News
29.12.2016 | permalink
Verstädterung frisst 30 Millionen Hektar des weltweit fruchtbarsten Ackerlandes

Die Verstädterung bemächtigt sich der fruchtbarsten Ackerflächen der Welt und wirkt sich damit negativ auf die Nahrungsmittelproduktion und die Lebensgrundlagen von Kleinbauern im globalen Süden aus. Das zeigt eine neue Studie, die im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen ist. Demnach werden bis 2030 rund 300.000 Quadratkilometer von besonders fruchtbarem Ackerland durch die rasante Ausdehnung der Städte verloren gehen – eine Fläche, die fast so groß wie Deutschland ist und im Jahr 2000 etwa 3-4% des weltweiten Anbaus von Nahrungspflanzen stemmte. Laut den Berechnungen der Wissenschaftler des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) könnte diese Fläche rund 300 Millionen Menschen ein ganzes Jahr lang mit täglich 2.500 Kalorien versorgen. Für die Studie kombinierten die Forscher Prognosen der Yale University über die räumliche Ausdehnung von Städten mit Landnutzungsdaten der University of Minnesota und der University of British Columbia zur globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche und den darauf erzielten Ernteerträgen für die 16 wichtigsten Nahrungspflanzen. Das Ergebnis: Bis 2030 werden der Verstädterung 1,8 bis 2,4% der globalen Ackerfläche anheimfallen. Gut 80% der Verluste werden in Asien und Afrika erfolgen. Während Afrika die höchste Verstädterungsrate aufweist, wird in Asien die größte absolute Bevölkerungszunahme erleben. Ein Viertel des globalen Flächenfraßes entfällt mit 80,000 km² allein auf China. Den Autoren zufolge wird die Verstädterung dort die produktivsten Flächen in großem Umfang auffressen und könnte damit die heimische Lebensmittelproduktion bedrohen. „Hotspots des Ackerlandverlusts liegen häufig in einem Flussdelta, etwa im Goldenen Dreieck des Jangtse bei Schanghai oder im Perlfluss-Delta bei Hongkong“, sagte der Hauptautor der Studie, Christopher Bren d’Amour. Landnutzungskonflikte zwischen der Expansion der Städte und der Lebensmittelproduktion werden regional unterschiedlich ausfallen, so die Studie. „Vieles hängt von den individuellen Urbanisierungsdynamiken der Länder ab. In Indien vollzieht sich die Verstädterung beispielsweise langsamer und auf niedrigerem Niveau als in China“, erklärt Bren d’Amour. In Afrika droht der höchste prozentuale Verlust von Ackerland. Als Hotspots gelten Nigeria, Burundi und Ruanda.
Die Studie warnt, dass gerade die besonders fruchtbaren Flächen den Städten weichen müssen: Betroffen seien landwirtschaftliche Flächen, die 1,77 Mal produktiver sind als der globale Durchschnitt. Den Autoren zufolge „erhöht diese Dynamik den Druck auf künftig potenziell stark beanspruchte Ernährungssysteme und bedroht die Lebensgrundlagen in verletzlichen Regionen“. Das Wachstum der Städte hat laut der Studie aber noch weitere Auswirkungen auf die Ernährungssysteme, vor allem für Kleinbauern. In großen urbanen Gebieten wachse auch die Zahl der Supermärkte, die kleine Lebensmittelgeschäfte in lokalem Besitz verdrängen. Das habe Folgen für traditionelle Einzelhändler, kleine Lebensmittelproduzenten und die gesamte Lieferkette, da einst dezentrale Systeme der Lebensmittelbeschaffung durch zentralisierte Systeme mit großen Verteilungszentren abgelöst werden. Die Autoren sehen die Regierungen der landwirtschaftlich geprägten Volkswirtschaften im globalen Süden in der Verantwortung, Maßnahmen zum Schutz kleiner Lebensmittelproduzenten und -händler zu ergreifen, um ihre Lebensgrundlagen zu bewahren. „Die Stadtplaner können dazu beitragen, dass besonders Kleinbauern nicht ihre landwirtschaftliche Lebensgrundlage verlieren. Dazu könnte eine raumeffiziente Urbanisierung beitragen, die vorhandene produktive Landwirtschaft bewahrt, aber auch weiterhin Kleinbauern den Zugang zum städtischen Lebensmittelmarkt ermöglicht“, betont Mitautor Felix Creutzig vom MCC. (ab)
27.12.2016 | permalink
Grow: Landwirtschaft im globalen Süden im Griff von Agrarkonzernen

Das Agribusiness macht sich die Initiative „Grow“ zunutze, um ihren Einfluss auf Ernährung und Landwirtschaft im globalen Süden auszuweiten. Darauf weist die Nichtregierungsorganisation GRAIN in einem Mitte Dezember erschienenen Bericht hin. Demnach befördern einige der führenden Lebensmittel- und Agrarriesen wie Nestlé, PepsiCo und Monsanto öffentlich-private Partnerschaften im Rahmen der „Grow“-Initiativen. Diese sind auf Lateinamerika, Afrika und Asien ausgerichtet – die wichtigsten Wachstumsmärkte der globalen Lebensmittelindustrie. Sie versprechen „marktbasierte Lösungen“ für globale Probleme wie Armut, Ernährungsunsicherheit und den Klimawandel mit dem hehren Ziel, Kleinbäuerinnen und -bauern zu unterstützen. Tatsächlich zielen diese Unternehmen jedoch darauf ab, enge Bande mit Regierungen in den Ländern des globalen Südens zu knüpfen, um ihre Kontrolle über Märkte und Lieferketten auszuweiten, lautet die Kritik von GRAIN. Der Schwerpunkt der Initiativen liegt auf einigen wenigen hochwertigen Agrarerzeugnissen, wie Kartoffeln, Mais, Kaffee und Palmöl. Das zeige bereits, dass das wahre Ziel der Grow-Initiative die Ausweitung der Produktion von Cash-Crops sei, an denen nur eine Handvoll Unternehmen profitieren, die meisten mit Sitz in den USA und Europa. Der Bericht warnt vor negativen Auswirkungen des Projekts auf lokale Gemeinden, die Artenvielfalt, Ernährungssicherheit und das Klima.
