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25.06.2015 | permalink
Bruttobienenprodukt: Studie beziffert Wertschöpfung durch Wildbienen

Wildbienen bieten der Landwirtschaft durch ihre Bestäubungsleistung einen Dienst von unschätzbarem Wert. Eben diesen Wert zu beziffern war Ziel einer Studie, die vergangene Woche im Fachjournal Nature Communications erschienen. Die Bestäubungsleistung von Wildbienen trägt demnach im Schnitt $3251 (umgerechnet 2900 Euro) pro Hektar zur Agrarproduktion bei, während Honigbienenvölker $2913 (2600 Euro) pro Hektar an Wert schöpfen. Das internationale Team, dem auch Forscher der britischen University of Reading angehören, wertete Daten von 90 verschiedenen Studien aus, die sich auf 1394 Felder und Ackerflächen weltweit erstreckten. Damit erfassten die Wissenschaftler die Aktivitäten von mehr als 780 Bienenarten. Sie bewerteten, wie stark die jeweiligen Pflanzen von der Bestäubung durch Bienen abhängig sind, um den Wert der fleißigen Helferlein berechnen zu können. Für die Wirtschaft im Vereinigten Königreich sind die Bienen etwa von großer Bedeutung: Sie tragen jedes Jahr rund 913 Millionen Euro zur britischen Wirtschaftskraft bei. Das sind ganze 210 Millionen Euro mehr als die königliche Familie dem Land durch ihre Anziehungskraft für Touristen einbringt, die Geld für Unterkunft, Verpflegung und Eintritte auf der Insel lassen, berichtet die Zeitung „The Telegraph“. Der ökonomische Beitrag der Bienen habe von 1996 bis 2012 gar um satte 191% zugenommen. Rund 85% der Apfelausbeute und 45% der Erdbeerernte haben die Briten den Bienen zu verdanken. „Umweltdienstleistungen einen monetären Wert zu geben hilft dabei, Politikern und Landwirten vor Augen zu führen, wie wichtig die Natur unter dem Strich ist”, erklärt Professor Simon Potts, Leiter des Centre for Agri-Environmental Research der University of Reading. „Jedoch allein an den Profit von heute zu denken ist zwecklos, wenn er zulasten einer nachhaltigen Zukunft ländlicher Räume und der Lebensmittelversorgung geht.“ Die Wissenschaftler fanden zudem heraus, dass der Löwenanteil der Bestäubungsleistung von nur einer kleinen Zahl häufig vorkommender Arten erledigt wird. Nur 2% aller Wildbienenarten bedienen 80% aller Pflanzen weltweit, die auf das Bestäuben ihrer Blüten durch Bienen angewiesen sind. Dennoch sei es notwendig, die ganze Bandbreite an Bienenarten zu schützen, selbst wenn sie gegenwärtig wenig zur Bestäubung beitragen, um die Artenvielfalt und künftige Ernährungssicherheit zu gewährleisten. „Die wenigen Bienenarten, die aktuell unsere Pflanzen bestäuben, werden wahrscheinlich nicht die gleichen Arten sein, die wir in Zukunft benötigen“, erläutert Professor Potts. „Die Geschichte der Menschheit ist voller Beispiele für Hungerkatastrophen, die durch eine zu starke Abhängigkeit von einer Nutzpflanze oder Artenschwund verursacht wurden.“ (ab)
- Telegraph: Bees contribute more to British economy than Royal Family
- The Guardian: Bees are worth billions to farmers across the globe, study suggests
- University of Reading: Britain needs ‘super-sub bees’ to maintain food supply
- Nature Communications: Delivery of crop pollination services is an insufficient argument for ...
