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16.08.2017 | permalink
Vielfalt statt angereicherte Kekse im Kampf gegen die Mangelernährung

Allianzen von Regierungen und Konzernen zur Anreicherung von Nahrungsmitteln mit Nährstoffen tragen nicht zur nachhaltigen Bekämpfung von Mangelernährung bei. Stattdessen verdrängen sie traditionelle Esskulturen und nährstoffreiche Lebensmittel, schaffen Abhängigkeit und dienen vornehmlich der Profitmaximierung der Konzerne. Darauf macht eine neue Studie aufmerksam, die von der Menschenrechtsorganisation FIAN Österreich Anfang August veröffentlicht wurde. Das Dossier nimmt mehrere Allianzen von Regierungen und Konzernen unter die Lupe, die die Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit künstlichen Vitaminen und Mineralstoffen, auch mithilfe von Gentechnik, im Globalen Süden propagieren. Dazu gehören die Initiative Scaling Up Nutrition (SUN), eine breit aufgestellte Kooperation von Regierungen, Unternehmen, Nichtregierungs- und UN-Organisationen, oder die Global Alliance for Improved Nutrition (GAIN), eine von der UN ins Leben gerufene Stiftung. Unterstützt werden die Allianzen von UN-Institutionen und weiteren mächtigen Akteuren wie Weltbank, G8 und Privatstiftungen, allen voran die Bill & Melinda Gates Stiftung.
Die Studie dokumentiert, wie Regierungen weltweit Partnerschaften mit Konzernen der Agrar- und Ernährungsindustrie eingehen, die in der Produktion, Vermarktung und Anreicherung von Lebensmitteln oder künstlichen Nährstoffen aktiv sind. Länder des globalen Südens werden mit Investitionszusagen gelockt, wenn sie im Gegenzug ihre Ernährungs- und Gesundheitspolitik nach den Konzerninteressen ausrichten. „Konkret heißt das: Gesetzlich verankerte Anreicherungspflicht, gentechnikfreundliche Gesetzgebungen, Änderungen der Landnutzungsrechte auf Kosten von Kleinbäuerinnen und -bauern, Kriminalisierung des traditionellen, freien Tausches von Samen“, erklärt Studienautorin Melanie Oßberger von FIAN Österreich. „Insgesamt wird dem agroindustriellen Modell Vorschub geleistet, dadurch die Biodiversität reduziert, und so Mangelernährung verstärkt.“
Anhand mehrerer Fallbeispiele zeigt die Studie auf, wie Unternehmen wie Monsanto, Nestle oder Unilever sich unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Mangelernährung satte Gewinne auf Kosten der Gesundheit der Betroffenen sichern. In Kenia etwa hat GAIN ein Projekt mit dem dortigen Gesundheitsministerium umgesetzt, das sich zum Ziel gesetzt hatte, 200.000 Kinder zwischen 6 und 23 Monaten vor Nährstoffdefiziten zu schützen. Zum Start wurden 20 Millionen Päckchen mit Nährstoffpulver von DSM, dem größten Nährstoffproduzenten weltweit, verteilt. Teil der großangelegten Marketingkampagne ist der Tür-zu-Tür-Verkauf in Wohngebieten mit sozial schwachen Familien. Der US-Konzern Herbalife beteiligt sich finanziell. Die Strategie, verarbeitete Lebensmittel als „gesund“ zu verkaufen, wird auch in Indien angewandt. Die vom Britannia-Konzern vertriebenen Kekse der Marke Tiger sind mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert. Vor einigen Jahren versuchte die damalige Britannia-Chefin Vinita Bali, das gekochte Mittagessen an Indiens Schulen durch eine Packung angereicherter Kekse zu ersetzen. Die Initiative scheiterte knapp am Widerstand im Parlament und in der Zivilgesellschaft. Heute ist Vinita Bali Vorstandsvorsitzende von GAIN. FIAN kritisiert, dass solche Programme die von Mangelernährung Betroffenen zu EmpfängerInnen von Lebensmitteln macht, statt sie in ihrem Recht zu stärken, ihre Nahrung selbst zu erzeugen. Damit wird ihr Zugang zu und die Verfügbarkeit von Lebensmitteln eingeschränkt und ihre Souveränität beschnitten. Statt selbst die Verantwortung für den Anbau oder den Erwerb von gesunden Lebensmitteln übernehmen zu können, werden sie in eine Bittstellerposition manövriert, aus der sie sich nur schwer wieder befreien können.