Grow ist Teil der „Neuen Vision für die Landwirtschaft“, einer Initiative des Weltwirtschaftsforums (WEF), die 2009 aus der Taufe gehoben wurde und von 31 WEF-Partnern angeführt wird – Konzernen aus dem Bereich Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung oder Einzelhandel. GRAIN bemängelt, dass es sich bei der „Neuen Vision für die Landwirtschaft“ um ein „vages Dokument” handle, das „marktbasierte Ansätze zur Steigerung der globalen Lebensmittelproduktion und Gewährleistung ökologischer Nachhaltigkeit“ fordere. Der Fokus liege auf Vertragslandwirtschaft und binde so Kleinbauern an multinationale Konzerne, bzw. auf lokaler Ebene an Plantagen im Dienste von Unternehmen. Grow Asia ist der südostasiatische Ableger des Programms und beim Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) angesiedelt. Eines der Grow Asia-Projekte in Vietnam unter der Federführung von Monsanto und Syngenta soll dem Landwirtschaftsministerium dabei helfen, innerhalb von 5 Jahren 668.000 Hektar Land vom traditionellen Reisanbau auf die Produktion von Hybridmais umzustellen, der als Futtermittel dienen soll. GRAIN schreibt, diese Umwandlung habe bereits dramatische Folgen für das in der Region lebende Volk der Xinh Mun. In den letzten Jahren seien viele von ihnen dazu gedrängt worden, Mais statt dem traditionell im Hochland angebauten Reis anzupflanzen. Ihnen wurden Saatgut und Dünger sowie Grundnahrungsmittel angeboten, wenn sie sich im Gegenzug vertraglich zum Maisanbau verpflichteten. Dem Bericht zufolge war den Bauern nicht klar, dass sie die Kosten für das Saatgut später zur Erntezeit zurückzahlen mussten, wenn die Preise oftmals doppelt so hoch waren. Fast alle Haushalte seien mittlerweile verschuldet und viele Bauern hätten ihr Land verloren. Ein anderes Projekt befindet sich in Vietnams Provinz Lam Dong, wo Pepsi Kleinbauern in Vertragslandwirtschaft an sich gebunden hat. Für die Chipsmarke Lay benötigt der US-Konzern eine bestimmte Kartoffelsorte und will vor Ort dafür eine günstigere Lieferkette aufbauen. In Lateinamerika konzentriert sich Grow vorerst nur auf Mexiko, doch Chile, Kolumbien und Peru sollen folgen. In Afrika ist Grow aufs engste mit der berüchtigten Neuen Allianz für Ernährungssicherheit verknüpft. Für Konzerne bringt Grow Gewinne, lautet das Fazit von GRAIN, doch Kleinbauern und kleine Lebensmittelproduzenten und -verarbeiter haben keinen Platz in dieser Vision. (ab)
20.12.2016 | permalink
UN-Konferenz: Mehr Einsatz für Artenschutz - auch in der Landwirtschaft

Die Weltbiodiversitätskonferenz endete am 17.12. im mexikanischen Cancún mit entscheidenden Beschlüssen zum Schutz der Artenvielfalt in allen Politikbereichen – auch in der Landwirtschaft. Zwei Wochen lang hatten Regierungsvertreter, Wissenschaftler und Naturschützer aus aller Welt über Maßnahmen zur Bewahrung der biologischen Vielfalt debattiert und verhandelt. In der sechsseitigen Cancún-Erklärung verpflichtete sich die internationale Staatengemeinschaft, den Schutz und nachhaltigen Umgang mit der Artenvielfalt in Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und Tourismus zu integrieren. Künftig soll sichergestellt werden, dass Politiken, Pläne und Programme aller Politikbereiche, ebenso wie Gesetze, Verwaltungsakte und die Haushaltsplanung den Schutz und die Wiederherstellung der Artenvielfalt konsequent einbeziehen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks begrüßte die Ergebnisse der Konferenz: „Es ist erfreulich, dass der Artenschutz nunmehr weltweit in den Rang einer Richtschnur für agrarpolitische Entscheidungen gehoben wurde.“ NABU-Präsident Olaf Tschimpke bezeichnete die Beschlüsse als wegweisend, vor allem für die Landwirtschaft. „Die Regierungen der Welt haben sich in Cancún verpflichtet, ihre Agrarpolitik in Einklang mit Naturschutzzielen zu bringen. Damit haben Deutschland und die ganze EU jetzt eine klare Marschroute für die anstehende Reform der Agrarsubventionen nach 2020, von der sie nicht mehr abweichen dürfen“, betonte Tschimpke. In der Erklärung bekräftigten die Staaten den Willen zur Schaffung nachhaltiger Produktions- und Konsummuster und den Abbau schädlicher Subventionen.
