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07.03.2018 |

Greenpeace fordert Halbierung des Fleisch- und Milchkonsums bis 2050

Fleisch
Fleisch: ein Produkt mit Folgen (Foto: CC0)

Die industrielle Fleischproduktion stellt die Menschheit vor enorme ökologische und gesundheitliche Probleme. So kann es nicht weitergehen, wenn wir künftigen Generationen den Planeten in einem Zustand überlassen wollen, der auch eine wachsende Weltbevölkerung nachhaltig und gesund ernähren kann, zeigt eine neue Studie von Greenpeace. Der Bericht, der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Folgen der Produktion und des Konsums tierischer Produkte auf Umwelt und Gesundheit zusammenfasst, fordert daher eine weltweite Halbierung des Konsums von Fleisch und Milchprodukten bis zum Jahr 2050. „Der weltweite Fleisch- und Milchkonsum könnte deutlich reduziert werden“, sagte Professor Pete Smith von der University of Aberdeen im Vorwort des Berichts. Der Professor für Bodenkunde und Globalen Wandel betont, dass dies die menschliche Gesundheit verbessern, Umweltfolgen reduzieren, beim Kampf gegen den Klimawandel helfen und mehr Menschen bei geringerem Einsatz von Landflächen ernähren könnte, was auch dem Schutz der Artenvielfalt zugutekommen würde. „Nicht alle von uns müssen vegetarisch oder vegan leben – weniger und hochwertigere Fleisch- und Milchprodukte zu konsumieren leistet bereits einen wertvollen Beitrag.“

Der Bericht trägt aus aktuellen Studien eine Vielzahl von Zahlen und Fakten zusammen, so etwa zu den Treibhausgasemissionen, die dem Konsum tierischer Produkte geschuldet sind. Unser Ernährungssystem sowie landwirtschaftsbezogene Landnutzungsänderungen verursachen derzeit rund ein Viertel aller für den Klimawandel verantwortlichen Treibhausgasemissionen, schreiben die Autoren. Die Nutztierhaltung allein inklusive Landnutzungsänderungen verursacht 14% der Emissionen – genauso viel wie alle Autos, Lastwagen, Flugzeuge, Züge und Schiffe zusammen. Machen wir weiter wie bisher, werden die Treibhausgasemissionen des Ernährungssystems 2050 mehr als die Hälfte der globalen vom Menschen verursachten Emissionen ausmachen. Dann würde allein die Landwirtschaft 20,2 Milliarden Tonnen Kohlendioxidäquivalent (CO²e ) pro Jahr ausstoßen und das für 2050 anvisierte Emissionslimit von 21 Milliarden Tonnen CO²e im Alleingang erreichen. Damit würde das im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegte Ziel, die Erderwärmung auf ein erträgliches Maß von 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, weit verfehlt.

Die Nutztierhaltung und der Anbau von Futtermitteln sind außerdem eine der Hauptursachen für die Abholzung von Regenwäldern, das Entstehen von sogenannten Todeszonen in den Meeren sowie für Gewässerverschmutzung. 80% aller Abholzungen gehen auf das Konto des Ernährungssystems, hauptsächlich durch die steigende Anzahl der Nutztiere. Doch auch Graslandschaften und Savannen müssen für Weideland und Futterproduktion weichen. 65% der weltweiten Landnutzungsänderungen zwischen 1960 und 2011 sind der Herstellung tierischer Produkte geschuldet, zitiert Greenpeace eine Studie. Die industrielle Landwirtschaft und speziell auch die Nutztierhaltung tragen maßgeblich zum Verlust der Artenvielfalt weltweit bei. Der Übergang zu einer stärker pflanzlich-basierten Ernährung könnte das bis 2060 prognostizierte Aussterberisiko mittelgroßer und großer Vogel- und Säugetierarten um rund 20 bis 40% senken, belegt eine Studie. Und auch der menschlichen Gesundheit zuträglich sein. Denn eine fleischreiche Ernährung ist weltweit einer der Hauptrisikofaktoren für vorzeitige Mortalität durch Diabetes und Krebs sowie für Herz- und Kreislauferkrankungen. „Wenn wir das Ernährungssystem rasch und systemisch neu gestalten, können wir katastrophale Klimaveränderungen und Umweltzerstörung immer noch verhindern und dabei gleichzeitig unsere Gesundheit verbessern“, sagt Philippe Schenkel von Greenpeace Schweiz.

Greenpeace fordert deshalb eine Umlagerung von Subventionen, von den industriellen Fleisch- und Milchproduzenten hin zu ökologisch produzierenden Betrieben. Dies heißt zum Beispiel keine weitere Förderung von Hühner- und Schweinemästereien sowie von Milchbetrieben, die auf einen hohen Kraftfuttereinsatz setzen. Zudem will die Organisation erreichen, dass der Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung weiter stark reduziert wird. An die Verbraucher appelliert Greenpeace, öfters zu pflanzlichen Alternativen zu greifen. Und wenn es Fleisch sein muss, sollte es von gut gehaltenen Tieren stammen. Die Studie peilt bis zum Jahr 2050 einen globalen Pro-Kopf-Verbrauch von 16 Kilogramm jährlich an, wie es auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Das wären auf die Woche umgerechnet 300 Gramm, bei Milchprodukten blieben noch 630 Gramm. (ab)

28.02.2018 |

Studie: Wildbienen stehen auf eine kleinräumige Agrarlandschaft

Bienchen
Wildbiene bei der Bestäubung (Foto: Universität Göttingen)

Wildbienen gefallen kleinräumige Agrarlandschaften, während sie großen Feldern lieber den Rücken kehren. Dies hat ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Universität Göttingen herausgefunden. Denn je kleiner die Äcker, desto mehr Randstreifen, Hecken und andere geeignete Lebensräume stehen den Wildbienen zum Verstecken und Nisten zur Verfügung und bieten ihnen Nahrung. Für die Studie, die am 14. Februar im Fachjournal Proceedings of the Royal Society B – Biological Sciences erschienen ist, nahmen die Wissenschaftler die Präsenz von Wildbienen auf 229 landschaftlichen Flächen in vier großen Agrarregionen in Westeuropa genauer unter die Lupe. „Wir haben untersucht, ob eine höhere Heterogenität der Anbauflächen durch kleinere Felder und mehr verschiedene Feldfrüchte einen positiven Effekt hat“, so Annika Hass, Erstautorin und Doktorandin an der Universität Göttingen. Dabei betrachtete das Team, wie sich diese Faktoren auf das Auftreten von Wildbienen und die Bestäubungsleistung auswirkten.

Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass sich deutlich mehr Wildbienen auf kleineren Feldern tummelten. „Kleinere Felder führen zu mehr Feldrändern. Diese sind wichtig, da sie den Bestäubern Nistplätze und Blütenangebot bieten und auch zur Orientierung dienen können, sodass sie geeignete Lebensräume besser finden“, erläutert Annika Hass. Da mehr Wildbienen präsent waren als auf großen Vergleichsfeldern, führte dies auch zu einer verbesserten Bestäubung der angebauten Pflanzen. Für Wildbienen ist die Feldgröße offenbar sogar ausschlaggebender als die Vielfalt der Feldfrüchte. Es überraschte die Forscher, dass sich in Landschaften, in denen viele verschiedene Kulturpflanzen angebaut wurden, weniger Wildbienen aufhielten als in kleinteiligen Landschaften. „Beim Anbau vieler unterschiedlicher Pflanzen in Agrarlandschaften spielt die Auswahl der Kulturen eine große Rolle“, betont Prof. Dr. Teja Tscharntke, der die Abteilung Agrarökologie an der Uni Göttingen leitet und Mitautor der Studie ist. „Ein höherer Anteil von besonders intensiv bewirtschafteten Kulturen kann sich negativ auf Bestäuber auswirken.“

Damit Wildbienen und andere wilde Bestäuber in der Agrarlandschaft überleben können, benötigen sie ausreichend Nahrung und einen passenden Lebensraum, so die Wissenschaftler. Doch daran hakt es zunehmend. Wie eine im Fachmagazin „PLOS ONE“ im Oktober 2017 erschienene Studie zeigte, die die Gesamtmasse von Insekten in Fallen ermittelte, nahm die Zahl der Insekten in Deutschland extrem ab. Heute tummeln sich hier 76% weniger Schmetterlinge, Bienen und andere Fluginsekten als noch vor 27 Jahren. Das wirkt sich auch auf die Landwirtschaft aus, die auf die Bestäubungsleistung von Bienen, aber vor allem auch wildlebenden Insekten angewiesen ist. Viele Anbauprodukte wie Erdbeeren, Kirschen und Raps kommen ohne bestäubende Insekten nicht aus. Der Wert dieser Dienstleistungen durch wildlebende Insekten wird allein für die USA auf 57 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Göttinger Wissenschaftler fordern daher, dass zur Erhöhung des Vorkommens wildlebender Bestäuber Maßnahmen ergriffen werden, um ihnen mehr Lebensräume außerhalb der Felder zu bieten, wie Hecken oder Kalkmagerrasen. Da die Heterogenität der Agrarlandschaften, wie sie durch kleine Äcker gefördert wird, die Bestäubung von Pflanzen stark begünstigen kann, müsse sie in künftigen Agrarumweltmaßnahmen berücksichtigt werden, so die Forscher. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass kleinräumige Agrarsysteme die Zahl der Bestäuber und die Pflanzenvermehrung fördern. Daher sollten Agrarumweltmaßnahmen darauf abzielen, den gegenwärtigen Trend von zunehmenden Feldgrößen zu stoppen und umzukehren, sowie die Anzahl der Kulturpflanzen zu reduzieren, die auf eine besonders intensive Bewirtschaftung angewiesen sind.“ (ab)

22.02.2018 |

Bio boomt: Ökoanbaufläche wächst 2016 weltweit um 15%

Bio
Bio boomt! (Foto: CC0)

Bio boomt kräftig: Rund um den Globus wurden 2016 rund 57,8 Millionen Hektar Land ökologisch bewirtschaftet – der globale Markt für Bioprodukte brummte mit einem Umsatz von fast 90 Milliarden US-Dollar. Dies zeigt der Bericht „The World of Organic Agriculture“, der vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und IFOAM – Organics International auf der Messe BIOFACH präsentiert wurde. Ausgewertet wurden Daten zum Ökolandbau in 178 Ländern. Die Bioanbaufläche wuchs demnach 2016 um rund 7,5 Millionen Hektar – ein Plus von 15% gegenüber dem Vorjahr. Rund 47% der Biofläche liegt mit 27,3 Millionen Hektar in Ozeanien, gefolgt von Europa mit 13,5 Millionen Hektar (23%) und Lateinamerika mit 7,1 Millionen Hektar (12%). Australien führt das Länderranking mit der größten absoluten Bioanbaufläche an (27,2 Millionen Hektar) und verweist Argentinien mit 3 Millionen und China mit 2,3 Millionen Hektar auf die Plätze. Anders sieht es bei der anteiligen Fläche aus: Hier liegt Liechtenstein mit einem Bioanteil von 37,7% an der Gesamtfläche vor Französisch-Polynesien (31,3%) und Samoa (22,4%), gefolgt von Österreich (21,9%), Estland (18,9%) und Schweden (18%). Insgesamt bringen es 15 Länder weltweit auf einen Bioflächenanteil von über 10% - ein neuer Rekord. Deutschland landete mit 7,5% Biofläche in 2016 auf Platz 23.

