilte sie in einer Pressemitteilung mit. Auf den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft, die sogenannte 1. Säule der GAP, mit der die Direktzahlungen an Landwirte finanziert werden, sollen in den sieben Jahren 286,2 Milliarden Euro entfallen. Für die Förderung der ländlichen Entwicklung, die 2. Säule, die Gelder für Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen vorsieht, sollen im Zeitraum 2021-2027 rund 78,8 Milliarden aufgewendet werden. Zudem sollen die Mitgliedsstaaten künftig einen höheren Kofinanzierungsanteil stemmen. Während die 2. Säule im Vergleich zum Finanzrahmen 2014-2020 deutlich zusammengestutzt würde, gäbe es bei den Direktzahlungen weniger Einschnitte und ihr Anteil an den GAP-Geldern würde sogar steigen.

Der NABU beklagt, dass deutlich progressivere Budget-Vorschläge zuletzt auf der Strecke geblieben seien. Dem Verband liegen interne Dokumente vor, wonach noch vor wenigen Tagen eine massive Umschichtung von der 1. in die 2. Säule geplant gewesen sei und damit eine Teilabkehr von pauschalen Flächenzahlungen hin zu einer zielgerichteten Förderung, zum Beispiel für den Umweltschutz. Doch offenbar habe sich die Lobby der Agrarindustrie durchgesetzt. „Ganz nach dem Willen der Agrarindustrie wird die EU ihre milliardenschweren Agrarsubventionen weiter überwiegend pauschal ausschütten. Schlimmer noch: Für die gezielten Förderprogramme der sogenannten zweiten Säule müssen die Mitgliedstaaten künftig noch höhere Eigenanteile aufbringen“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. „Damit lohnt sich ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur kaum. Statt die dringend benötigte Umkehr in der Agrarpolitik einzuleiten, befördern Juncker und Oettinger die Artenvielfalt und Tausende Bauernhöfe noch näher an den Rand des Abgrunds“, fügte er hinzu.

Die Kommission schlägt zudem vor, die Direktzahlungen für Großbetriebe zu begrenzen. Aktuell erhalten 20% der Landwirte rund 80% der Direktzahlungen und dies spiegelt ein System wider, in dem Zahlungen an Land gebunden sind, das eine Minderheit von Landwirten auf sich konzentriert“, heißt es in einem Kommissionspapier. „Eine ausgewogenere Verteilung sollte durch eine verpflichtende Kappung auf Betriebsebene (mit Ausnahme der Arbeitskosten) gefördert werden und degressive Zahlungen, die mit zunehmender Betriebsgröße sinken.“ „Das ist ein richtiger Schritt in Richtung mehr Fairness“, sagte Konstantin Kreiser, Nabu-Teamleiter für EU-Naturschutzpolitik, der taz. Doch er glaubt nicht daran, dass dieser Vorschlag bei den Mitgliedsstaaten durchkommen wird. „Die Gemeinsame Agrarpolitik wird nicht nur umweltschädlich, sondern auch unfair bleiben.“ Die EU-Staaten und das Europäische Parlament müssen dem Haushaltsvorschlag noch zustimmen, doch die Verhandlungen werden sich voraussichtlich noch mehrere Monate hinziehen. Frankreich hat bereits angekündigt, eine Kürzung der Direktzahlungen nicht hinnehmen zu wollen. (ab)

02.05.2018 |

Überlastete Erde: Deutschland hat natürliche Ressourcen für 2018 verbraucht

Ressourcen
Deutschland hat die nachhaltig nutzbaren Ressourcen für 2018 verbraucht (Foto: CC0)