Weitere Punkte sind die Unterstützung einer nachhaltigen Landwirtschaft und Maßnahmen zur Förderung von diversifizierten agrarökologischen Systemen ebenso wie die Ausweisung von Schutzgebieten für die landwirtschaftliche Vielfalt. Zum Schutz von Bienen und anderen Insekten gründete sich eine „Koalition der Willigen für Bestäuber“, der bereits 11 EU-Staaten angehören, darunter auch Deutschland. Die Initiative will konkrete Maßnahmen zum Schutz der Bestäuber und ihrer Lebensräume durch die Entwicklung und Umsetzung nationaler Bestäuberstrategien ergreifen, Wissen austauschen, Forschung zum Schutz der Bestäuber fördern und Alternativen zu Pestiziden suchen. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, begrüßte die Gründung der „Koalition der Willigen“ und appellierte an Deutschland, eine Vorreiterrolle einzunehmen und sich international für eine Abkehr vom Pestizideinsatz einzusetzen. „Erforderlich ist ein sofortiges Verbot von biodiversitätsschädigenden und insektengefährdenden Pestiziden wie Glyphosat und Neonikotinoiden“, forderte Weiger. Denn 90 Prozent der wild blühenden Pflanzenarten und 75 Prozent der Nahrungspflanzen seien auf die Bestäubungsleistung von Insekten angewiesen. In anderen Bereichen kritisieren Umweltschützer jedoch das Fehlen konkreterer und verbindlicher Maßnahmen, etwa beim Meeresschutz. „Beim Schutz unverzichtbarer Lebensräume wie Regenwälder, Korallenriffe, Flussauen oder Moore muss die Weltgemeinschaft mehr tun“, betonte auch Weiger. (ab)
- Cancun Declaration on Mainstreaming the Conservation and Sustainable Use of Biodiversity for Well-Being
- BUND: Anstrengungen beim Schutz der biologischen Vielfalt weltweit verstärken
- BMUB: Hendricks begrüßt Ergebnisse der Biodiversitäts-Konferenz in Cancún
- NABU: Wegweisende Beschlüsse für die Landwirtschaft
14.12.2016 | permalink
Studie: Steigender Methanausstoß gefährdet globale Klimaziele

Die weltweiten Methan-Emissionen sind in den letzten 10 Jahren sprunghaft angestiegen und gefährden so Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel. Das zeigt eine neue Studie eines internationalen Wissenschaftlerteams, die im Fachjournal „Environmental Research Letters“ erschienen ist. Die genaue Ursache für den rasanten Anstieg sei noch unklar, doch als Hauptverdächtige gelten Viehhaltung und Landwirtschaft. Den Forschern zufolge hat sich die Konzentration von Methan in der Atmosphäre seit 2007 deutlich erhöht, nachdem die Werte Anfang des Jahrtausends zunächst relativ stabil waren. „Anders als beim CO2 stieg die Methankonzentration in den letzten zwei Jahrzehnten schneller als je zuvor und nähert sich seit 2014 den treibhausgasintensivsten Szenarien“, schreiben die Autoren. Dies sei alarmierend, da das Treibhauspotential von Methan bei einem Zeithorizont von 100 Jahren im Vergleich zu CO2 etwa 28 Mal höher sei. „Die Erderwärmung auf unter 2 °C zu begrenzen ist bereits eine Herausforderung, wobei das Hauptaugenmerk auf den CO2-Emissionen liegt. Dieses Ziel zu erreichen wird zunehmend schwieriger, wenn die Methan-Emissionen nicht entschlossen und schnell angegangen werden“, warnen die Autoren. Den Forschern zufolge wird etwa 60% des globalen Methanausstoßes durch den Menschen verursacht, der Rest stammt aus Mooren und anderen natürlichen Quellen. Abschließend geklärt sei nicht, worauf der rasante Anstieg der letzten Jahre rühre. Laut der Studie legen neuere Untersuchungen jedoch nahe, dass zwei Drittel der anthropogenen Methan-Emissionen auf das Konto von Viehzucht und Landwirtschaft gehen, der kleinere Anteil stamme aus Mooren und vom Einsatz fossiler Brennstoffe.