Weltweit gibt es dem Bericht zufolge 2,7 Millionen Bioproduzenten, davon sollen 835.000 in Indien, 210.352 in Uganda und 210.000 in Mexiko leben. Das Marktforschungsunternehmen Ecovia Intelligence schätzt den globalen Markt für Bioprodukte 2016 auf 89,7 Milliarden US-Dollar - circa 80 Milliarden Euro. Der größte Biomarkt sind die USA mit 38,9 Milliarden Euro Umsatz, es folgen Deutschland, Frankreich und China mit 9,5 bzw. 6,7 und 5,9 Milliarden Euro. Die größten Erfolge wurden in Frankreich und Irland verzeichnet – dort nahm die Nachfrage nach Bioprodukten um 22% zu. Das meiste Geld pro Kopf legten jedoch die Schweizer auf die Ladentheke: Sie ließen sich Bioprodukte 274 Euro im Jahr kosten, gefolgt von Dänemark mit 227 Euro und Schweden mit 197 Euro. In Dänemark haben Bioprodukte mit 9,7% den höchsten Marktanteil.

Auch in Deutschland befindet sich der Ökolandbau im Aufwind, wie die am 14. Februar veröffentlichten Zahlen des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) für 2017. Die deutsche Öko-Fläche vergrößerte sich demnach gegenüber dem Vorjahr um 10% auf 1.375.967 Hektar Biofläche. Damit wurde 8,2 % der gesamten Landwirtschaftsfläche von Bio-Bauern bewirtschaftet. „2017 stellten jeden Tag durchschnittlich fünf Bauern eine Landwirtschaftsfläche von etwa 500 Fußballfeldern auf Bio um“, so Peter Röhrig, Geschäftsführer des BÖLW. Es kamen 2.042 neue Betriebe dazu, insgesamt sind es nun in Deutschland 26.855 Höfe oder 8,6% mehr als im Vorjahr. Nun sei es wichtig, dass sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene „das große Potential für Bio vom Acker bis zum Teller für einen nachhaltigen Umbau von Ernährung und Landwirtschaft“ genutzt werde. Der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein rief die gesamte künftige Bundesregierung zum „Zupacken“ auf, da viele Ressorts gemeinsam bestimmten, wie Landwirtschaft, Handel und Ernährung in Zukunft gestaltet werde. Er hob lobend hervor, dass im Koalitionsvertrag mit 2030 endlich ein konkretes Zieldatum gesetzt wird, bis wann ein Bioflächenanteil von 20% erreicht sein soll. Doch auch auf EU-Ebene muss gehandelt werden: „Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik muss darauf ausgerichtet werden, mit den Steuergeldern stärker die Bauern zu unterstützen, die Umwelt, Tiere, Gewässer, Artenvielfalt und Klima schützen“, fordert Löwenstein. (ab)

19.02.2018 |

Vielfalt im Rampenlicht: Rote Emmalie zur Kartoffel des Jahres gekürt

Rote
Rote Emmalie (Foto: www.kartoffelvielfalt.de)

Sie heißt „Rote Emmalie“ und ist 2018 die Königin der Kartoffeln. Die längliche Sorte mit dem rötlichen Fruchtfleisch und dem würzigen Geschmack wurde letzte Woche auf der Messe Biofach in Nürnberg zur tollsten Knolle des Jahres gekürt. Mit der Auszeichnung soll auf die Kartoffelvielfalt aufmerksam gemacht werden, die zunehmend in Vergessenheit zu geraten droht, da in Supermarktregalen nur noch ein schmales Sortiment von Standard-Sorten angeboten wird. Gezüchtet wurde die „Rote Emmalie“, eine vorwiegend festkochende Sorte, vom niedersächsischen Bio-Kartoffelzüchter Karsten Ellenberg. Sie ist eine Kreuzung aus den Sorten „La Ratte“, „Baltica“, „Highland Burgundy Red“ und der alten peruanischen Landsorte „Huamantango“. Die rötliche Färbung ist dem Pflanzenfarbstoff Anthocyan zu verdanken, der in ähnlicher Form auch in Erdbeeren und Himbeeren vorkommt.

Ellenberg, der in der Lüneburger Heide seit 20 Jahren Kartoffeln züchtet und auf rund 80 Hektar über 100 Sorten anbaut, hat sich bereits mit seiner Rettungsaktion für die Kartoffelsorte Linda einen Namen gemacht. Als der Konzern „Europlant“ sie 2005 kurz vor Ablauf der Sortenschutzzeit vom Markt nehmen wollte, was für Bauern bedeutet hätte, dass sie Linda nicht mehr als Pflanzkartoffel hätten weitervermehren dürfen, gründete Ellenberg einen Freundeskreis zur Rettung der Sorte. Nach Jahren des Rechtsstreits erwirkten die Linda-Fans auch in Deutschland eine Neuzulassung der Kartoffel durch das Bundessortenamt. „Ich möchte selbst entscheiden, was ich anbauen und verkaufen will. Da möchte ich mir nichts von Saatgutkonzernen vorschreiben lassen“, sagte Ellenberg der Osnabrücker Zeitung. Es sei nicht hinnehmbar, dass bewährten Sorten vom Markt verschwinden, nur weil die Industrie keinen Gewinn mehr damit erzielen könne. „Es gibt in Europa noch etwa tausend zugelassene Sorten, aber auf dem Markt sind nur eine Handvoll.“ Denn dem Handel gehe es nicht darum, möglichst viele Sorten im Angebot zu haben, sondern vor allem billige.