Zwar sei es unbestritten, dass angereicherte Lebensmittel bei akuten Hungersnöten und für spezielle Zielgruppen Teil der Lösung im Kampf gegen Mangelernährung sein könne, erklärt die Studienautorin. Eine natürliche, vielfältige Ernährung können sie aber nicht dauerhaft ersetzen. Sobald Ausgabe und Verzehr angereicherter Lebensmittel eingestellt werden, kehren die Leiden laut Oßberger zurück. Mit dem Fokus auf eine technische Lösung würde die Debatte um Hunger und Mangelernährung zudem entpolitisiert. „Die Ursachen von Mangelernährung werden nicht bekämpft. Die Studie zeigt klar: Der Staat kommt seinen menschenrechtlichen Pflichten nicht nach, indem er zulässt und aktiv dazu beiträgt, dass die Anreicherungsallianzen das Menschenrecht auf Nahrung untergraben.“ (ab)
14.08.2017 | permalink
UN-Expertin fordert besseren Schutz für indigene Völker, Hüter der Biodiversität

Indigene Völker sind die besten Hüter der Artenvielfalt und der Wälder dieser Welt, wenn sie über sicheren Zugang zu ihrem Land verfügen. Doch sie sind zunehmend mit Menschenrechtsverletzungen und dem Verlust ihrer traditionellen Territorien konfrontiert, warnte die UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte indigener Völker Victoria Tauli-Corpuz anlässlich des internationalen Tages der indigenen Völker am 9. August. Denn obwohl die UN-Generalversammlung bereits vor 10 Jahren die Erklärung über die Rechte indigener Völker verabschiedete, werden die geschätzt mehr als 370 Millionen indigenen Völker in weltweit über 70 Ländern immer noch diskriminiert, ausgegrenzt und nicht ausreichend geschützt, beklagt die UN-Expertin. Zwar sei die Erklärung das umfassendste internationale Instrument zum Schutz der kollektiven Rechte indigener Völker, einschließlich der Rechte auf Selbstbestimmung, auf ihr traditionelles Land und ihre Kultur, doch das Problem bestehe in der mangelnden Durchsetzung dieser Rechte. „Indigene Völker werden aufgrund von Entwicklungs- und Naturschutzprojekten von ihrem Land vertrieben und sind Gewalt und Kriminalisierung ausgesetzt, wenn sie für ihre Rechte eintreten“, sagte Victoria Tauli-Corpuz der Britischen Zeitung The Guardian.
Die Vereinten Nationen warnten, dass indigene Gemeinschaften meist nicht über denselben Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung verfügen wie der Rest der Bevölkerung. Wo statistische Daten dazu vorliegen, belegen diese klar, dass indigene Völker überproportional von Armut, einer geringeren Lebenserwartung und schlechteren Bildungsergebnissen betroffen sind. Indigene Völker droht vor allem der Verlust ihres Landes und die Verletzung ihres Zugangs zu Ressourcen - die Grundlage für ihre Existenz und ihre kulturelle Identität. „Viele indigene Gemeinschaften leiden an unlösbarer Armut, obwohl sie auf ressourcenreichem Land leben, da ihre Rechte nicht respektiert werden und eine selbstbestimmte Entwicklung nicht unterstützt wird“, fügte Tauli-Corpuz hinzu. „Der Schutz der Rechte indigener Frauen, die oft sowohl für die Ernährungssicherheit ihrer Gemeinden als auch die Verwaltung der Wälder verantwortlich sind, ist von besonderer Bedeutung.“
Der Sonderberichterstatterin zufolge geht die größte Gefahr von der Bergbauindustrie, Umweltschutz-Projekten und dem Klimawandel aus. „Viele indigene Völker leben auf ressourcenreichen Territorien – größtenteils, da sie das Land über Generationen hinweg geschützt und bewahrt haben – weshalb sie zu einem Hauptziel für die Rohstoffindustrie und Schutzgebiete werden.“ Sie kritisiert, dass das internationale Recht Investoren und Unternehmen immer noch stark bevorzugt, obwohl die UN-Erklärung als internationale Norm anerkannt worden ist. „Viele indigene Völker werden immer noch von Staaten und Konzernen vertrieben und werden kriminalisiert und ermordet, wenn sie sich dagegen wehren, dass ihr Land geraubt oder von Bergbau- oder Ölkonzernen verschmutzt wird.“ Einzelpersonen oder Gemeinschaften, die es wagen, indigene Rechte zu verteidigen, werden als Fortschrittsbremser, entwicklungshemmende Kräfte und in einigen Fällen gar als Staatsfeinde oder Terroristen bezeichnet. Tauli-Corpuz sagte dem Guardian, dass selbst Projekte, die als Maßnahme gegen den Klimawandel gedacht sind, oftmals indigene Landrechte einschränken. „Obwohl indigene Völker die besten Hüter der Wälder sind und deren Vertreibung von ihrem Land keine Vorteile für die Umwelt bringt, werden immer noch ohne ihre Zustimmung Schutzgebiete auf indigenem Land errichtet“, beklagte Tauli-Corpuz. Dass dies kontraproduktiv ist, wird durch zahlreiche Studien gestützt, die belegen, dass mehr Kohlenstoff in den Böden gespeichert wird und weniger Abholzung stattfindet, wenn indigene Völker gesicherten Zugang zu ihrem Land haben.“ (ab)
- OHCHR: World still lagging on indigenous rights 10 years after historic declaration, UN experts warn
- UN News Centre: Protecting indigenous peoples' rights 'is protecting everyone's rights'
- The Guardian: ‘Indigenous peoples are the best guardians of world's biodiversity’
- Food Tank: Celebrating International Day of the World’s Indigenous Peoples
08.08.2017 | permalink
Deutsche Fleischproduktion im ersten Halbjahr 2017 rückläufig

In deutschen Schlachthöfen ist im ersten Halbjahr 2017 die Fleischproduktion erstmals seit Längerem wieder zurückgegangen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Montag vermeldete, sank die erzeugte Fleischmenge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 85.900 Tonnen auf 4,0 Millionen Tonnen. Das ist zwar nur ein Rückgang um 2,1%, doch das erste Mal seit vier Jahren, dass die erzeugte Fleischmenge nicht weiter zulegte, sondern einen spürbaren Dämpfer erhielt. In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden mit insgesamt 28,6 Millionen Schweinen gut 701.400 Tiere weniger geschlachtet als noch im ersten Halbjahr 2016 und mit 1,7 Millionen geschlachteten Rindern mussten 46.700 Tiere weniger ihr Leben lassen. Sogar beim Geflügel ging die Schlachtmenge zurück: Wurden 2016 im ersten Halbjahr noch 758.000 Tonnen Geflügelfleisch produziert, waren es 2017 „nur“ noch 746.500 Tonnen. An der gewerblichen Fleischerzeugung hatte Schweinefleisch mit 67,5 % den größten Anteil, gefolgt von Geflügel mit 18,7% und Rind mit 13,6%.