Methangas entsteht im Magen von Kühen beim Verdauungsprozess und wird durch Gülle und Mist freigesetzt, auch beim Nassreisanbau entsteht in den überfluteten Reisfelder Methan. „Die auf fossilen Energieträgern basierende Industrie hat in den letzten Jahren die meiste Aufmerksamkeit erhalten. Emissionen aus der Landwirtschaft müssen ebenso genau untersucht werden“, fordert Rob Jackson von der Stanford University, einer der Studienautoren. Denn Methan sei zwar ein potenteres Treibhausgas als CO2, werde aber in der Atmosphäre schneller abgebaut. Jackson sieht hier eine große Chance, da Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen schneller greifen. Als mögliche Ansätze im Bereich Landwirtschaft und Viehzucht nennt die Studie die Förderung einer Ernährung mit weniger Fleisch und damit geringere Tierbestände sowie eine bessere Futterzusammensetzung für Wiederkäuer, z.B. mit Leinsamen, wodurch Kühe deutlich weniger Methangas produzieren. Auch im Reisanbau können Emissionen eingespart werden, wenn die Felder nicht ständig geflutet sind: „Die Anpassung von Reisanbaupraktiken (z.B. nur teils geflutete Felder und der Trockenreisanbau) ist gut erprobt und vielversprechend. Es wird davon ausgegangen, dass der Ertrag und die Qualität des Grundnahrungsmittels von mehr als 3 Milliarden Menschen garantiert werden kann”, so die Studie. „Wir müssen weiter CO2-Emissionen verringern, doch wenn wir den Methanausstoß senken, bringt dies zusätzliche Vorteile fürs Klima, die Wirtschaft und menschliche Gesundheit”, betont Jackson. (ab)
12.12.2016 | permalink
Großraum Hamburg könnte sich 100% regional und ökologisch ernähren

Die gesamte Region Hamburg könnte sich 100% mit Biolebensmitteln aus einem 100-Kilometer-Radius ernähren – wenn die Bewohner auf den einen oder anderen Hamburger verzichten würden. Das geht aus einer Studie der HafenCity Universität Hamburg hervor, die am 9.12. mit der Regionalwert AG Hamburg vorgestellt wurde. Diese zeigt, dass bei einem verringerten Fleischkonsum gemäß der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung rund 6,2 Millionen Menschen im Umland von Hamburg mit ökologisch erzeugten Lebensmitteln aus der Region ernährt werden könnten, wenn 75% der landwirtschaftlichen Flächen für den Nahrungsmittelanbau genutzt würden. Für die Studie, die im Rahmen einer Masterarbeit entstand, untersuchte die aus den USA stammende Autorin Sarah Joseph die Auswirkung sechs unterschiedlicher Ernährungsstile auf den Landverbrauch - vom gegenwärtigen im Schnitt konventionellen Stil mit einem Fleischverzehr von jährlich 87 Kilogramm pro Kopf bis zu einer vegetarischen Ernährung mit Obst und Gemüse aus ökologischem Anbau. „Fleischerzeugung ist der größte Flächenfresser. Meine Ergebnisse zeigen, dass sich schon mit zwei fleischfreien Tagen pro Woche 92 Prozent der Bevölkerung aus einem Radius von 100 Kilometern rund um Hamburg ernähren lassen. Bei drei bis vier fleischfreien Tagen sind es sogar hundert Prozent.“ Letzteres würde bedeuten, dass die Hamburger sich auf 24 Kilo Fleisch im Jahr beschränken müssten. Dieser Ernährungsstil ließe sich mit 2054 m² decken – in etwa die Fläche, die rein rechnerisch jedem Menschen zur Verfügung steht, wenn die weltweite Ackerfläche von 1,4 Milliarden Hektar durch die Anzahl der Weltbevölkerung geteilt wird. Das Weniger an Fleisch ließe sich am besten durch einen höheren Verzehr von Hülsenfrüchten wie Bohnen und Erbsen kompensieren, so Joseph, wodurch den Böden auch mehr Stickstoff zugeführt würde. Wenn die Hamburger jedoch weiterhin 87 Kilo Fleisch essen wollen, könnten nur 75% der Einwohner im 100-Kilometer-Radius ernährt werden, da 3.102 