Die natürlichen Ressourcen sind erschöpft: Für den Rest des Jahres macht Deutschland wieder ökologische Schulden. Dieses Jahr ist am 2. Mai der deutsche Erdüberlastungstag erreicht – der Tag, an dem die Bundesrepublik die natürlichen Ressourcen verbraucht hat, die ihr rechnerisch in diesem Kalenderjahr zur Verfügung stehen, wenn nur so viel verwendet würde, wie sich im selben Zeitraum auch regenerieren kann. Darauf machen INKOTA und Germanwatch in einer gemeinsamen Pressemitteilung aufmerksam. Die Organisationen haben Daten des „Global Footprint Network“ ausgewertet, das sowohl für einzelne Länder als auch die gesamte Welt berechnet, wann die Belastungsgrenze erreicht ist. Dabei wird der Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern oder Fisch, aber auch den Ausstoß von CO2 oder die Müllproduktion berücksichtigt. „Es ist bisher keine Trendwende bei unserem viel zu großen Ressourcenverbrauch in Sicht“, sagt Julia Otten von Germanwatch. „Der Tag zeigt, dass wir schnell unseren CO2-Ausstoß verringern müssen, der in Deutschland seit 2009 nicht mehr gesunken ist. Der ökologische Fußabdruck der Menschen und der Wirtschaft hierzulande muss deutlich kleiner werden.“

Zu dem überdimensionalen ökologischen Fußabdruck Deutschlands tragen vor allem Emissionen aus der Energieversorgung und dem Verkehrssektor bei. Aber auch der enorme Flächenbedarf für die Fleischproduktion sowie die Überlastung der Böden durch den Düngemitteleinsatz in der industriellen Landwirtschaft schlagen deutlich zu Buche. Den Organisationen zufolge ist Deutschland jedoch noch weit davon entfernt, entschlossen und zielgerichtet gegenzusteuern. „Die neue Bundesregierung muss die Klima- und die Agrarpolitik zusammendenken“, erklärt Lena Michelsen von INKOTA. „Die geplante Fusion der Agrarkonzerne Bayer und Monsanto zementiert hingegen das klimaschädliche Modell der industriellen Landwirtschaft. Durch den Einsatz von Stickstoffdünger, die Flächenumwandlung in Monokulturen und den enormen Energieaufwand wird der Klimawandel angeheizt.“ Auch das Votum Deutschlands für eine Zulassungsverlängerung von Glyphosat um weitere fünf Jahre im November in Brüssel belege den industriefreundlichen Kurs der deutschen Agrarpolitik. Dabei hat sich Deutschland unter anderem mit den 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals (SDGs) zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet. Dies betrifft nicht nur das 12. SDG, das nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster anvisiert, sondern zieht sich durch alle 17 Ziele.

Mit dem übermäßigen Ressourcenverbrauch lebt Deutschland nicht nur auf Kosten künftiger Generationen, sondern auch zulasten der Menschen im globalen Süden, die weniger verbrauchen, aber stärker unter den Folgen des Raubbaus an der Natur leiden. Würden alle Länder der Welt auf so großem Fuß leben wie Deutschland, wären rein rechnerisch drei Erden notwendig. Mit ihrem ökologischen Fußabdruck liegen die Deutschen im weltweiten Vergleich im oberen Bereich. Würden alle so wirtschaften wie die USA, bräuchte die Weltbevölkerung gar fünf Erden. Der britische Lebens- und Wirtschaftsweise würde 2,9 Erden und die der Franzosen 2,8 Erden benötigen. Im globalen Schnitt bräuchte die Menschheit insgesamt 1,7 Erden, um ihren Bedarf an Ackerland, Wäldern und Wasser nachhaltig zu decken. Der globale Erdüberlastungstag wird vermutlich im August erreicht werden. Dass der deutsche Erdüberlastungstag im Vergleich zum Vorjahr, als er auf den 24. April fiel, einige Tage später erreicht wurde, ist laut dem „Global Footprint Network“ kein Anzeichen für eine Trendwende. Dies sei auf Schwankungen bei den CO2-Emissionen zurückzuführen, denn als Basisjahr für die aktuelle Berechnung diente 2014 und die CO2-Emissionen sanken von 2013 auf 2014 augrund eines milden Winters leicht, kletterten aber danach wieder in die Höhe. (ab)