Gewählt wurde die „Rote Emmalie“ von Vertretern des Arbeitskreises „Kartoffel des Jahres“, dem unter anderem der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Anbauverband Bioland angehören. Zur Wahl stehen nur Kartoffelsorten, die ohne Gebühren nachgebaut werden können. Verkündet wurde die Gewinnerkartoffel von der indischen Umwelt- und Saatgutaktivistin Vandana Shiva. „Es ehrt mich, die Kartoffel des Jahres küren zu dürfen. Ich habe in den mehr als 50 Jahren, in denen ich als Wissenschaftlerin arbeite, realisiert, dass sich jedes lebendige System mit Intelligenz weiterentwickelt“, sagte sie auf der Preisverleihung. „Und ich ehre die Züchter, die dazu beigetragen haben, die einzige Wissenschaft zu betreiben, die den Namen Pflanzenzucht verdient, und das ist die Arbeit mit der Intelligenz der Natur, mit der Biodiversität, die wir erhalten haben“, sagte Shiva mit einem Seitenhieb auf die einstigen Bemühungen von Konzernen, mithilfe von Gentechnik Kartoffeln zu züchten, die z.B. mit einem erhöhten Stärkegehalt als Industrierohstoff dienen sollen. „Wir ehren heute die Vielfalt, die von der Roten Emmalie verkörpert wird“, fügte die Aktivistin hinzu. Ellenberg bedankte sich bei Shiva dafür, dass sie vor 10 Jahren auf der Abschlussveranstaltung der Slow-Food-Messe Terra Madre in Turin vor tausenden Menschen aus aller Welt zur Rettung der Linda aufgerufen und so dem Bestreben Sichtbarkeit verliehen hatte. „Wir kümmern uns weiter um die Vielfalt“, kündigte Ellenberg an. (ab)

13.02.2018 |

Frankreich: Agrarökologie statt „Neue Allianz für Ernährungssicherung“

Bauer
Mehr Förderung für Kleinbauern statt Konzerne (Foto: CC0)

Frankreich steigt aus der umstrittenen „Neuen Allianz für Ernährungssicherung“ der G7 aus. Das verkündete die Regierung am 8. Februar auf dem Treffen des interministeriellen Ausschusses für Entwicklungshilfe (Cicid). Stattdessen will Frankreich über andere Programme agrarökologische Methoden und die kleinbäuerliche Landwirtschaft fördern. Die 2012 ins Leben gerufene „Neue Allianz für Ernährungssicherung“ wird seit ihrer Gründung scharf von Entwicklungsorganisationen kritisiert, da sie unter dem Deckmantel der Hunger- und Armutsbekämpfung den Profitinteressen der internationalen Agrar- und Lebensmittelindustrie diene. Unterstützt wird die Initiative, die Projekte in zehn afrikanischen Ländern durchführt und bis 2022 insgesamt 50 Millionen Menschen in Sub-Sahara-Afrika aus der Armut befreien will, neben den G7-Staaten und weiteren Geberländern vor allem von großen Agrarkonzernen wie Cargill, Monsanto oder Louis Dreyfus. „Frankreich wird seine Unterstützung für eine integrierte ländliche Entwicklung und für landwirtschaftliche Familienbetriebe, vor allem in Afrika und insbesondere in der Sahelzone, durch eine Intensivierung der Agrarökologie, die Verbesserung der Ernährungslage der Bevölkerung sowie territoriale und sektorale Ansätze verstärken“, heißt es im Ergebnispapier des Cicid-Treffens.

Frankreich begründete den Schritt damit, dass eine Folgenabschätzung der Maßnahmen in Burkina Faso gemischte Resultate hervorgebracht habe. Die unabhängige Bewertung des Zentrums für internationale Zusammenarbeit in der Agrarforschung für Drittländer (CIRAD) fällt in der Tat wenig schmeichelhaft aus: „Die Neue Allianz in Burkina Faso ist die Geschichte einer politischen Initiative, die bei einigen Akteuren viele Hoffnungen und Enttäuschungen und bei anderen Kritik und Ängste hervorgerufen hat. Seitdem sie auf höchster politischer Ebene gestartet wurde, ging ihr schnell die Luft aus“, zitiert Le Monde aus dem Bericht. Die Studie konzentriert sich besonders auf das Bagré-Projekt, 200 km südöstlich von Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou. „Die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um Land für potenzielle Investoren frei zu machen, haben die Ernährungssicherheit und den Lebensmittelkonsum grundlegend verändert“, so die Studie. Künstliche Bewässerung soll dort im großen Stil eingeführt werden. Die Kleinbauern, die ihre Grundnahrungsmittel im Regenfeldbau anbauen, drohen leer auszugehen. „Die Situation der Familienbetriebe ist heute sehr angespannt im Vergleich zu den Bedingungen, die Agrarkonzernen angeboten werden, was zu einem starken Gefühl der Ungerechtigkeit führt“, schreiben die CIRAD-Experten. „Die Herangehensweise dieser Initiative ist zu ideologisch und es besteht ein echtes Risiko der Landnahme auf Kosten von Kleinbauern“, zitiert die Tageszeitung Le Monde einen mit dem Vorgang vertrauten Beamten des Außenministeriums.