m² Fläche pro Kopf nötig wären. Die Studentin untersuchte beispielhaft eine Ernährung vom Kattendorfer Hof im Großraum Hamburg, der nach Demeter-Standard wirtschaftet, aber auch Fleisch produziert. Damit könnten 99% der Bevölkerung im Großraum Hamburg mit Obst und Gemüse aus ökologischer Erzeugung und 36 Kilo Fleisch versorgt werden – mit 2346 m² pro Nase. Flächengewinner ist eine rein vegetarische Ernährung, die nur 1966 m² benötigen würde. Sarah Jospeh sieht in einer regionalen, ökologischen Ernährung großes Potential: „Eine nachhaltige Landwirtschaft, gesündere Lebensmittel und viel geringere negative Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Natur.“ Auch die Betreuerin der Masterarbeit, Professorin Irene Peters von der HafenCity Universität, betont die Vorteile einer ökologischen und regionalen Lebensmittelproduktion: „Wie und wo wir unsere Lebensmittel herstellen, berührt elementar viele Bereiche, in denen wir dringend mehr Nachhaltigkeit brauchen: Böden, Wasser, den Regenwald, der vom Futtermittelanbau für die Intensivtierhaltung bedroht ist – unseren Umgang mit lebenswichtigen Naturressourcen überhaupt.“ (ab)
07.12.2016 | permalink
Studie: Landkonzentration in der EU erreicht enorme Ausmaße

In der EU hat die massive Konzentration von Land in den Händen weniger Betriebe erschreckende Ausmaße erreicht, während immer mehr kleinere Höfe aufgeben. Land ist in der EU noch ungleicher verteilt als Vermögen. Das zeigt eine neue Studie, die das niederländische Transnational Institute (TNI) Anfang Dezember veröffentlichte. Demnach kontrollieren Großbetriebe mit mehr als 100 Hektar, wozu lediglich 3,1% der Höfe in der EU zählen, 52% der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Kleine Betriebe mit weniger als 10 Hektar Land – und damit drei Viertel aller Höfe in der Europäischen Union – verfügen hingegen gerade einmal über 11% der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche. Damit steht Europa mit einem Gini-Koeffizienten von 0,82 in puncto Ungleichheit bei der Landverteilung Ländern wie Brasilien, Kolumbien oder den Philippinen, die gerne als Beispiele für Landkonzentration genannt werden, in nichts nach. Die Konzentration von Land in den Händen von Großbetrieben ist in osteuropäischen Mitgliedsstaaten besonders krass ausgeprägt. In Bulgarien, Tschechien und der Slowakei werden mehr als 80% der landwirtschaftlich genutzten Fläche von Betrieben mit mehr als 100 Hektar bewirtschaftet. Die zunehmende Landkonzentration macht besonders Europas kleinen Höfen zu schaffen, schreibt Autorin Sylvia Kay vom Transnational Institute. Zwischen 2003 und 2013 sank die Zahl kleiner Höfe mit weniger als 10 Hektar um ein Drittel: Die Fläche kleiner Betriebe ging um ein Viertel zurück, während die von Großbetrieben bewirtschaftete Fläche um 15% wuchs. Zwischen 1990 und 2013 sank die Zahl kleiner Betriebe in Deutschland um 79% und der Slowakei um 77%, in Italien und Tschechien betrug der Rückgang 68% und in Frankreich 56%. Landgrabbing, ein Phänomen, von dem eher bei großflächigen Landakquisitionen im globalen Süden die Rede sei, mache auch vor Europa nicht halt, betont die Autorin. Doch gerade in den östlichen Mitgliedsstaaten hätten noch vergleichsweise günstige Preise für Ackerland dazu geführt, dass riesige Flächen aufgekauft und Betriebe errichtet wurden, die EU-übliche Größenverhältnisse klar übersteigen. Als Beispiel wird in der Studie der libanesische Investor Maria Group angeführt, der in Rumänien 65.000 Hektar bewirtschaftet – und zudem über Schlachthäuser und einen eigenem Hafen verfügt, um Fleisch und Getreide in den Nahen Osten und nach Ostafrika zu verschiffen.