- Süddeutsche.de: Was Bienen mit der britischen Queen zu tun haben
21.06.2015 | permalink
Deutschland verschwendet jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel

Rund 313 Kilogramm Lebensmittel werden jede Sekunde in Deutschland in der Wertschöpfungskette verschwendet, obwohl sie noch genießbar wären. Darauf macht die Naturschutzorganisation WWF mit einer am Donnerstag veröffentlichten Studie aufmerksam, die die Ergebnisse mehrerer Untersuchungen bündelt. Jedes Jahr gelangen 18 Millionen Lebensmittel nicht vom Erzeuger auf die Teller der Verbraucher. Das entspricht einem Drittel des deutschen Nahrungsmittelverbrauchs von 54,5 Millionen Tonnen. „Angesichts knapper werdender, fruchtbarer Ackerflächen und einer prognostizierten Weltbevölkerung von über 9 Milliarden Menschen in 2050 können wir uns eine solche Verschwendung nicht leisten“, betonte Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland. Mit 10 Millionen Tonnen wäre fast die Hälfte der Verluste etwa durch besseres Management in der Wertschöpfungskette und veränderte Konsumgewohnheiten vermeidbar. Einsparpotenzial bestehe vor allem bei Getreide-Erzeugnissen wie Brot und Backwaren mit knapp 2 Millionen Tonnen sowie 1,5 Millionen Tonnen Obst und Gemüse. Die vergeblich produzierten 10 Millionen Tonnen Lebensmittel benötigen dem WWF zufolge umgerechnet 2,6 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, wovon allein 1,6 Millionen Hektar für vermeidbare Verluste bei Fleisch- und Molkereiprodukten anfallen. „Derzeit ist es so, als würden wir Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland in einen riesigen Acker umwandeln und die eingefahrene Ernte einfach wegwerfen“, illustriert Heinrich das Ausmaß der Verschwendung. Gelänge es Deutschland, alle vermeidbaren Verluste einzusparen, würde der aktuelle Flächenfußabdruck der Ernährung in Höhe von 2.397 m² je Person um 320 m² abnehmen. Außerdem könnten insgesamt 48 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen eingespart werden. Zum einen werden 22 Millionen Tonnen freigesetzt bei der Düngung, bei Transport, Lagerung, Kühlung, Weiterverarbeitung oder der Entsorgung. Zum anderen könnten 26 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart werden, die weltweit durch ernährungsbedingte Landnutzungsänderungen entstehen. Der WWF fordert von der Politik nun Taten statt Worte: „Deutschland braucht einen nationalen Aktionsplan, mit klaren Zielvorgaben, Zuständigkeiten und vor allem einer entsprechenden Finanzierung“, so Heinrich. Verbindliches Ziel müsse es sein, die Verschwendung in den nächsten Jahren mindestens zu halbieren. Außerdem dürfe das Landwirtschaftsministerium nicht mehr nur die Verbraucher in die Pflicht nehmen, sondern alle Akteure in der Wertschöpfungskette. Denn über 60% der Lebensmittel gehen in der Kette vom Produzenten über den Einzelhandel bis hin zum Großverbraucher, wie Gastronomie und Kantinen, verloren, während 39% auf das Konto der Endverbraucher gehen. (ab)
17.06.2015 | permalink
Bitterer Beigeschmack: Pestizide im Apfelanbau belasten Böden und Gewässer

Der Biss in den Apfel – der Deutschen liebstes Obst – hat einen bitteren Beigeschmack: Greenpeace hat in Boden- und Wasserproben in und um Europas Apfelplantagen erhebliche Pestizidrückstände nachgewiesen. Die Umweltschutzorganisation ließ in zwölf EU-Ländern Gewässer und Böden untersuchen. Das ernüchternde Ergebnis: In 49 Bodenproben stellte das Labor 37 unterschiedliche Pestizide fest, die 36 Wasserproben brachten es auf 38 verschiedene Ackergifte. In drei Viertel aller Proben ließen sich Rückstände von mindestens einem Pestizid nachweisen, der Großteil davon mit einer hohen Gesamttoxizität für Menschen und wildlebende Tiere. „Die industrielle Apfelproduktion setzt nach wie vor gefährliche Pestizide ein, die Umwelt und Verbraucher schädigen können“, warnt Christiane Huxdorff, Agrarexpertin von Greenpeace. Von den 38 in den Wasserproben gefundenen Pestiziden weisen acht eine bekannt sehr hohe Toxizität gegenüber Wasserorganismen auf, ein in den Bodenproben festgestelltes Pestizid ist tödlich für Regenwürmer. Acht der in den Boden- und Wasserproben gefundenen Pestizide gelten als hochgiftig für Bienen. Die größte Zahl an Pestiziden im Boden wurde in Italien ermittelt (18 Pestizide in drei Proben), gefolgt von Belgien und