Ob der Rückgang im ersten Halbjahr eine Trendwende einläutet, wird sich im weiteren Jahresverlauf zeigen. 2016 hatte Deutschland erneut einen Rekord bei den gewerblichen Schlachtungen erreicht: Insgesamt wurden 8,25 Millionen Tonnen Fleisch in der Bundesrepublik produziert und das bis dato höchste Produktionsergebnis von 2015 noch um weitere 4.500 Tonnen übertroffen. Insgesamt rund 59,3 Millionen Schweine wurden im letzten Jahr getötet. Zwar gab es einen Rückgang um 0,8% bei der Schlachtung von deutschen Schweinen, doch die Zahl der aus dem Ausland für die Schlachtung importierten Tiere war um 9% in die Höhe geschnellt. Zudem wurden im letzten Jahr 3,6 Millionen Rinder in deutschen Schlachthäusern getötet.
Trotz der geringeren Schlachtmenge fällt in Deutschland noch immer sehr viel mehr Fleisch an, als die Bundesbürger alleine vertilgen könnten. 2015 lag der Selbstversorgungsgrad mit Fleisch in Deutschland bei insgesamt 122%. Es wurde 20% mehr Schweinefleisch produziert als hierzulande verzehrt wird, beim Geflügel waren es 12% und beim Rindfleisch ein Überschuss von 7%. Mehr als drei Viertel der deutschen Fleischexporte gingen in andere EU-Länder, doch vor allem der Hunger der Chinesen auf deutsches Schweinfleisch stieg stark an. Der Appetit der Deutschen auf Fleisch hatte zuletzt jedoch deutlich nachgelassen. Laut Zahlen des Deutschen Fleischer-Verbands verzehrten die Bundesbürger 2015 im Schnitt „nur“ noch 59,9 Kilogramm Fleisch – ein Kilogramm weniger als noch im Vorjahr. „Seit 2007 ist der Pro-Kopf-Verzehr mit zwischenzeitlichen Schwankungen langsam aber stetig zurückgegangen“, schreibt der Verband in seinem aktuellsten Jahresbericht. (ab)
- Destatis: Fleischproduktion im ersten Halbjahr 2017 um 2,1 % gesunken
- Statistisches Bundesamt (Destatis): Tiere und tierische Erzeugung
- shz.de: EU-weit sinkt die Nachfrage: In deutschen Schlachthöfen wird weniger Fleisch produziert
- Deutscher Fleischer-Verband: Geschäftsbericht 2015/2016 - Fleischverzehr
- Weltagrarbericht: Fleisch und Futtermittel
01.08.2017 | permalink
Überlastete Erde: nachhaltig nutzbare Ressourcen am 2. August aufgebraucht

Am 2. August sind die nachhaltig nutzbaren Ressourcen der Erde für 2017 aufgebraucht: Für den Rest des Jahres lebt die Weltbevölkerung wieder auf Pump und belastet die Erde stärker, als sie sich regenerieren kann. Darauf machen INKOTA, Germanwatch, die BUNDjugend, FairBindung und die Naturschutzjugend aufmerksam. Die Organisationen haben Daten des Global Footprint Network ausgewertet, das sowohl für einzelne Länder als auch die Welt insgesamt berechnet, wann die natürliche Belastungsgrenze der Erde erreicht ist – das heißt die Ressourcen verbraucht sind, die rein rechnerisch im gesamten Jahr nachhaltig genutzt werden könnten. Dabei wird der Bedarf an Acker-, Weide- und Bauflächen, die Entnahme von Holz, Fasern oder Fisch, aber auch die Belastung durch den Ausstoß von CO2 oder die Müllproduktion berücksichtigt.
Während die Menschheit im Jahr 2000 am 23. September und 1980 sogar erst am 4. November über ihre Verhältnisse lebte, sind die Ressourcen dieses Jahr so früh erschöpft wie noch nie – 6 Tage früher als noch 2016. Die Ausbeutung der Ressourcen nimmt also weiterhin an Fahrt auf. Die Menschheit beansprucht mittlerweile rein rechnerisch 1,7 Erden, um ihren Bedarf an Rohstoffen, Ackerland, Wasser und Wäldern zu decken – auf Kosten künftiger Generationen. „Die Erde ist kein Online-Shop mit scheinbar unbegrenztem Angebot. Jetzt ist der Laden leer. Alles, was wir nun verbrauchen, ist Diebstahl an künftigen Generationen. Es ist Aufgabe der Politik, das zu verhindern“, kritisiert Christoph Röttgers von der Naturschutzjugend. Würden alle Länder der Welt so wirtschaften wie Deutschland, wären sogar 3,2 Planeten nötig. Der deutsche Erdüberlastungstag wurde bereits am 24. April 2017 erreicht. „Vor allem in den Bereichen Verkehr, Energieversorgung und Landwirtschaft ist Deutschland alles andere als ein umweltbewusster Vorreiter. Das muss sich dringend ändern, damit wir die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen können“, betont Lena Michelsen vom INKOTA-netzwerk. Deutschland hat sich mit den 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals (SDGs) zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet. Dies betrifft nicht nur das 12. SDG, das nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster anstrebt, sondern erstreckt sich auf alle 17 Ziele.