Deutsche Entwicklungsorganisationen begrüßten den Schritt und appellierten an die amtierende Bundesregierung, dem Beispiel des Nachbarlandes zu folgen. „Die Neue Allianz der G7 ging seit ihrem Start an den Bedürfnissen der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen in den Mitgliedsländern vorbei“, sagte Jan Urhahn von INKOTA in einer Pressemitteilung des Forum Umwelt und Entwicklung, in dem zahlreiche deutsche NGOs vertreten sind. Die Programme seien in enger Abstimmung mit Konzernen und privaten Stiftungen, aber unter weitgehendem Ausschluss von betroffenen Kleinbauern und Kleinbäuerinnen sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelt worden. „Der Hunger wird bis 2030 nur beendet werden können, wenn die Kontrolle der Konzerne über Land, Wasser und Saatgut zugunsten der kleinbäuerlichen Landwirtschaft zurückgedrängt wird.“, fügte Stig Tanzmann vom Hilfswerk Brot für die Welt hinzu. Doch das deutsche Entwicklungshilfeministerium hatte erst 2017 zugesagt, die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) mit 10 Millionen Euro zu fördern. „Der Name ist bei AGRA Programm und steht für eine Landwirtschaft von gestern“, kritisiert Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung. AGRA setze stark auf die Ausweitung von Mineraldünger statt organischer Düngung und im Saatgutbereich würden bestehende bäuerliche Saatgutsysteme ignoriert. Die Organisationen rufen die Bundesregierung daher dazu auf, den Forderungen von Kleinbauern nach Ernährungssouveränität, der Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung und einer umwelt- und klimagerechten Landwirtschaft nachzukommen. (ab)

07.02.2018 |

Rettet Glanrind und Skudde: 71% der heimischen Nutztierrassen gefährdet

Wollschwein
Wollschwein: Bedroht, aber wieder im Kommen (Foto: Angelika Beck)

Brillenschaf, Sattelschwein und Hinterwälder Rind haben eines gemeinsam: Sie gehören zu den gefährdeten Nutztierrassen in Deutschland. Aktuell gelten 55 der 77 einheimischen Nutztierrassen der fünf Großtierarten Pferd, Rind, Schwein, Schaf und Ziege als gefährdet, wie aus der am Montag veröffentlichten Roten Liste der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hervorgeht. Große Sorge bereitet auch das Dominikaner Huhn: 2016 wurden nur noch 26 Hähne, 115 Hennen und 17 Züchter gezählt, von denen die Zukunft der stark gefährdeten Geflügelrasse mit dem gesperberten Gefieder abhängt. Die BLE-Liste enthält positive und negative Nachrichten: Die Bestandszahlen einiger Nutztierrassen haben sich auch aufgrund von Haltungsprämien positiv entwickelt. So haben sich die Bestände des Pinzgauer Rindes und des Merinolangwollschafes stabilisiert und konnten in die niedrigste Gefährdungsstufe eingeordnet werden. Die vor allem in Thüringen verbreiteten Merinolangwollschaf-Population brachte es 2015 wieder auf 86 Zuchtböcke. Schlecht steht es jedoch um die Skudde, das kleinste einheimische Schaf, das zur Gruppe der kurzschwänzigen, nordischen Heideschafe gehört. Es gilt aufgrund gesunkener Bestände wieder als gefährdet, da es nur noch 205 Böcke und 2.246 Mutterschafe gibt.

Bei den Schweinerassen war die Anzahl im Herdbuch eingetragener Zuchttiere insgesamt rückläufig. Doch eine zunehmend erfolgreiche Regionalvermarktung führte beim Bunten Bentheimer Schwein und den Sattelschweinen zumindest zu einem leichten Bestandsplus. So hat etwa das Schwäbisch Hällische Schwein weit über seine Ursprungsregion Hohenlohe hinaus Bekanntheit erlangt. Trotz positiver Entwicklungen bleibt die Gefährdung einheimischer Nutztierrassen laut BLE auf einem sehr kritischen Stand. „Weiterhin sind verstärkte Anstrengungen nötig, um diese Rassen sowohl als genetische Ressourcen als auch als kulturelles Erbe zu erhalten“, schreibt die Anstalt. Denn die Nutztierrassen-Vielfalt ist wichtig für die Zukunft der Landwirtschaft, nahm aber in den letzten Jahrzehnten rapide ab. Laut Welternährungsorganisation FAO sind weltweit über 7.000 Tierrassen erfasst oder gemeldet. Davon sind etwa 20% als gefährdet eingestuft. In Europa ist bereits etwa die Hälfte aller zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch verbreiteten Tierrassen ausgestorben. Ein Drittel der verbleibenden Rassen gilt als stark bestandsgefährdet.

Als Ursache für den Rückgang nennt das BLE sich beschleunigende Konzentrationsprozesse in der globalen Land- und Ernährungswirtschaft, die auch auf die Tierzucht einen deutlichen Einfluss haben. „Einer offensichtlichen Produktvielfalt im Lebensmitteleinzelhandel steht in den vorgelagerten Produktionsstufen eine immer stärkere Vereinheitlichung gegenüber“, schreiben die Experten. „Der Marktdruck zur kontinuierlichen Produktion großer Mengen uniformer agrarischer Rohstoffe (wie z. B. Milch oder Fleisch) führt häufig zum Verschwinden vielfältig strukturierter Landwirtschaftsbetriebe.“ Viele Nutztierrassen würden so unwirtschaftlich. „Wenige, züchterisch intensiv bearbeitete und spezialisierte Rassen teilen sich heute den Markt sowohl in Bezug auf die Nachfrage der Landwirte nach Nutztieren, als auch in Form der Produkte im Lebensmitteleinzelhandel“, ist in der Publikation zu lesen.