Frankreich. Die zehn deutschen Proben, von denen sieben belastet waren, stammen dem Bericht zufolge aus dem Alten Land bei Hamburg. Die Proben wurden während der Blütephase entnommen: Greenpeace berichtet, dass viele Apfelbauern bereits zu Beginn der Blüte spritzen. Die Pestizide lagern sich dann in den Böden ab oder belasten umliegende Gewässer. Viele der Gifte reichern sich jahrzehntelang in der Umwelt an: Unter den festgestellten Chemikalien befand sich auch das längst verbotene DDT. Rücken Apfelernte und Verkauf näher, werde peinlichst genau auf Einhaltung der Grenzwerte im Erntegut geachtet. „Die Belastung von Äpfeln im Supermarkt liegt zwar meist unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte. Doch das reicht nicht. Gefährliche Pestizide gehören nicht auf den Acker“, so Huxdorff. Greenpeace fordert daher von der Bundesregierung ein Verbot gefährlicher Chemikalien in der Produktion von Lebensmitteln und die Förderung einer ökologischen Landwirtschaft. Natürliche Schädlingskontrolle sowie schützende und stabilisierende Anbaumaßnahmen bieten chemiefreie Möglichkeiten, eine erfolgreiche, ökologische Landwirtschaft zu betreiben und Böden und Gewässer zu schützen, schreibt die Organisation. (ab)
15.06.2015 | permalink
Gärtnern ohne Glyphosat: Frankreich will Roundup verbieten

Frankreich will die Abgabe von Glyphosat in Gartencentern und Baumärkten stoppen. Umweltministerin Ségolène Royal kündigte am Sonntag ein Verkaufsverbot für das von US-Konzern Monsanto unter dem Markennamen Roundup vertriebene Unkrautvernichtungsmittel an. Dessen Hauptwirkstoff Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein. „Frankreich muss beim Kampf gegen Pestizide in die Offensive gehen“, erklärte die Ministerin gegenüber dem Fernsehsender France 3. Das betreffe auch den Einsatz von Pestiziden in privaten Gärten. Royal rief die französischen Gartencenter dazu auf, das Produkt aus dem Sortiment zu nehmen. Wie sie genau durchsetzen will, dass Roundup nicht mehr über die Ladentheken geht, erläuterte sie noch nicht näher. Zudem möchte Royal Hobbygärtnern systematisch Informationen an die Hand geben, um über Alternativen zum Chemieeinsatz aufzuklären. Mit den Verbotsplänen reagiert Frankreich auf Warnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Deren Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hatte im März Glyphosat als „wahrscheinlich“ krebserregend beim Menschen eingestuft. Schon vor der Ankündigung am Sonntag hatte die Umweltministerin gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll Pläne vorgelegt, den Verkauf von Pflanzenschutzmitteln an Hobbygärtner auf zertifizierte Verkaufsstellen zu beschränken. Dies sollte jedoch ursprünglich erst ab dem Jahr 2018 greifen, ab 2022 sollen die Pestizide vollständig aus französischen Gärten verbannt werden. Doch nicht nur bei den Kleingärtnern will Frankreich ein Umdenken erreichen: Auch der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft sollte deutlich reduziert werden. Die Vorgängerregierung hatte sich 2007 das ehrgeizige Ziel gesteckt, bis 2018 den Pestizideinsatz in Frankreich um die Hälfte zu reduzieren. Damit scheiterte sie jedoch, der Einsatz von Ackergiften erhöhte sich zwischen 2009 und 2013 sogar um fünf Prozent. Daraufhin verkündete Stéphane Le Foll im Januar, die Halbierung des Pestizideinsatzes solle bis 2025 erreicht werden. In Deutschland hatten die Verbraucherschutzminister im Mai die Bundesregierung zu einem Verbot von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat aufgefordert. Das Landwirtschaftsministerium äußerte, für ein Verbot fehle noch die Rechtsgrundlage, da die Ergebnisse des noch laufenden EU-Bewertungsverfahrens abgewartet werden müssten. Einige Baumärkte hatten bereits angekündigt, freiwillig auf den Verkauf von Produkten mit dem Wirkstoff Glyphosat zu verzichten. (ab)
- Reuters: French minister asks shops to stop selling Monsanto Roundup weedkiller
- IBT Media Inc: Segolene Royal Calls For French Ban On Monsanto's Roundup Herbicide
- Le Monde: Ségolène Royal veut stopper la vente du désherbant Roundup de Monsanto
- Le Figaro: Royal veut interdire la vente libre d'un désherbant jugé cancérogène
10.06.2015 | permalink
Studie: Regionale Lebensmittel könnten die USA ernähren