Noch verschwenderischer mit den natürlichen Ressourcen als Deutschland gehen Australien und die USA um: Würde die gesamte Welt diesen Konsum- und Lebensstil übernehmen, wären 5,2 bzw. 5,0 Erden notwendig, Südkorea und Russland beanspruchen 3,4 Erden. Indien hingegen verbraucht rein rechnerisch nur 0,8 Erden. Doch das Global Footprint Network zeigt sich optimistisch, dass der Trend des steigenden Ressourcenverbrauchs umkehrbar ist. Wenn es gelingen würde, jedes Jahr den Erdüberlastungstag um 4,5 Tage in die Zukunft zu schieben, würde die Menschheit bis 2050 wieder innerhalb der Kapazitäten der Erde leben. „Unser Planet ist endlich, aber unsere Möglichkeiten sind es nicht“, betonte Dr. Mathis Wackernagel, Leiter des Global Footprint Network und Entwickler des Ökologischen Fußabdrucks. „Innerhalb des Ressourcenbudgets unseres Planeten zu leben ist nicht nur technologisch machbar, sondern auch finanziell von Vorteil. Es ist unsere einzige Chance für eine blühende Zukunft“, so Wackernagel. Würde zum Beispiel die Lebensmittelverschwendung weltweit halbiert werden, würde sich das Datum des Erdüberlastungstages um 11 Tage im Kalender nach hinten verschieben. Eine Halbierung des CO2-Ausstoßes würde sogar 89 Tage einbringen. (ab)
28.07.2017 | permalink
Exportboom: Deutsche Agrarausfuhren erreichen 2016 neuen Höchststand

Die deutschen Agrarexporte haben 2016 einen neuen Höchststand erreicht: Die BRD führte Agrarprodukte im Wert von rund 70,5 Milliarden Euro aus, ein Anstieg um knapp 4% gegenüber dem Vorjahr. Dies zeigen aktuelle Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL). Ein Drittel der Gesamtproduktion der deutschen Landwirtschaft wird exportiert, die Ernährungswirtschaft erlöst jeden dritten Euro im Ausland. Weltweit ist Deutschland die Nummer drei im Agrarexport nach den USA und den Niederlanden und steht auch bei den Agrarimporten an dritter Stelle. Bei Süßwaren, Käse, Schweinefleisch und Landtechnik ist Deutschland gar „Exportweltmeister“, verkündet das BMEL auf seiner Webseite. „Agrarexporte aus Deutschland tragen auch zur Entwicklung einer nachhaltigen, effizienten Landwirtschaft in den Zielländern bei, zum Beispiel mit hochwertigem Saat- und Pflanzgut oder leistungsfähigen Zuchttieren“, wirbt Bundesagrarminister Christian Schmidt im Vorwort der Publikation.
Zwischen den Zeiträumen 2000-2002 und 2013-2015 haben sich die deutschen Agrarausfuhren mehr als verdoppelt. Mit über drei Viertel aller Ausfuhren blieb die EU im Jahr 2016 der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Agrargüter. Auch 68% der Importe stammten aus den anderen EU-Mitgliedsstaaten. Die Niederlande sind weiterhin im Agrarhandel das wichtigste Herkunfts- und Bestimmungsland, gefolgt von Frankreich und Italien. Wichtigste Zielländer außerhalb der EU waren 2016 die Schweiz, gefolgt von den USA und China. Besonders hohe Zuwachsraten verzeichneten Exporte in die Volksrepublik China mit einem Anstieg von knapp 30% im Vergleich zum Vorjahr. Gut 65% der Agrarausfuhren nach China machten 2016 die Milch- und Fleischexporte aus.
Von den gesamten deutschen Agrarausfuhren entfällt die Hälfte auf Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs. Der Anteil der tierischen Erzeugnisse liegt bei gut 31%, während rund 16% auf Genussmittel und rund zwei Prozent auf lebende Tiere entfallen. Bei den Importen dominieren mit etwa 60% Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs, die wichtigste Warengruppe waren Ölsaaten und Ölsaatenprodukte, aber auch Kakao und Kakaoerzeugnisse, Kaffee und Südfrüchte. Während sich der Anteil tierischer Nahrungsmittel an den Agrarausfuhren verringert habe, nahm der zwar auf niedrigem Niveau liegende Anteil lebender Tiere an den Einfuhren in den letzten Jahren deutlich zu. Vor allem die stark gestiegenen Einfuhren lebender Schweine haben hierzu beigetragen, schreibt das BMEL.