„Wenn nicht gegengesteuert wird, besteht die Gefahr, dass Landgrabbing und Landkonzentration jungen Menschen und potenziellen Landwirten den Einstieg in die Landwirtschaft verbauen und immer mehr Kleinbauern in Europa aufgeben werden”, warnt Kay. Dies hätte negative Auswirkungen unter anderem auf die Ernährungssicherheit, Beschäftigung, und Biodiversität in Europa, da das Verschwinden kleinbäuerlicher Strukturen auch die vielen Vorteile zunichte machen würde, die diese Bewirtschaftungssysteme mit sich bringen. Denn „Kleinbauern sind das Rückgrat der europäischen Landwirtschaft“, schreibt Kay. Sie produzieren gesunde Lebensmittel mit bekannter Herkunft, unterstützen Ernährungssouveränität durch den Aufbau lokaler Märkte und kürzerer Wege zwischen Erzeugern und Konsumenten und bringen Dynamik aufs Land durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Belebung ländlicher Räume, schreibt Kay. Zudem wirken kleine Betriebe sich positiv auf die Umwelt und die Artenvielfalt aus, hebt die Autorin hervor, denn sie praktizierten eher eine diversifizierte Landwirtschaft mit weniger Einsatz von Chemie als die kapitalintensiven Großbetriebe mit ihre industrialisierten Form der Landwirtschaft, die sich zunehmend in der EU ausbreiten. (ab)
05.12.2016 | permalink
Weltbodentag 2016: Böden und Hülsenfrüchte bilden ein starkes Team

Hülsenfrüchte leisten einen grundlegenden Beitrag zur Bodengesundheit, indem sie Stickstoff aus der Atmosphäre binden und die Biodiversität, Fruchtbarkeit und Struktur von Böden verbessern. Darauf machen die Vereinten Nationen anlässlich des diesjährigen „Tag des Bodens“ am 5. Dezember aufmerksam. Dieser steht 2016 unter dem Motto „Boden und Hülsenfrüchte, eine Symbiose für das Leben“ und unterstreicht die Bedeutung von Hülsenfrüchten für die Förderung eines nachhaltigen Bodenmanagements und die globale Ernährungssicherheit. Als „Architekten gesunder Böden“ bezeichnet die UN Bohnen, Erbsen, Linsen und Co. „Hülsenfrüchte können die Bodenfruchtbarkeit erhöhen und unterstützen eine gesündere und nährstoffreichere Ernährung“, betonte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in seiner Botschaft zum diesjährigen Weltbodentag. „Sie bilden gemeinsam mit Böden eine einzigartige Symbiose, die die Umwelt schützt, die Produktivität erhöht, einen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel leistet und dem Boden und folglich auch den Pflanzen grundlegende Nährstoffe zur Verfügung stellt“, erklärt Ban Ki-moon. Denn „Hülsenfrüchte fixieren Stickstoff aus der Atmosphäre in ihren Wurzeln. Indem sie bodengebundenen Phosphor freisetzen und diesen für Pflanzen zugänglich und nutzbar machen, reduzieren Hülsenfrüchte auch die Notwendigkeit, Dünger extern zuzugeben.“ Die Vereinten Nationen machen zudem auf die Bedeutung eines nachhaltigen Bodenmanagements für das Erreichen der 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals (SDGs) aufmerksam: Während eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung die Kohlenstoffspeicherung der Böden erhöhe und so dem Klimawandel entgegenwirke, die Stabilität, Durchlässigkeit und Wasserspeicherfähigkeit von Böden fördere und die Bodenfruchtbarkeit und damit auch die Ernährungssicherheit gewährleiste, führe ein nicht nachhaltiges Bodenmanagement zu mehr CO2-Ausstoß und Bodendegradation. Weltweit gilt ein Drittel aller Ackerflächen als von Degradation betroffen. SDG 15 visiert in Unterziel 3 an, bis 2030 die Wüstenbildung zu bekämpfen, die geschädigten Flächen und Böden einschließlich der von Wüstenbildung, Dürre und Überschwemmungen betroffenen Flächen zu sanieren und eine Welt anzustreben, in der die Landverödung neutralisiert wird. Auch das zweite UN-Nachhaltigkeitsziel betont die Notwendigkeit einer schrittweisen Verbesserung der Flächen- und Bodenqualität für die Ernährungssicherheit. „In einer modernen Welt, in der die Bevölkerung wächst, die Städte sich ausdehnen, das Klima sich verändert und mehr Lebensmittel benötigt werden, brauchen wir dringend gesunde Böden, um die lebenswichtigen Leistungen sicherzustellen, die Böden erfüllen", so die eindringliche Mahnung des scheidenden UN-Generalsekretärs. (ab)
30.11.2016 | permalink
Studie: Ökolandbau in Kenia bringt vergleichbare Erträge und höhere Preise

Der Ökolandbau in Kenia erzielt beim Mais vergleichbare Erträge wie konventionelle Anbausysteme und beschert Biobauern nach der Umstellungsphase mehr Gewinne, da sie höhere Preise erzielen. Das zeigt eine Langzeitstudie des Schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), die zusammen mit lokalen Partnern in Kenia seit 2007 durchgeführt wird. Eine erste Auswertung des Systemvergleichs war bereits im Juni erschienen, nun wurden die Ergebnisse der ersten sechs Jahre Anfang November im Fachjournal „Agriculture Ecosystems and Environment” veröffentlicht. An zwei Standorten im Hochland Kenias, Chuka und Thika, deren Bedingungen sich bei Niederschlägen und Bodenfruchtbarkeit unterscheiden, wurden Testfelder angelegt. Verglichen wurden biologische und konventionelle Anbausysteme in zwei Ausprägungen: Sowohl eine kommerzielle, exportorientierte Variante, die durch Bewässerung und einen hohen Einsatz an Betriebsmitteln wie Dünger gekennzeichnet ist, und eine kleinbäuerliche Variante mit wenig externen Inputs im Regenfeldbau.