27.04.2018 |

EU verbietet bienenschädliche Neonicotinoide auf dem Acker

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Fleißiger Bestäuber bei der Arbeit (Foto: CC0)

Die EU will den Einsatz von bienenschädlichen Neonicotinoiden im Freiland untersagen: Am Freitag sprach sich der zuständige Ausschuss in Brüssel mit einer qualifizierten Mehrheit für ein Verbot der drei Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid aus. „Die Gesundheit der Bienen bleibt für mich von größter Bedeutung, weil sie Artenvielfalt, Lebensmittelproduktion und Umwelt betrifft“, teilte EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis mit. „Die Kommission hat diese Maßnahmen vor Monaten auf Basis wissenschaftlicher Ratschläge der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vorgeschlagen.“ Nun stimmte der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel zu. Die Neonicotinoide dürfen damit künftig im Freien weder in Form von Saatgutbehandlung noch als Spritzmittel verwendet werden. Erlaubt bleibt hingegen der Gebrauch in Gewächshäusern. Auch Deutschland votierte für ein Verbot. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sagte, heute sei ein guter Tag für den Schutz der Bienen in Deutschland und in Europa. „Ich freue mich, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten diesen Schritt zu mehr Bienenschutz mit uns gemeinsam gegangen ist. Bienen sind systemrelevant – auch für den Erhalt unserer Landwirtschaft.“

Umweltschützer begrüßten die Entscheidung, betonten aber auch, dass allein ein Verbot dieser drei Wirkstoffe nicht ausreichend sei. Franziska Achterberg, verantwortlich für EU-Lebensmittelpolitik bei Greenpeace Europa, sagte: „Das sind großartige Nachrichten für Bestäuber und unsere Umwelt, aber es stand nie zur Frage, dass diese Neonicotinoide verschwinden müssen. Nun muss die EU sicherstellen, dass sie nicht einfach mit anderen gefährlichen Ackergiften ersetzt werden.” Doch genau diese Gefahr besteht. Der Deutsche Bauernverband, der das Verbot nicht gerade bejubelte, forderte raschen Ersatz: „Wenn wir jetzt eine effektive Wirkstoffgruppe verlieren, um unsere Pflanzen vor Schädlingen zu schützen, ist es eine echte Herausforderung, Alternativen zu entwickeln und neue Produkte schnell zur Zulassung zu bringen. Um Qualität und Erträge abzusichern, brauchen wir Pflanzenschutzmittel. Ohne die geht es nicht!“, sagte Präsident Joachim Rukwied. Das sieht Jan Plagge, Präsident des Anbauverbands Bioland, ganz anders: „Die Kritik, dass den Landwirten durch ein Verbot Alternativen fehlen und dadurch Verluste drohen, ist nicht haltbar. Der ökologische Landbau macht vor, dass es auch ohne Neonicotinoide geht: Ausgeklügelte Fruchtfolgen statt Monokulturen sowie die Förderung von Nützlingen sind Teil eines Systems, das ohne chemisch-synthetische Pestizide erfolgreich wirtschaftet und die Artenvielfalt erhält.“