Das Ministerium bemüht sich in der Publikation, Bedenken bezüglich der Auswirkungen deutscher Agrarexporte in Entwicklungsländern zu zerstreuen und bemängelt, dass in Diskussionen über den Agrarhandel „häufig nicht alle Daten und Fakten zugrunde gelegt“ werden sondern „Vorurteile und nicht mehr aktuelle Behauptungen“. Die Autoren nennen das Beispiel von Milchpulver- und Geflügelfleischexporten aus Deutschland nach Westafrika. Der Anteil deutscher Exporte in die am wenigsten entwickelten Lander (LDCs) betrage deutlich weniger als 1% aller Agrarausfuhren und in den letzten Jahren seien die Importe aus Entwicklungsländern, aus den Ländern Afrikas und den LDCs stärker gestiegen als deutsche Exporte in diese Länder. „Der Agrarhandel mit Deutschland trägt daher zur Entwicklung dieser Länder bei“, schlussfolgern die Autoren. Der Bericht betont, dass das BMEL das Wachstum bei den Agrarexporten mit Exportförderung und Auslandsmessen weiter ankurbeln will. Minister Schmidt hatte erst Ende Juni beim Bauerntag in Berlin seine Unterstützung für Agrarexporte versichert. „Wir freuen uns über jeden BMW, der in Japan herumfährt. Warum nicht auch deutsche Milch in einem chinesischen Kühlschrank?“, sagte der CSU-Politiker. Forderungen nach einer Neuausrichtung der Landwirtschaft wies er zurück. „Was wir wirklich nicht brauchen, ist eine Agrarwende.“ Ziel sei eine Landwirtschaft, die praxisnah, leistungsfähig und lukrativ sei. (ab)
25.07.2017 | permalink
UN: Milliarden Menschen ohne sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung

Sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung sind für Abermillionen Menschen weltweit ferne Zukunftsmusik. Rund 2,1 Milliarden Menschen haben immer noch keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser und 4,5 Milliarden müssen ohne angemessene sanitäre Einrichtungen auskommen. Das zeigt ein am 12. Juli veröffentlichter Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des UN-Kinderhilfswerks Unicef. Demnach haben 844 Millionen Menschen noch nicht einmal Zugang zu einer elementaren Trinkwasserversorgung. Dazu gehören auch die 263 Millionen Menschen, die mehr als eine halbe Stunde pro Weg zurücklegen müssen, um an eine Wasserquelle zu gelangen. Rund 159 Millionen Menschen sind gezwungen, unbehandeltes Wasser von Oberflächengewässern wie Flüssen, Bächen oder Seen zu trinken. Bei der Versorgung besteht eine deutliche Kluft zwischen Städten und ländlichen Gebieten. Zwei von drei Menschen mit sicherem Trinkwasser und drei von fünf mit angemessenen sanitären Einrichtungen leben in Stadtgebieten. Von den 159 Millionen Menschen, die unbehandeltes Oberflächenwasser trinken, leben 150 Millionen auf dem Land. „Sicheres Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene zuhause sollten nicht ein Privileg nur für Reiche und Menschen in den Städten sein“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. „Es handelt sich hierbei um Grundbedürfnisse für die menschliche Gesundheit und alle Länder stehen in der Verantwortung zu gewährleisten, dass für jeden Zugang besteht.“
Von den 4,5 Milliarden Menschen ohne angemessene Sanitärversorgung mangelt es 2,3 Milliarden selbst an elementaren Einrichtungen. 600 Millionen Menschen teilen eine Toilette oder Latrine mit anderen Haushalten und 892 Millionen Menschen – vor allem in ländlichen Gebieten – müssen ihre Notdurft im Freien verrichten, zum Beispiel in Abwasserrinnen oder hinter Büschen. Zwar haben seit dem Jahr 2000 Milliarden Menschen Zugang zu Wasser und Sanitärversorgungen erlangt, doch es muss schneller vorangehen, wenn die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) erreicht werden sollen. Diese sehen vor, dass bis 2030 weltweit Zugang zu elementaren Einrichtungen besteht und Menschen ihre Notdurft nicht mehr im Freien verrichten müssen. Doch dem Bericht zufolge ist in 90 Ländern der Fortschritt dahingehend zu langsam, um das Ziel einer flächendeckenden Versorgung zu erreichen.
Beim Zugang zu sauberem Trinkwasser sieht es etwas besser aus. 2015 hatten 181 Länder weltweit zumindest eine Grundversorgung von 75% sichergestellt. Australien, Neuseeland, Nordamerika und Europa stehen kurz vor der Zielgeraden, während Lateinamerika und die Karibik, Ostasien und Südostasien sich auf einem guten Weg befinden, das Ziel der grundlegenden Trinkwasserversorgung bis 2030 für alle zu erreichen. Doch auch wenn viele Menschen nun Zugang zu einer elementarem Versorgung mit sauberem Wasser haben, stellt die Hygiene oft immer noch ein Problem dar. In vielen Häusern, Gesundheitszentren und Schulen fehlt es an Seife und Wasser zum Händewaschen. Dies setzt vor allem kleine Kinder dem Risiko von Krankheiten wie Durchfall aus. Als Konsequenz sterben jedes Jahr 361.000 Kinder unter 5 Jahren an Durchfallerkrankungen. (ab)
18.07.2017 | permalink
Bioboom: Ökoanbaufläche in Deutschland wächst 2016 um 14,9%

Der Ökolandbau in Deutschland hat 2016 ordentlich an Boden gewonnen: Die ökologisch bewirtschaftete Fläche wuchs gegenüber dem Vorjahr um fast 15 Prozent. Das geht aus den Strukturdaten zum ökologischen Landbau in Deutschland 2016 hervor, die am Montag vom Bundeslandwirtschaftsministerium veröffentlicht wurden. Demnach stieg die ökologisch bewirtschaftete Fläche von 1.088.828 Hektar im Jahr 2015 auf 1.251.320 Hektar an – ein überdurchschnittlich hohes Plus von 14,9 Prozent. Die Zahl der Biobetriebe wuchs um 9,6% auf 27.132. Das Bundesland mit der größten Biofläche ist Bayern mit 285.243 Hektar, dort legte die Bioanbaufläche seit 2015 um 24% zu. Ebenfalls starke Flächengewinne verzeichnete Sachsen mit 28,6%, Schleswig-Holstein mit 22,4% und sowie Niedersachsen und das Saarland mit einem Plus von je 20%. Dagegen stieg die Fläche in Mecklenburg-Vorpommern nur um 5,3% und in Sachsen-Anhalt nur um 6,8% an.