Bereits nach einer Umstellungsphase von drei Jahren konnten die Erträge der Bioflächen mit hohem Input mit den konventionell bewirtschafteten Flächen mit hoher Bewirtschaftungsintensität mithalten. Der Ertrag auf den Feldern mit geringer Bewirtschaftungsintensität in Thika war im konventionellen Anbau drei Mal höher, wenn Mais in Monokultur angebaut wurde. In der Fruchtfolge mit Bohnen jedoch wurden auch bei niedriger Bewirtschaftungsintensität vergleichbare Maiserträge erreicht. Zwar waren die Produktionskosten in beiden Ökovarianten höher als bei konventionellen Anbaumethoden, doch dies konnte der Ökolandbau durch höhere Preise wettmachen, die für Bioprodukte auf den lokalen Märkten in Chuka und Thika und auf regionalen Märkten (Nairobi) zu erzielen sind. In den ersten beiden Jahren hatten die konventionellen Bauern noch die Nase vorne, doch ab dem dritten Jahr war der Gewinn vergleichbar – auch wenn Bioware zu normalen Preisen verkauft wurde. Ab dem 5. Jahr nach Umstellung brachten Bioprodukte der Flächen mit hohere Bewirtschaftungsintensität einen Preisaufschlag von 20-50% ein, wodurch die Rentabilität des biologischen Landbaus um 1,3- bis 4,1-mal höher war als in konventionellen High-Input-Systemen.
Zudem zeigte die Studie, dass die Nährstoffbilanz in Bioböden mit hoher Bewirtschaftungsintensität positiv ausfiel, da Ernterückstände auf dem Feld belassen oder im Kompost wiederverwertet werden. Handlungsbedarf gebe es aber sowohl im konventionellen Anbau als auch beim kleinbäuerlich strukturierten Bioanbau, da auf diesen Testparzellen die Nährstoffbilanz negativ war und dem Boden damit zu viele Nährstoffe entzogen wurden. Die Forscher empfehlen daher für beide Systeme bessere Anbaupraktiken zu Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit. Im Ökolandbau in Kenia gebe es auch noch einiges an Verbesserungspotenzial, schreiben die Autoren: „Die Nutzung einfacher Geräte und Praktiken zur Verringerung der Produktionskosten im Ökolandbau verdient mehr Aufmerksamkeit. Es ist wichtig, angemessene Vermarktungsmöglichkeiten für Bioprodukte zu entwickeln und politische Maßnahmen durchzuführen, um sicherzustellen, dass die wirtschaftlichen Vorteile der höheren Marktpreise auch tatsächlich bei den Bauern ankommen.“ Auch die Fruchtfolge von Mais und Bohnen müsse weitere Verbreitung im Anbau mit wenigen Inputs finden. Insgesamt hätten die ersten sechs Jahren des Systemvergleichs jedoch gezeigt, dass der „biologische Landbau mit hoher Bewirtschaftungsintensität produktiv, wirtschaftlich und ressourcenschonend ist und zur nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion in Kenia und anderen Regionen in Subsahara-Afrika beitragen kann, die ähnliche Umweltbedingungen wie die Versuchsregion aufweisen“, so das Fazit der Forscher. (ab)
28.11.2016 | permalink
Regenwald im Tank: Immer mehr Palmöl wird in der EU für Biodiesel genutzt

In der EU landet immer mehr Palmöl im Tank: Der Anteil des importierten Palmöls, das für Biodiesel verwendet wird, stieg 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 3% auf 3,35 Millionen Tonnen an. Das geht aus einem Bericht der Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) vom 25. November hervor. Demnach flossen 2015 rund 46% der insgesamt 7,3 Millionen Tonnen Palmöl-Importe der EU in den Verkehrssektor, während 45% in der Lebensmittel-, Tierfutter- und Kosmetikindustrie und 9% für Elektrizität und Wärme genutzt wurden. „Die Verbraucher können ihr Bestes geben, um Palmöl im Essen und in Kosmetika zu vermeiden“, betonte Jori Sihvonen, Biosprit-Experte von T&E. „Aber die Biosprit-Regelungen der EU zwingen sie dazu, Palmöl in ihren Autos zu verfeuern – fast immer ohne ihr Wissen.“ Die Organisation wertete für die Studie Industriedaten von Oilworld aus. Demnach liegt die Nutzung für Biodiesel erstmals vor der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie. T&E schätzt, dass die Produktion von Palmöl für den EU-Biodieselmarkt direkt fast 1 Million Hektar Land in den Tropen verschlingt. Würde der Rest der Welt auch so viel Palmöl für die Biodieselproduktion verwenden, wären 4,3 Millionen Hektar Land nötig. Die größten EU-Produzenten von Biodiesel aus Palmöl sind Italien, Spanien und die Niederlande, die 80% der gesamten EU-Produktion auf sich vereinen.