Die meisten US-Bürger könnten sich von Lebensmitteln ernähren, die weniger als 160 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt angebaut wurden. Darauf macht eine neue Studie der University of California, Merced, aufmerksam, die Anfang Juni in der Fachzeitschrift Frontiers in Ecology and the Environment erschien. Das Team unter Leitung von Professor Elliott Campbell untersuchte das Potenzial aller Städte in den USA, sich mit in ihrer Region erzeugten Lebensmitteln zu versorgen. In fast allen Teilen des Landes könnten sich rund 90% der Bewohner fast vollständig mit Produkten ernähren, die aus einem Umkreis von 80 km stammen. Campbell zufolge legen immer mehr Menschen Wert darauf, Landwirte aus ihrer Gegend zu unterstützen und frischere Lebensmittel von Erzeugern zu beziehen, die sie kennen und denen sie vertrauen. Selbst große Restaurantketten bemühen sich um lokale Bezugsquellen. „Bauernmärkte schießen an neuen Orten wie Pilze aus dem Boden“, betont Campbell. „Sich regional zu ernähren hat zahlreiche soziale und ökologische Vorteile.“ Die Wissenschaftler analysierten Daten des US-Landwirtschaftsministeriums zur Produktivität von Ackerland und nahmen die Höfe im Umkreis aller größeren Städte und Besiedlungen in den USA unter die Lupe. Sie setzen die potentielle Kalorienproduktion einer Gegend mit ihrer Einwohnerzahl in Verbindung und ermittelten so den Anteil der Bevölkerung, der durch regional erzeugte Lebensmittel ernährt werden könnte. Auch wenn in den letzten Jahren die regionale Versorgung durch schwindende Landressourcen, Bevölkerungswachstum und Urbanisierung abgenommen hat, gerade in den Städten an der Küste, waren die Forscher doch erstaunt über das verbleibende Potenzial. Viele Gegenden können immer noch 80% bis 100% ihrer Bevölkerung mit Nahrung aus einem Umkreis von 80 Kilometern ernähren. New York City bekäme zwar nur 5% der Bewohner mit Essen aus einem 80 km-Radius satt, aber immerhin 30% mit Lebensmitteln aus dem Umland von 160 km. Die Hälfte der Bevölkerung im Großraum Los Angeles könnte ebenfalls von Bauern aus dieser Entfernung versorgt werden. Ein Umstieg auf pflanzliche Kost spart ebenfalls Kilometer ein: So könnte San Diego 35% der Bewohner basierend auf der amerikanischen Standardernährung versorgen, aber ganze 51%, wenn sich mehr Menschen vegetarisch oder vegan ernähren würden. Der Studie zeigt zudem, dass eine regionale Ernährung auch einen besseren Umgang mit den natürlichen Ressourcen gewährleisten kann. „Ein wichtiger Aspekt einer nachhaltigen Ernährung ist die Wiederverwertung von Nährstoffen, Wasser und Energie. Wenn wir zum Beispiel Kompost aus den Städten nutzen, um die Felder zu düngen, wären wir weniger abhängig von Dünger basierend aus fossilen Brennstoffen”, so Campbell. (ab)
08.06.2015 | permalink
UN veröffentlichen Fahrplan für eine Welt ohne Armut und Hunger

Die Vereinten Nationen wollen sich 17 hehre Ziele setzen, um die Welt bis 2030 nachhaltiger und gerechter zu gestalten. Am Dienstag wurde der erste offizielle Entwurf der Sustainable Development Goals (SDGs) veröffentlicht, die auf die 2015 auslaufenden Millenniumsziele folgen sollen. Die UN-Staaten haben viel vor, unter anderem die Armut in allen Formen überall auf der Welt zu beenden, Gleichheit zwischen den Geschlechtern zu schaffen, eine sichere Wasserversorgung und Bildung für alle Menschen zu gewährleisten und dem Klimawandel und seinen Folgen zu trotzen. Auch für Industriestaaten sollen die Ziele gelten: „Alle werden mit diesen Entwicklungszielen in die Verantwortung genommen. Das birgt zwar auch die Gefahr, dass sie nicht mehr ganz so griffig sind wie die Millenniumentwicklungsziele, aber es zeigt, dass wir alle vor der gleichen Aufgabe stehen“, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch. Die 17 Ziele und 169 Unterziele entsprechen dem Entwurf, der bereits im Herbst von einer UN-Arbeitsgruppe vorgelegt und von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon im Dezember bestätigt worden war. Ziel 2 im aktuellen Zero Draft will den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und bessere Nahrung erreichen sowie nachhaltige Landwirtschaft fördern. Acht Unterziele präzisieren dies: Bis 2030 sollen alle Menschen das ganze Jahr über Zugang zu angemessener Nahrung erhalten, alle Formen der Mangelernährung beseitigt sein und die Produktivität und das Einkommen