Gemessen an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland lag der Anteil der Biofläche 2016 bei 7,5%, teilte das BMEL mit. „Der Ökolandbau ist neben dem konventionellen Landbau inzwischen eine wichtige Säule der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft“, verkündete Agrarminister Christian Schmidt. Er betonte, das Wachstumspotenzial des Ökolandbaus weiterhin unterstützen zu wollen. „Mein Ziel ist, dass auf 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologisch gewirtschaftet wird, um den wachsenden Bedarf an Bio-Lebensmitteln stärker durch heimische Öko-Produkte abdecken zu können.“ Ein konkretes Datum, wann dieses seit Jahren kommunizierte Ziel der Bundesregierung erreicht werden soll, nannte er jedoch nicht. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, betonte, dass der starke Zuwachs im Ökolandbau kein Verdienst der Bundesregierung sei, sondern den Ökobauern und dem Kaufverhalten der Konsumenten zu verdanken sei. „Es wäre deutlich mehr Ökolandbau möglich – zum Wohle der Verbraucher und für eine Umwelt ohne Bienensterben. Von CDU/CSU und SPD kam in den letzten Jahren außer warmen Worten wenig an konkreter Unterstützung für den Ökolandbau“, kritisierte sie.
Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), begrüßte den Bioboom. „Immer mehr Bauern und Bäuerinnen stellen auf Ökolandbau um. Sie nutzen damit die wachsenden Marktchancen. Denn immer mehr Bürger engagieren sich durch ihren Lebensmitteleinkauf für mehr Artenvielfalt auf dem Acker, sauberes Trinkwasser, Bio-Tierhaltung und gesundes Essen.“ Löwenstein betonte aber auch, dass Bio auf dem Acker und im Stall noch stärker wachsen müsse, damit die deutschen Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele nicht verfehlt werden. Die in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung angestrebten 20% Ökolandbau seien jedoch nur dann machbar, wenn die künftige Regierung die Öko-Zukunftsstrategie mit den nötigen Ressourcen ausstatte und die Weichen in allen Politikbereichen auf Bio umstelle. „Konventionelle Betriebe, die Bio als Chance begreifen brauchen für ihre Umstellungsentscheidung stabile Rahmenbedingungen. Dafür müssen Bund und Länder sorgen. Von der EU-Öko-Verordnung über Düngerecht bis hin zur Gemeinsamen Agrarpolitik braucht es Regeln, die den Ökolandbau unterstützen“, so Löwenstein. (Ab)
17.07.2017 | permalink
FIAN-Studie: Europäische Akteure mischen kräftig beim globalen Landraub mit

In der EU ansässige Akteure spielen eine wichtige Rolle bei Landgrabbing und den damit verbundenen Menschenrechtsverstößen im Globalen Süden, doch die Politik hat darauf noch keine angemessenen Antworten gefunden. Dies ist die Kernbotschaft einer Studie über Landgrabbing-Fälle unter Beteiligung europäischer Firmen und Finanzinvestoren, die am 13. Juli von der Menschenrechtsorganisation FIAN veröffentlicht wurde. Die Publikation beleuchtet unter anderem Landgrabbing in Sambia, Uganda, Kongo und Mosambik und zeigt die Folgen großflächiger Agrar-Investitionen für die Menschen vor Ort auf. Gerade in den Ländern, in denen ein Großteil der Bevölkerung auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft angewiesen ist, verlieren sehr viele Menschen durch den Flächenhunger von Agrarinvestoren ihre Existenzgrundlage. „Vor genau zehn Jahren berichteten die Medien erstmals über moderne Landnahmen, auch Landgrabbing genannt“, erinnert Roman Herre, Agrar-Referent von FIAN Deutschland. „Private und staatliche Investoren sind seitdem ständig auf der Suche nach riesigen Landflächen, um Agrartreibstoffe anzubauen, Nahrungsmittel zu exportieren oder um damit schlicht zu spekulieren. Oftmals werden hierdurch örtliche Gemeinden von ihrem Land vertrieben.“ Daher sieht Herre die jüngste Absage von Bundeskanzlerin Merkel an die „klassische Entwicklungshilfe“ und die Ankündigung einer verstärkten Zusammenarbeit mit Konzernen und Finanzinvestoren kritisch und befürchtet, dass dies für die Landwirtschaft „wenig Gutes erwarten“ lasse.
Bei der FIAN-Publikation handelt es sich um eine deutschsprachige Zusammenfassung einer im Mai 2016 im Auftrag des Europäischen Parlaments veröffentlichten Studie. Diese hatte gezeigt, dass die Rolle von Akteuren aus EU-Mitgliedsstaaten bei Landnahmen und Menschenrechtsverletzungen noch weitgehend unbeachtet bleibt, während Länder wie China, die Golfstaaten oder Südkorea bei der globalen Jagd nach fruchtbarem Ackerland häufig im Rampenlicht der Medienberichterstattung stehen. Die Zusammenfassung von FIAN betont, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten es bisher versäumt haben, das weltweite Landgrabbing durch europäische Akteure einzudämmen. Die EU habe zwar auf Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit Landgrabbing mittels einer Reihe von Strategien und Initiativen reagiert, doch sie komme damit ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht ausreichend nach. Gerade Konzepte zur Selbstregulierung der Wirtschaft und der sozialen Verantwortung von Unternehmen können die Folgen von Landgrabbing nicht vermeiden.