Schon 2013 hatte die EU den Einsatz der drei Wirkstoffe stark eingeschränkt. Ende Februar veröffentlichte die EFSA eine Aktualisierung ihrer Risikobewertung, die zum Ergebnis kam, dass die Mehrzahl der Anwendungen von Neonikotinoid-haltigen Pestiziden ein Risiko für Wild- und Honigbienen darstelle. „Es gibt umfangreiche Belege aus Labor- und Feldstudien dafür, dass Neonicotinoide Bienen schaden und es mehren sich die Hinweise darauf, dass sie auch für den Rückgang von Schmetterlingen, Wasserinsekten und insektenfressenden Vögeln verantwortlich sind“, sagte der britische Insektenexperte Dave Goulson, Professor für Biologie an der University of Sussex. „Die Entscheidung der EU war eine logische Folge, die sich auf eine großangelegte EFSA-Auswertung wissenschaftlicher Nachweise stützte, die 1.500 wissenschaftliche Studien einbezog.“ Doch auch er fürchtet, dass das Verbot wirkungslos bleiben wird, wenn statt der nun verbotenen Neonicotinoide einfach andere neue Wirkstoffe mit systemischer Wirkungsweise eingesetzt werden, wie Cyantraniliprole oder Flupyradifurone. „Dann würden wir uns einfach nur im Kreis drehen“, betont Goulson. „Was wir brauchen ist eine Umstellung auf wirklich nachhaltige landwirtschaftliche Methoden, die den Pestizideinsatz auf ein Minimum begrenzen, die natürlichen Feinde von Pflanzenschädlingen unterstützen und die Artenvielfalt und gesunde Böden fördern.“ (ab)

25.04.2018 |

Bündnis fordert existenzsichernde Einkommen für Kakaobauern

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Kakaobauer in Kolumbien (Foto: CC0)

In vielen Kakaoanbaugebieten, besonders in Westafrika, sind Armut, Kinderarbeit und die Abholzung von Wäldern immer noch an der Tagesordnung und der sinkende Kakaopreis hat diese Probleme weiter verschärft. Trotz vollmundiger Versprechen von Kakaoindustrie und Schokoladenfirmen, für soziale und ökologische Verbesserungen in der Wertschöpfungskette zu sorgen, hat sich an den Lebens- und Arbeitsbedingungen der kakaoanbauenden Familien wenig geändert. Das ist die bittere Botschaft des Kakaobarometers 2018, das von einem zivilgesellschaftlichen Bündnis im Vorfeld der in Berlin vom 22. bis 25. April stattfindenden Weltkakaokonferenz veröffentlicht wurde. „Schokolade ist erst dann wirklich nachhaltig, wenn Kakaobauern und -bäuerinnen in Westafrika über ein Einkommen verfügen, das ihnen ein Leben in Würde ermöglicht“, betont Johannes Schorling vom INKOTA-Netzwerk, das mit einem Dutzend anderer Organisationen das Kakaobarometer herausgibt. Doch von existenzsichernden Einkommen im Kakaosektor sei die Welt noch meilenweit entfernt.

Sinkende Preise stellten die Bäuerinnen und Bauern, die Kakao anbauen, zuletzt vor große Herausforderungen. Zwischen September 2016 und Februar 2017 sackten die Kakaopreise in den Keller: Lag der Preis für eine Tonne Kakao zuvor noch über 3000 US-Dollar, so sank der Wert innerhalb weniger Monate um über ein Drittel auf unter 1.900 US-Dollar. Trotz einer leichten Preiserholung in den letzten Monaten liegt der Kakaopreis noch deutlich unter dem Durchschnitt der Jahre vor dem Preisverfall. Während sich die Schokoladenfirmen über günstige Einkaufspreise freuen, hat dies vor allem in Ghana und der Côte d‘Ivoire, wo die Einkommen von Millionen Menschen vom Kakaoanbau abhängen, gravierende Auswirkungen. Laut den Autoren des Berichts bemühten sich die nationalen Kakaobehörden zwar, über Vorabverkäufe einen staatlichen Mindestpreis zu garantieren, doch das Einkommen der Kakaobauern sank zum Beispiel in der Elfenbeinküste im März 2017 um 36%. Grund für den Preisverfall war eine überdurchschnittlich hohe Erntemenge. In der Erntesaison 2016/2017 wurden in der Elfenbeinküste rund 2 Millionen Tonnen Kakao geerntet, rund 600.000 Tonnen mehr als noch drei Jahre zuvor. Das lag daran, dass die Anbauflächen in den letzten Jahren stark ausgeweitet wurden. „Ein großer Teil der neu angelegten Plantagen befinden sich jedoch auf Flächen, die eigentlich geschützt sind“, erklärt Friedel Hütz-Adams, Kakaoexperte bei SÜDWIND und Mitautor des Kakaobarometers. „Ohne diesen eigentlich illegalen Anbau hätte es wahrscheinlich den Überschuss und den Preisverfall nicht gegeben.“