Um den bestehenden Genpool zu bewahren und sicherzustellen, dass die Vielfalt seltener Nutztierrassen künftigen Generationen erhalten bleibt, sind also verstärkte Anstrengungen nötig. Auch die FAO betont, dass die Erhaltung der Nutztierrassenvielfalt gerade in Zeiten des Klimawandels für die Welternährung enorm an Bedeutung gewinnen wird. Die genetische Vielfalt sei für die Widerstandsfähigkeit und die Anpassung an künftige Herausforderungen grundlegend. Auch die Weltnachhaltigkeitsziele (SDGs) widmen sich dem Erhalt gefährdeter Nutztierrassen: Das 2. SDG visiert im 5. Unterziel an, bis 2020 die genetische Vielfalt von Saatgut, Kulturpflanzen sowie Nutz- und Haustieren und ihren wildlebenden Artverwandten zu bewahren. (ab)

05.02.2018 |

Forscher fordern mehr Schutz für wilde Bestäuber statt Honigbienen

Biene
Ob Honig- oder Wildbienen: Sie sind wichtige Bestäuber (Foto: CC0)

Bienen sind beliebt: Das Sterben der fleißigen Bestäuber löst Besorgnis aus und prägt die Berichterstattung. Mit bienenfreundlichen Saatgutmischungen und Bienenpatenschaften leisten viele Bienenfreunde selbst einen Beitrag zur Verbesserung der Bedingungen. Doch Forscher der Universität Cambridge argumentieren nun im Fachjournal Science, das Sterben ganzer Bienenvölker sei – anders als in der Öffentlichkeit wahrgenommen – in erster Linie ein Problem für die Agrarproduktion und nicht für den Biodiversitätsschutz. Das Sterben ganzer Bienenvölker in der professionellen Bienenzucht und das Problem der schwindenden biologischen Vielfalt und der dramatische Rückgang tausender wilder Bestäuber seien zwei Paar Stiefel. Die Wissenschaftler gehen gar noch weiter mit ihrer kontroversen These: Die wie andere Nutztiere gehaltenen Bienenvölker könnten zudem selbst zum starken Rückgang der Bestände wilder Bestäuber in Europa beitragen, da sie ihren wilden Verwandten Nahrung streitig machen und Krankheiten verbreiten könnten. Gutgemeinte Schutzinitiativen zur Bienenhaltung in Städten oder schlimmer noch in Schutzgebieten fernab der Landwirtschaft würde das Schwinden wilder Bestäuber noch verstärken.

„Die weltweite Krise des Rückgangs bei Bestäubern ist vor allem mit einer Art in Verbindung gebracht worden, der Westlichen Honigbiene. Doch diese ist eine der wenigen Bestäuberarten, die kontinuierlich durch Zucht und Landwirtschaft wiederaufgestockt wird“, sagte Co-Autor Dr. Jonas Geldmann vom Department of Zoology der Universität Cambridge. „Der Schutz der Honigbiene hilft der Tierwelt nicht. Bei der Westlichen Honigbiene handelt es sich um eine kommerziell gehaltene Tierart, die in der Tat sogar negative Auswirkungen auf ihre unmittelbare Umgebung haben kann aufgrund der massiven Zahl, in der sie eingeführt wird.“ Das Schwinden der Bestände wilder Bestäuber, wie Nachtfalter oder Schwebfliege, schreitet Geldmann zufolge alarmierend schnell voran. Aktuell sind 50% aller europäischen Bienenarten vom Aussterben bedroht. Doch die Haltung von Honigbienen sei trotz ihrer wichtigen Funktion für die Bestäubung problematisch, da viele wichtige Nutzpflanzen wie Obst und Raps nur wenige Tage oder Wochen blühen, während Honigbienen je nach Region neun bis zwölf Monate aktiv seien und sich bis zu 10 Kilometer von ihren Stöcken entfernen würden. Das führe zu einer massiven „Verbreitung“ von gehaltenen Bienen in der Landschaft und könnte so wilde Bestäuber verdrängen. Die Haltung von Honigbienen entferne Pollen und Nektar aus der Umwelt – eine natürliche Ressource, die von vielen wilden Bienenarten und anderen Bestäubern benötigt wird, sagt Mitautor González-Varo.

Die Forscher betonen, dass die Aufmerksamkeit für die Honigbiene dabei helfe, das Bewusstsein für den Artenschwund zu schärfen, doch Maßnahmen müssten auch auf andere bedrohte Arten ausgerichtet werden. „Im letzten Jahrzehnt hat die Forschung zum Bienensterben und die Gefahren für die auf Bestäubung angewiesenen Pflanzen explosionsartig zugenommen. Doch es wurde wenig geforscht, um den Rückgang bei den wilden heimischen Bestäubern zu verstehen“, beklagt Geldmann. Der britische Bienenzüchterverband kritisierte die Studie. Martin Smith von der „British Beekeepers Association” sagte dem Blatt Daily Mail: „Ich halte es nicht für hilfreich, einen einzigen Bestäuber herauszupicken und ihn für den allgemeinen Rückgang der Bienenbestände verantwortlich zu machen.“ In Großbritannien habe es etwa in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg mehr als dreimal so viele Honigbienenvölker gegeben wie noch heute. Die Hauptursache, die zum Bestandsrückgang bei Bienen und anderen Bestäubern geführt habe, sei der Verlust ihres Lebensraums und nicht der Wettbewerb um Nahrung zwischen Honigbienen und wilden Bienen. „Ein Weg, um dieses Problem zu lösen, ist die Ausweitung der Lebensräume mit Pflanzen und Blumen, die Nahrung für alle Bienen bieten - zum Wohle von wilden und gehaltenen Bienen“, so Smith. (ab)

30.01.2018 |

FAO: Globale Lebensmittelpreise stiegen 2017 um 8,2%

Getreide
Die Getreidepreise stiegen 2017 um 3,2% (Foto: CC0)

Die weltweiten Lebensmittelpreise zogen im letzten Jahr wieder deutlich an: Um 8,2% stiegen die Preise für die wichtigsten Agrarrohstoffe im Jahresmittel 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dies zeigt der von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO am 11. Januar veröffentlichte Nahrungsmittelpreisindex, der monatliche Änderungen der internationalen Preise für einen Warenkorb von Agrarrohstoffen wie Getreide, Milchprodukte oder Ölsaaten misst. Demnach erreichte der FAO Food Price Index im Jahresmittel den höchsten Wert seit 2014. Im Dezember gingen die globalen Preise gegenüber November zwar um 3,3% zurück, ausgelöst durch einen Preisrückgang für Pflanzenöl und Milchprodukte. Doch trotzt sinkender Preise zum Jahresende kletterte der Food Price Index für 2017 auf 174,6 Punkte. 2016 und 2015 waren die Werte mit 161,5 und 164 Punkten noch um einiges niedriger. Der Index befand sich jedoch mit 24% noch deutlich unter dem Höchstwert von fast 230 Punkten im Jahr 2011, als enorme Preissprünge – wie bereits während der Lebensmittelpreiskrise 2007/2008 – weltweit Unruhen und Hunger auslösten und die Menschen auf die Straßen trieben.