„Bis heute fehlen viele Grundlagen wie konkrete Handlungsanleitungen für Botschaftspersonal, um Fällen von Landgrabbing aktiv nachzugehen, diese zu dokumentieren und an Regierungen und Parlamente zu übermitteln“, erklärt Brigitte Reisenberger, Geschäftsleiterin von FIAN Österreich. Auch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte müsste sehr viel konkreter werden, etwa durch eine systematische Auswertung der zahlreichen Berichte über Landkonflikte sowie die engere Zusammenarbeit mit den UN-Menschenrechtsexperten, forderte Reisenberger. Welch geringen Stellenwert internationale Finanzinvestoren den sozialen Auswirkungen ihrer Aktivitäten beimessen, zeige das Beispiel der vielgelobten „UN-Prinzipien für verantwortungsvolle Investitionen“. Laut einer aktuellen Untersuchung des Think- Tank E3G stellen die knapp 1000 dort beigetretenen Konzernen und Investoren im Schnitt gerade einmal eine Person pro 14 Milliarden US-Dollar verwaltetem Vermögen an, um die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Investitionen zu überwachen. „Es ist absurd anzunehmen, dass auf diese Weise ein relevanter Beitrag gegen Umweltschäden oder Menschenrechtsverstöße geleistet wird“, kritisiert Roman Herre. „Die Zahlen belegen die Notwendigkeit einer internationalen Regulierung anstelle freiwilliger Selbstverpflichtungen.“ (ab)
12.07.2017 | permalink
OECD/FAO: Stabile Lebensmittelpreise und gedämpfter Fleischhunger pro Kopf bis 2026

Die weltweiten Lebensmittelpreise werden in den nächsten zehn Jahren niedrig bleiben, da die Nachfrage nach Agrarrohstoffen nur noch langsam wachsen wird und die Biokraftstoffpolitik weniger Einfluss auf die Märkte haben wird als in der Vergangenheit. Davon gehen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Welternährungsorganisation FAO aus, die am Montag ihren jährlichen gemeinsamen Bericht veröffentlichten. Der OECD-FAO Agricultural Outlook 2017-2026 enthält zahlreiche Prognose für alle wichtigen Agrarrohstoffe, zu Fisch und zu Biosprit. Er sagt voraus, dass die in den letzten 10 Jahren erfolgte Aufstockung der Getreidebestände um 230 Millionen Tonnen sowie ausreichende Bestände bei den meisten anderen Rohstoffen verhindern werden, dass die Preise ansteigen. Die Lebensmittelpreise befänden sich nun fast wieder auf dem Niveau von vor der Lebensmittelpreiskrise 2007-2008, als die Preise enorm in die Höhe geklettert waren. „Die realen Preise der meisten Agrarrohstoffe und Fisch werden im zehnjährigen Prognosezeitraum leicht fallen“, kündigte OECD-Generalsekretär Angel Gurría an. Doch er mahnte auch, dass es unabdingbar sei, dass Regierungen weiterhin gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um die globalen Lebensmittelmärkte stabil zu halten, da sich unvorhergesehene Ereignisse leicht entgegen dem Trend auf die Märkte auswirken können.
Die globale Getreideproduktion wird bis 2026 um 12% wachsen – dann soll 11% mehr Weizen, 14% mehr Mais und 13% mehr Reis produziert werden. Der Anstieg sei vor allem Ertragssteigerungen geschuldet. So soll 90% des Zuwachses beim Mais durch höhere Erträge und nur 10% durch eine Ausweitung der Anbaufläche erzielt werden. Die weltweite Fleischproduktion wird bis 2026 auf rund 353 Millionen Tonnen steigen – gut 75% der zusätzlichen Menge wird aus Entwicklungsländern stammen. Das Wachstum wird vor allem durch eine um 13% steigende Geflügelherstellung angeschoben, gefolgt von Schweinefleisch mit einem Plus von 10%. Der Bericht sagt voraus, dass Zuwächse in der Milch- und Fleischproduktion durch größere Mastbetriebe und höhere Leistung pro Tier erzielt werden. Die durchschnittliche Verfügbarkeit von Kalorien wird bis 2026 auf 2.450 kcal pro Person in den ärmsten Ländern und über 3.000 kcal in anderen Entwicklungsländern steigen. „Doch wir wissen auch, dass mehr Lebensmittel allein nicht ausreichen, um Unterernährung und andere Formen der Mangelernährung zu beseitigen“, ließ FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva verlauten. „Der Zugang zu zusätzlichen Kalorien ist sehr wichtig. Aber eine größere Herausforderung ist der Kampf gegen die Mangelernährung, der eine abwechslungsreiche, sichere und nahrhafte Ernährung erfordert, die idealerweise mit geringeren Umweltbelastungen einhergeht.”
Dem Bericht zufolge wird die Pro-Kopf-Nachfrage nach Agrarrohstoffen - außer in den ärmsten Ländern - nicht steigen und die wachsende Nachfrage nach Fleisch wird einen Dämpfer erhalten. In den letzten Jahren hatte vor allem der chinesische Fleischhunger die Nachfrage nach Futtermitteln enorm angeheizt und im Biospritsektor stieg die Nachfrage nach Rohstoffen jedes Jahr um fast 8%. Mittelfristig wird dieser Trend nicht anhalten. Der globale Fleischkonsum wird 2026 bei 34,6 kg stagnieren und damit nur um ein halbes Kilo zulegen. Das liegt laut FAO und OECD an dem großen Anteil der Weltbevölkerung mit niedrigem Einkommen und sich ändernden Ernährungsgewohnheiten. Insgesamt scheine es, dass eine Angleichung an den westlichen Ernährungsstil nur begrenzt erfolge.