Das Herausgeber-Bündnis plädiert für einen Paradigmenwechsel in der Kakaopolitik: Um Kakaobauern aus der Armut und der Abhängigkeit von schwankenden Kakaopreisen zu befreien, müssen Politik und Unternehmen höhere Preise für Kakao garantieren. Das Kakaobarometer beklagt jedoch, dass das Einkommen der Kakaobauern und -bäuerinnen bei weitem nicht existenzsichernd ist. Zwar sei es schwierig zu beziffern, was ein Kakaobauer verdienen muss, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, da dies von mehreren Faktoren, wie der Region und Hofgröße, der Zahl der Haushaltsmitglieder und den Lebenshaltungskosten abhänge. Doch eine Erhebung für die Elfenbeinküste legt nahe, dass ein Kakaobauer dort 2,51 US-Dollar am Tag verdienen müsste, während es aktuell gerade einmal 0,78 US-Dollar sind. „Die Kalkulation existenzsichernder Einkommen sollte als Grundlage dafür dienen, einen Kakaopreis zu berechnen, der zumindest die dringendsten Bedürfnisse der Menschen abdeckt. Eben diese Abdeckung der dringendsten Bedürfnisse ist ein Menschenrecht, das nicht verweigert werden darf“, so Hütz-Adams. Südwind betont, das Nettoeinkommen von Kakaobauern müsse zum Mittelpunkt aller Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen, Regierungen und Nichtregierungsorganisationen werden. „Da der Sektor dies in vielen Jahren durch freiwillige Initiativen nicht geschafft hat, sollten Regierungen gesetzlich eben diese Einhaltung der Menschenrechte verpflichtend machen.“ (ab)

20.04.2018 |

Verdurazo-Protest in Argentinien: Gemüse für alle, Land für Kleinbauern

Gemüsegau
Verdurazo - Gemüse für alle im Jahr 2016 (Foto: Emergente, bit.ly/vazo16, cc: bit.ly/bync20)

Mit einem dreitägigen Gemüseaufstand haben Kleinbauern in Argentinien für den Zugang zu Land protestiert. In der Hauptstadt Buenos Aires verschenkten sie tonnenweise Gemüse und auch Obst, um auf die schwierige Lage kleiner Lebensmittelproduzenten und Landarbeiter aufmerksam zu machen. Am Dienstag begann der „Verdurazo“ auf dem Vorplatz des Nationalkongresses: 1.500 Landwirte kamen zusammen, um ein Gesetz einzufordern, das ihnen Zugang zu dem Land ermöglichen soll, das sie tagein, tagaus beackern. Aus Lastwagen, Kisten und an Ständen verteilten sie bis Donnerstag insgesamt 30.000 Kilogramm Gemüse an all jene, die auf den Platz strömten. Vor allem Rentner und Bedürftige standen wartend in langen Schlangen an, um kostenlose Salatköpfe, Tomaten, Lauch, Auberginen oder sonstige Produkte zu ergattern. In den letzten beiden Jahren hatte es bereits ähnliche Veranstaltungen gegeben.