Während die Zuckerpreise 2017 einbrachen, stiegen die Preise für Milchprodukte und Fleisch im Vergleich zum Vorjahr stark an. Der Milchpreisindex schnellte von 153,8 auf 202,2 Punkte und überstieg den Wert des Vorjahres damit um 31,5%. Die Fleischpreise steigen 2017 um 9%, aber blieben noch 4,7% hinter dem Mittelwert der letzten fünf Jahre zurück. Schaffleisch verzeichnete den höchsten Preisanstieg, gefolgt von Schweinefleisch, Geflügel und Rindfleisch. Der FAO-Index für Getreide stieg 2017 um 3,2% – von 146,9 auf 151,6 Punkte. Doch die Getreidepreise sind noch 37% niedriger als im Schockjahr 2011, als der Index auf 240,9 Punkte hochschnellte. Die Zuckerpreise fielen im Jahresmittel um 11,2%, vor allem aufgrund der Rekordernte in Brasilien, dem weltweit bedeutendsten Zuckerproduzenten. Was die Prognosen für 2018 angeht, kann die FAO noch keine belastbaren Aussagen treffen. Abdolreza Abbassian, ein führender FAO-Ökonom, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass es noch zu früh sei, um für dieses Jahr vorherzusagen, welche Auswirkungen Wetterbedingungen auf die Ernten haben werden. Er sagte, dass der Ölpreis ebenfalls die Preisentwicklungen beeinflussen wird. „Wenn die Ölpreise wieder Spitzenwerte erreichen, braucht es nur eine Art unerwarteter Entwicklung in einem der großen Erdölländer, damit die Ölpreise hochschnellen und dies würde sich definitiv auf andere Agrarrohstoffe ausweiten“, so Abbassian. Er geht davon aus, dass das Jahr 2018 „etwas unsichererer, etwas volatiler und unvorhersehbarer“ wird. (ab)

24.01.2018 |

Ungleichheit: Reichste 1% der Welt sacken 82% des Vermögenswachstums ein

FotoArmut
Das Vermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung stagnierte (Foto: CC0)

Die soziale Ungleichheit spitzt sich weiter zu: 82% des im letzten Jahr erwirtschafteten Vermögens floss in die Taschen des reichsten Prozents der Weltbevölkerung. Das zeigt ein Bericht der Entwicklungsorganisation Oxfam, der im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums in Davos veröffentlicht wurde. Und es gibt immer mehr Superreiche: Zwischen 2016 und 2017 stieg die Zahl der Dollar-Milliardäre so stark an wie nie zuvor – auf nun 2043. Ihr Vermögen wuchs dabei insgesamt um 762 Milliarden US-Dollar. Alle zwei Tage kam ein neuer Milliardär hinzu. „Der Milliardärsboom ist kein Zeichen für eine florierende Wirtschaft, sondern ein Symptom für ein scheiterndes Wirtschaftssystem. Die Menschen, die unsere Kleider herstellen, unsere Handys zusammenbauen oder unsere Lebensmittel produzieren, werden ausgebeutet, um eine stetige Versorgung mit billigen Gütern sicherzustellen und die Profite von Konzernen und milliardenschweren Investoren zu steigern“, sagte Winnie Byanyima, Geschäftsführerin von Oxfam International. In nur vier Tagen verdient ein Vorstandsvorsitzender einer der fünf größten Modekonzerne so viel wie eine Näherin in Bangladesch in ihrem gesamten Leben, schreibt Oxfam.

Während die Milliardäre im letzten Jahrzehnt ihr Vermögen im Schnitt jährlich um 13% steigerten, wuchsen die Löhne von Arbeitern und Angestellten nur um 2%. Zwischen 1980 und 2016 erhielt das oberste Prozent der Spitzenverdiener 27% des globalen Einkommenswachstums, schreibt Oxfam Deutschland in einer Zusammenfassung des englischen Berichts. Und Frauen trifft die Einkommensungleichheit besonders stark – sowohl an der Spitze als auch an der Basis der Pyramide. Nur 10% der Dollar-Milliardäre sind Frauen und Frauen arbeiten häufig in den am schlechtesten bezahlten Jobs, viele unter menschenunwürdigen Bedingungen. „Oxfam hat mit Frauen rund um den Globus gesprochen, die unter Ungleichheit leiden. Frauen in vietnamesischen Kleiderfabriken, die weit von ihrer Heimat entfernt für einen Hungerlohn arbeiten und ihre Kinder monatelang nicht zu Gesicht bekommen. Frauen, die in der US-Geflügelindustrie arbeiten und gezwungen sind, Windeln zu tragen, da sie keine Toilettenpause einlegen dürfen“, schildert Byanyima die Zustände. „Das derzeitige Wirtschaftssystem fußt auf der konsequenten Ausbeutung von Frauen“, kritisiert auch Jörn Kalinski, Kampagnenleiter von Oxfam Deutschland. „Weltweit ist zu beobachten, dass Frauen geringer bezahlt werden als Männer und überproportional häufig in schlecht bezahlten Berufen und in unsicheren Arbeitsverhältnissen vertreten sind. Sie leisten unbezahlte Pflege- und Sorgearbeit im Umfang von schätzungsweise zehn Billionen US-Dollar jährlich“, fügte Kalinski hinzu.