T&E warnt, dass Biosprit schädlicher fürs Klima sei als normaler Sprit. Biodiesel auf Palmölbasis verursache dreimal mehr CO2-Emissionen als fossiler Diesel. Landnutzungsänderungen und die Trockenlegung von Mooren für den Anbau von Ölpalmen sind der Hauptgrund. „Wenn der Rest der Welt auch so viel Palmölbiodiesel nutzen würde wie Europa, wäre dies das Ende für die Regenwälder weltweit“, erklärt Sihvonen. „Wir müssen diesen Wahnsinn stoppen und der beste Ort dafür ist Europa, wo alles begann. Wir appellieren an die EU-Kommission, landbasierte Biokraftstoffe bis 2025 und landbasierten Biosprit bis 2030 auslaufen zu lassen.“ Auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) hält Biosprit aus Palmöl für eine klimapolitische Sackgasse und fordert den phasenweisen Ausstieg aus landbasierten Biokraftstoffen bis hin zum völligen Verbot. „Die Rechnung, verbrauchsstarke Verbrennungsmotoren mit scheinbar treibhausgasneutralen Kraftstoffen betreiben zu wollen, geht nicht auf. Jedes Jahr werden gigantische Flächen an Tropenwald gerodet und für immer zerstört, nur um billiges Palmöl zu produzieren“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller in einer Erklärung. Momentan arbeitet die EU-Kommission an einem Vorschlag zur Novellierung der Richtlinie für Erneuerbare Energien (RED), die auch den Biosprit-Anteil und Subventionen dafür regeln wird. Ein geleakter Entwurf sieht lediglich eine minimale Verringerung des Biokraftstoffanteils im Verkehrsbereich von 4,9% im Jahr 2014 auf 3,8% im Jahr 2030 vor. Das geht Umweltschützern nicht weit genug. „Damit wäre auch künftig eine Beimischung von problematischen Pflanzenölen wie Palmöl mit seinen negativen Auswirkungen für Umwelt und Klima zulässig“, kritisiert der NABU. (ab)
23.11.2016 | permalink
Soziale Ungleichheit wächst: Die reichsten 1% besitzen 50,8% des Weltvermögens

Die weltweite Ungleichheit zwischen Arm und Reich hat sich weiter verschärft: Nur ein Prozent der Weltbevölkerung besitzen mehr als die Hälfte des globalen Vermögens. Das geht aus dem Global „Wealth Report 2016“ hervor, den die Schweizer Großbank Credit Suisse am Dienstag veröffentlicht hat. Demnach besitzt die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung gerade einmal ein Prozent des weltweiten Vermögens, während die reichsten 10 Prozent der Erwachsenen 89 Prozent des Reichtums auf sich vereinen. Den Superreichen – dem einen Prozent an der Spitze der Pyramide – gehört 50,8 Prozent des Haushaltsvermögens. Im Jahr 2009 hatte der Wert noch 45,4 Prozent betragen. „Der ‚Global Wealth Report‘ zeigt, dass die soziale Ungleichheit ein schwindelerregendes Niveau erreicht hat“, kommentierte Jörn Kalinski von Oxfam Deutschland die Zahlen. „Ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt mehr Vermögen als die übrigen 99 Prozent zusammengenommen. Das ist keine Lücke zwischen Arm und Reich mehr, das ist eine tiefe Schlucht. Dieses Ungleichgewicht ist schlecht für die Wirtschaft, es destabilisiert Gesellschaften und bremst den Kampf gegen die weltweite Armut.“ Diesem hatte sich die Weltgemeinschaft eigentlich mit den 2015 verabschiedeten UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) verschrieben: Bis 2030 soll Armut in jeder Form und überall auf der Welt beendet werden, Hunger beseitigt und die Ungleichheit innerhalb von und zwischen Staaten verringert werden. „Über soziale Ungleichheit wird viel geredet, doch was fehlt, ist entschiedenes Handeln“, kritisiert Kalinski jedoch. „Nach wie vor dulden Regierungen, dass reiche Einzelpersonen und Unternehmen sich um ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl drücken, indem sie sich künstlich arm rechnen und viel Aufwand betreiben, um ihren Reichtum in steuerfreie Zonen zu schaffen.“
Wenig überraschend dürfte die Erkenntnis des Berichts sein, dass die untersten 20 Prozent der Reichtumspyramide vor allem arme Menschen in Entwicklungsländern sind, darunter Millionen von Kleinbäuerinnen und -bauern und Menschen, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind. Dem Global Wealth Report zufolge besitzt die Hälfte der Erwachsenen auf der ganzen Welt weniger als 2.222 US Dollar, während die unteren 20 Prozent über weniger als 248 US Dollar verfügen. Das Durchschnittsvermögen ist mit 562.000 US-Dollar pro Kopf in der Schweiz am höchsten, gefolgt von Australien, den USA und Norwegen. Das geringste Pro-Kopf-Vermögen konzentriert sich auf Zentralafrika und Südasien, wo das durchschnittliche Vermögen in vielen Ländern unter 5000 US-Dollar liegt. Dazu gehören Angola, Äquatorialguinea, Gabun, Indien, Bangladesh, Kambodscha, Nepal, Pakistan und Sri Lanka. (ab)