Organisiert wurde der Protest vom Landarbeiterverband „Unión de Trabajadores de la Tierra” (UTT), der nach eigenen Angaben 14.000 Kleinbauernfamilien in 16 Provinzen des Landes vertritt. Er setzt sich für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kleinbauern des Landes ein und macht sich für ein Gesetz stark, das ihnen zu Landbesitz verhelfen soll: „Dieser Gesetzesentwurf ist eine Antwort auf die Bedürfnisse von hunderttausenden kleinen Produzenten, die mehr als 60% der Lebensmittel anbauen, die im Land verzehrt werden und das auf gerade einmal 13% der Ackerfläche Argentiniens“, sagte der Verband in einer Presseerklärung. „Es handelt sich um Familien, die von dem Land, auf dem Land und für das Land leben, denen der Boden jedoch nicht gehört. Sie sind gefangen durch teure und spekulative Pachtzahlungen, die den Großteil der Früchte ihrer Arbeit verschlingen. Kein eigenes Land zu besitzen bedeutet für einen Landwirt nicht nur, Pacht zahlen zu müssen – es bedeutet auch, dass er keine Wurzeln schlagen kann, keine Pläne schmieden kann und in ärmlichen Verhältnissen wohnen muss.“

Am Mittwoch stellt die UTT den Gesetzesvorschlag in einer öffentlichen Anhörung in der Abgeordnetenkammer vor. Der Text mit dem Titel „Fondo Fiduciario Público de Crédito para la Agricultura Familiar” sieht zinsvergünstigte Kredite für Kleinbauern zum Landerwerb vor. „Der Staat muss hier handeln. Wir wollen keine Geschenke“, betonte der Verband. „Wir schlagen vergünstigte Kredite vor und eine Ausweitung des von der Regierung geförderten Wohnungsprogramms Procrear auf ländliche Gebiete, damit Landwirte Zugang zu Land erhalten, das die Grundlage ihrer Arbeit ist – ebenso wie Stadtbewohner Hilfe erhalten, damit sie sich ein eigenes Heim leisten können.“ Die Organisation begrüßte, dass sich Abgeordnete und Vertreter öffentlicher Institutionen und Organisationen den Vorschlag anhörten, zeigte sich aber enttäuscht über das Fernbleiben des Ministeriums für Agroindustrie. Der Regierung wirft sie vor, große Landbesitzer und das Agribusiness zu unterstützen, während Kleinbauern marginalisiert würden. Nach Angaben des Verbands greife die Zentralregierung großen Produzenten im Jahr 2018 mit 145 Millionen Dollar unter die Arme, zum Beispiel durch Kreditvergünstigungen für von Dürren geplagte Landwirte oder die Senkung von Exportsteuern für Sojaproduzenten. „Wir werfen der Regierung vor, 145 Millionen Dollar an die Großproduzenten zu überweisen, die Futtermittel für chinesische Schweine anbauen“, sagte ein UTT-Vertreter. „Für den Rest gibt es keinen Peso. Es gibt Gelder für die Großen, die Kleinen gehen leer aus.“ Der Verband rechnet vor, dass durch 100 Millionen Pesos (5 Millionen Dollar) für das Programm „Procrear Rural” etwa 500 Kleinbauern Zugang zu 500 Hektar Land erhalten könnten, auf dem sie jedes Jahr Lebensmittel für 62,500 Familien anbauen könnten. (ab)

18.04.2018 |

Starke UN-Erklärung für die Rechte von Kleinbauern gefordert

Rechte
Mehr Rechte für Kleinbauern: auf dem Papier und in der Praxis (Foto: CC0)

Auch dieses Jahr stand der internationale Tag des kleinbäuerlichen Widerstandes am 17. April wieder ganz im Zeichen der Rechte von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Rund um den Globus fanden Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen statt, bei denen Bauernorganisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen auf die Probleme von Kleinbauern und Landlosen aufmerksam machten. Während die einen auf die Straße gingen, verhandelte in Genf eine Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats vom 9. bis 13. April eine Erklärung für die Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten. Seit 2012 wird daran schon gearbeitet und gefeilt, nun ging es in die fünfte und letzte Verhandlungsrunde. Im Juni 2018 soll das Endergebnis dem UN-Menschenrechtsrat zur Annahme vorgelegt werden. Mit der Rolle der EU und Deutschlands in diesem Prozess nicht unbedingt zufrieden zeigte sich ein Bündnis deutscher NGOs, zu dem unter anderem die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland oder das entwicklungspolitische INKOTA-Netzwerk gehören. Sie werfen der EU und Deutschland vor, die Erklärung zu torpedieren und zu verwässern.