Aber auch in Deutschland ist Ungleichheit trotz brummender Wirtschaft ein Problem: Die BRD weist bei der Vermögensverteilung nach Litauen die zweithöchste Ungleichheit in der Eurozone auf, schreibt Oxfam. Auch hier zeigt sich eine zunehmende Konzentration an der Spitze: Das Vermögen des reichsten 1% der Bevölkerung wuchs zwischen 2016 und 2017 um 22%, das der ärmeren Hälfte dagegen nur um 3%. Oxfam fordert daher die Politik auf, die Ungleichheit zu bekämpfen – zwischen Arm und Reich, zwischen Männern und Frauen, weltweit und in Deutschland. „Die Bundesregierung muss Unternehmen gesetzlich verpflichten, entlang ihrer gesamten Lieferkette für faire Einkommen und Löhne zu sorgen, Arbeits- und Menschenrechte einzuhalten und gegen Diskriminierung vorzugehen“, so die Organisation. Zudem müsse in Bildung und Gesundheit für alle investiert werden. Daher sei es erforderlich, dass die Bundesregierung hierzulande, aber auch als Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit, den Auf- und Ausbau hochwertiger und gebührenfreier öffentlicher Systeme für Bildung und Gesundheitsversorgung fördere. Vor allem die Steuervermeidung von Konzernen und Superreichen müsse gestoppt werden. Die Beseitigung der Ungleichheit ist auch in den Weltnachhaltigkeitszielen verankert, zu denen sich die UN-Mitgliedsstaaten 2015 verpflichteten: Diese SDGs sehen vor, bis 2030 Hunger und extreme Armut komplett aus der Welt zu schaffen und Ungleichheit innerhalb eines Landes und zwischen Staaten zu verringern. (ab)

22.01.2018 |

33.000 Menschen demonstrieren in Berlin für die Agrarwende

Demo
33.000 Menschen zogen durch Berlin (Foto: Alexander Puell/www.wir-haben-es-satt.de)

Tausende Menschen haben am Samstag in Berlin für eine Agrarwende hin zu einer bäuerlichen und ökologischeren Landwirtschaft demonstriert. Angeführt von 160 Bauern mit ihren Traktoren zogen rund 33.000 Menschen unter dem Motto „Der Agrarindustrie die Stirn bieten!“ vom Hauptbahnhof über Alt-Moabit und das Regierungsviertel bis hin zum Brandenburger Tor. Die aus dem ganzen Bundesgebiet angereisten Teilnehmer protestierten – teilweise auch als Kühe, Schweine oder Bienen verkleidet – für eine bäuerlich-ökologischere Landwirtschaft, gesundes Essen, artgerechte Tierhaltung, globale Bauernrechte und gerechten Welthandel. Zu der Demo aufgerufen hatte „Wir haben es satt!“, ein breites Bündnis aus 100 Umwelt-, Verbraucher-, Landwirtschafts- und Entwicklungsorganisationen. Der Protestzug findet schon seit 2011 jedes Jahr zum Auftakt der Agrarmesse Grüne Woche und der internationalen Agrarministerkonferenz in Berlin statt.

Die Demonstranten forderten die künftige Bundesregierung auf, mit mehr Mut und Tempo die längst überfällige Agrar- und Ernährungswende einzuleiten. Umwelt, Tiere und Bauernhöfe verzeihen keinen weiteren Stillstand, verkündeten die Veranstalter. „Die industrielle Land- und Ernährungswirtschaft verursacht lokal und global Probleme für Bauern, Klima, Tiere und Umwelt“, sagte Jochen Fritz, Sprecher von „Wir haben es satt!“. „Der Umbau hin zu einer umwelt-, tier- und klimafreundlichen Landwirtschaft, in der Bauern gut von ihrer Arbeit leben können, darf von der Politik nicht weiter aufgeschoben werden.“ Konkrete Forderungen für die nächste Legislaturperiode sind – neben dem Glyphosat-Ausstieg und einem Umbau der Tierställe – die Kennzeichnungspflicht bei tierischen Lebensmitteln, ein Verbot von Reserve-Antibiotika in der Tierhaltung und faire Marktregeln zum Schutz von Bauernhöfen. Die Veranstalter kritisieren, dass trotz des Bewusstseinswandels bei vielen Verbrauchern, die verstärkt Wert auf gutes Essen und eine artgerechte Tierhaltung legen, die Politik weiter eine Agrarindustrie nähre, die auf Kosten von Umwelt, Klima und Tieren produziert. „Damit wir alle nicht langfristig die Zeche dafür zahlen, muss die GroKo den Spieß jetzt umdrehen. Diejenigen, die nachhaltig produzieren und essen, müssen belohnt werden“, fordert Fritz.

Doch der Protest wendet sich auch gegen die EU-Agrarpolitik. Die Zahlung von EU-Agrarsubventionen an außerlandwirtschaftliche Investoren, die immer mehr Bauern den Boden unter den Füßen wegkaufen, müsse sofort beendet werden, fordern die Veranstalter. Es brauche eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik. „Diejenigen, die umwelt- und klimaschonenden Ackerbau betreiben und Tiere artgerecht halten, müssen durch Direktzahlungen unterstützt werden, nicht wer am meisten Flächen besitzt“, sagte Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. „Die Bäuerinnen und Bauern sind bereit, aber die Politik muss den Rahmen schaffen. Gerade die kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe braucht das Land.“ Um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen, veranstalteten viele Demonstranten auf mitgebrachten Kochtöpfen ein kaum zu überhörendes Konzert. (ab)

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