Die Nachfrage nach Ethanol und Biodiesel sei aufgrund geringerer Preise für fossile Brennstoffe und weniger Anreize durch politische Maßnahmen abgeschwächt. Auch wenn die Energiepreise wohl weiter steigen, wird die Nachfrage nach Rohstoffen für die Erzeugung von Biosprit, vor allem Mais und Zuckerrohr für Ethanol sowie Pflanzenöl für Biodiesel, nur langsam wachsen. In Entwicklungsländern werde jedoch eine steigende Nachfrage durch politische Fördermaßnahmen angekurbelt. In den nächsten 10 Jahren wird die globale Biospritproduktion um 17% wachsen, doch verglichen mit einem Anstieg um 90% im letzten Jahrzehnt fällt das Plus laut den Experten vergleichsweise gering aus. (ab)
10.07.2017 | permalink
Oxfam: G20-Gipfel geht nicht entschlossen gegen Armut und Ungleichheit vor

Der G20-Gipfel hat zu wenig Fortschritte für Menschen gebracht, die in Armut leben. Das kritisiert die NGO Oxfam zum Ende des Treffens der führenden Industrienationen am 8. Juli in Hamburg. „Als Entwicklungsorganisation fragen wir, ob die Beschlüsse der G20 dazu beitragen, die Lebenssituation von Menschen zu verbessern, die in Armut leben“, sagte Jörn Kalinski von Oxfam. „Und das ernüchternde Fazit lautet: kaum! Trotz der Proteste gegen die wachsende soziale Ungleichheit auf der Welt haben die Staats- und Regierungschefs es nicht vermocht, die Weichen in Richtung mehr soziale Gerechtigkeit zu stellen“, lautete eine erste Reaktion. Die Organisation bemängelte, die Staats- und Regierungschefs hätten es versäumt, drängende Probleme wie die wachsende soziale Ungleichheit oder den Kampf gegen den Klimawandel entschlossen anzugehen.
Das Echo zu den Hilfszusagen für aktuelle Hungerkrisen fiel geteilt aus. Oxfam begrüßte zwar die Ankündigung von US-Präsident Trump, den Kampf gegen akute Hungersnöte mit 639 Millionen Dollar (ca. 572 Millionen Euro) zu unterstützen, von denen etwas die Hälfte an das Welternährungsprogramm gehen werden. Die Organisation betonte aber auch, dass dies längst überfällig gewesen sei und zudem nicht ausreichend, um die betroffenen Menschen in Nigeria, Somalia, Südsudan und Jemen vor einer Hungersnot zu bewahren. Angesichts der dramatischen Lage in den vier Ländern bekannten sich die G20-Staaten in ihrer Abschlusserklärung „mehr denn je dazu, mit der gebotenen Dringlichkeit zu handeln und die UN-Organisationen und andere Entwicklungsorganisationen koordiniert und umfassend dabei zu unterstützen, Leben zu retten und die Bedingungen für nachhaltige Entwicklung zu unterstützen“. Oxfam kritisierte, dass nur wenige G20-Länder ihren fairen Beitrag zur Finanzierung der Nothilfe-Aufrufe für die aktuellen Hungerkrisen leisteten. Es sei inakzeptabel, dass die meisten großen G20-Länder die Gelegenheit nicht genutzt hätten, ihre Beiträge zur Nothilfe aufzustocken. „Die Folge ist, dass Menschen sterben werden, deren Leben andernfalls hätten gerettet werden können.“
Die G20-Staaten beschlossen auf dem Gipfel zudem die Initiative „Compact with Africa“, die mithilfe von privaten Investitionen „nachhaltiges, inklusives Wirtschaftswachstum sowie nachhaltige, inklusive Entwicklung“ fördern will. Die G20-Afrika-Partnerschaft solle dazu beitragen, „vor allem für Frauen und Jugendliche menschenwürdige Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, und so helfen, Armut und Ungleichheit als Ursachen von Migration anzugehen“, ist in der Abschlusserklärung zu lesen. Oxfam sieht dies jedoch kritisch: „Die Initiative Compact with Africa baut auf dem irrigen Glauben auf, dass Privatinvestitionen schon irgendwie die Lebenssituation von Menschen in Armut verbessern werden. Doch dies ist nur dann der Fall, wenn Investitionen politisch gestaltet werden, im Dialog mit den Menschen und heimischen Unternehmen vor Ort, so dass alle profitieren, insbesondere Frauen.“ Doch davon ist nicht die Rede. Daher sei das Risiko groß, dass die Wünsche von Konzernen und Investoren im Vordergrund stehen, die im Schluss-Kommunique ausdrücklich ermutigt werden, „die wirtschaftlichen Möglichkeiten Afrikas zu nutzen“.
Des Weiteren bemängelte Oxfam die unzureichenden Beschlüsse der G20 in Handelsfragen, die nicht dazu beitragen werden, die Märkte demokratischer und gerechter zu machen. „Freier Handel ist nicht unbedingt fairer Handel. Im Gegenteil trägt ein unzureichend regulierter Handel dazu bei, die weltweite soziale Ungleichheit zu vergrößern“, hieß es in einer Pressemitteilung. Gerade zwischen ungleichen Partnern brauche es Regeln, damit aus Handelsfreiheit kein Freibrief für Ausbeutung werde. Zudem würden es die massiven Agrarsubventionen vieler G20-Länder afrikanischen Bauern unmöglich machen, im Wettbewerb zu bestehen. „Die G20 haben es versäumt, Lösungen für diese drängenden Probleme zu formulieren“, lautet das ernüchternde Fazit von Oxfam. (ab)