„Leider hat sich die Bundesregierung nicht direkt in die Verhandlungen eingebracht, sondern hat sich von der EU vertreten lassen. Diese brachte vor allem Vorschläge ein, die die Wirkkraft der Erklärung schwächen würden“, kritisiert FIAN-Referentin Gertrud Falk, die die Verhandlungen beobachtete. Die EU weigere sich bisher, grundlegende Rechte von Kleinbauern anzuerkennen, wie zum Beispiel das Recht auf Saatgut, das Recht auf Land oder auf eine gesunde Umwelt, obwohl diese Rechte Voraussetzung für die Verwirklichung anderer Menschenrechte dieser Bevölkerungsgruppe seien. Der bisherige 14 Seiten und 28 Artikel umfassende Textentwurf sieht zum Beispiel in Artikel 21 das Recht auf Wasser vor. Hier etwa wollte die EU erreichen, dass der Titel in „Zugang zu Wasser“ abgeändert wird, um den rechtlichen Aspekt herauszunehmen, berichtet Falk: Das Recht auf Wasser ist viel umfassender als allein der Zugang, sagte sie gegenüber dem Deutschlandfunk: „Es geht dabei darum, dass Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und Kleinfischer und Kleinfischerinnen vor allen Dingen natürlich auch ihre Wasserressourcen pflegen dürfen, ihre gemeinschaftlichen Nutzungsweisen daran weiter kultivieren dürfen und ausüben können, und dass Wasserressourcen wie Quellen, aber auch die Seen und Bachläufe nicht privatisiert werden, wie das leider zunehmend der Fall ist, da große Konzerne versuchen, diese Ressourcen zu privatisieren und dann für ihren alleinigen Profit zu nutzen.“

Ebenfalls ein Dorn im Auge seien der EU kollektive Rechte. Doch Kleinbauern leben und arbeiten in vielen Regionen der Welt als Gemeinschaft und pflegen auch die natürlichen Ressourcen gemeinsam. „Rechte werden ihnen oft als Gemeinschaft streitig gemacht und müssen deshalb auch als gemeinschaftliche Rechte geschützt werden“, fordert Falk. Ein weiterer strittiger Punkt ist ein Recht auf Saatgut. Bäuerin Paula Gioia, die für die AbL am Verhandlungstisch saß, erklärte dazu: „Wir Bauern und Bäuerinnen kultivieren seit Jahrtausenden Saatgut und garantieren damit eine Sortenvielfalt, die für nährstoffreiche Nahrungsmittel, biologische Vielfalt und Anpassungen an Klimaveränderungen sorgt.“ Die Agrarindustrie strebe hingegen überall auf der Welt die Vereinheitlichung von Landwirtschaft und Nahrungsmitteln an und übernehme zunehmend die Kontrolle über die landwirtschaftlichen Grundlagen wie Land, Wasser und Saatgut. „Unser Recht auf Ernährungssouveränität muss dagegen geschützt werden“, fordert Gioia. „Dazu braucht es dringend die Unterstützung auch der Bundesregierung und der EU für eine starke UN-Erklärung.“

Rechte auf dem Papier sind das eine und die Umsetzung in der Realität das andere. Dennoch ist Falk überzeugt von der Notwendigkeit des Papiers: „Diese Erklärung fasst bestehendes Völkerrecht, was Kleinbauern betrifft, zusammen und interpretiert es für ihre Bedürfnisse. Das heißt, es stärkt sehr stark das Rechtsbewusstsein, das Menschenrechtsbewusstsein dieser Gruppe, sodass sie wissen, sie können politisch diese Rechte einfordern. Die Rechte werden nicht einklagbar sein, aber die Staaten, die hinterher der Erklärung zustimmen, verpflichten sich damit politisch, diese Rechte auch umzusetzen“, sagte sie dem Deutschlandfunk. (ab)

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