kleiner Nahrungsmittelproduzenten verdoppelt werden. Anvisiert ist zudem die Förderung nachhaltiger Agrar- und Nahrungsmittelsysteme, die Ökosysteme bewahren und die Anpassung an den Klimawandel unterstützen, sowie der Erhaltung der Saatgutvielfalt. Weitere Unterziele sind die Aufstockung der Investitionen in landwirtschaftliche Infrastruktur und Forschung, die Beseitigung von Barrieren und Verzerrungen auf den globalen Agrarmärkten und die Eindämmung starker Preisschwankungen bei Agrargütern. Die Schweizer Stiftung Biovision, die vom Ko-Präsidenten des Weltagrarberichts Hans Herren gegründet wurde und sich in dem zweijährigen Ausarbeitungsprozess vor allem für Ziel 2 zu Ernährungssicherheit und nachhaltiger Landwirtschaft eingesetzt hatte, zeigte sich weitgehend zufrieden: „Wir glauben, dass mit dem vorliegenden Vorschlag die Basis geschaffen wird, einen Kurswechsel in der Landwirtschaft herbeizuführen.“ Nun müsse sichergestellt werden, dass die Ziele und Unterziele in dem Entwurf enthalten bleiben, den die UN-Generalversammlung im September verabschieden soll. Auch Misereor-Chef Pirmin Spiegel forderte eine Verpflichtung zu allen 17 Nachhaltigkeitszielen, ohne einzelne aufzuweichen. „Entscheidend ist, eine nachhaltige ökologische Landwirtschaft aufzubauen und lokale Kleinbauern zu fördern“, erklärte er gegenüber dem Domradio. Sonst stagniere die Zahl der Hungernden bei steigender Bevölkerung wohl bei 800 Millionen. (ab)
02.06.2015 | permalink
Gesammelte Kritik an der G7 'New Alliance for Food Security'

Im Vorfeld des G7 Gipfels erschien eine Reihe von Publikationen zu dessen Agrar- und Ernährungspolitik, besonders der "New Alliance for Food Security and Nutrition". Die soll durch mehr private Agrarinvestitionen bis 2022 in Äthiopien, Burkina Faso, der Elfenbeinküste, Ghana, Mosambik, Tansania, Benin, Nigeria, Malawi und Senegal 50 Millionen Menschen aus der Armut befreien. Uwe Hoering stellt bei globespotting die kritischen Veröffentlichungen vor.
01.06.2015 | permalink
Welternährung: Studie fordert Umsetzung der Empfehlungen des Weltagrarberichts

Die Beseitigung des Welthungers bis 2030 ist kein Ding der Unmöglichkeit, wenn die Ernten vorrangig zur Ernährung der Menschen eingesetzt werden und die Empfehlungen des Weltagrarberichts endlich Gehör finden. Zu diesem Ergebnis gelangt eine neue Studie der Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für nachhaltige Entwicklung. Laut aktuellen Zahlen der Welternährungsorganisation FAO leiden noch immer 795 Millionen Menschen an chronischer Unterernährung, zwei Milliarden Menschen sind mangelernährt. Die Studie weist darauf hin, dass die globale Landwirtschaft schon heute mehr als zwölf Milliarden Menschen satt machen könnte, wenn die Ernten möglichst effektiv als Lebensmittel genutzt würden. „Wenn in der Realität Menschen hungern, liegt dies an dem ungleichen Zugang zu den vorhandenen Nahrungsmitteln, der Vergeudung, dem Verlust und der Verwendung der Nahrungsmittel für andere Zwecke als für die menschliche Ernährung. Vor allem aber fehlt vielen Armen ein ausreichendes Einkommen, d. h. der ökonomische Zugang zu ausreichenden Nahrungsmitteln oder zu den Möglichkeiten, sie zu erzeugen“, schreiben die Autoren. Es stelle keine Lösung dar, auf eine einseitige Ertragssteigerung mithilfe von Pestiziden, chemischen Düngern und Monokulturen zu setzen, die zulasten der Böden, des Wassers und Klimas sowie der biologischen Vielfalt gehe. Der Raubbau an den natürlichen Ressourcen treffe meist die Bevölkerungsgruppen, die ohnehin am stärksten von Hunger und Mangelernährung betroffen seien – die Millionen Kleinbauern, Landarbeiter, Hirten und Fischer in den Entwicklungsländern. Der Studie zufolge müssen diese Gruppen mehr Unterstützung erhalten, zum Beispiel durch bessere Lagermöglichkeiten für die Ernte oder leichteren Zugang zu Krediten. Dann könnten sie nicht nur sich selbst besser versorgen, sondern auch lokale und regionale Märkte beliefern. Diese Erkenntnisse sind nicht neu, betonen die Autoren: Schon 2008 habe der Weltagrarbericht gewarnt, dass mit der einseitigen Ausrichtung auf Produktionssteigerung, Weltmarktorientierung und Industrialisierung der Landwirtschaft die Überwindung des Hungers mit dem Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt nicht in Einklang zu bringen sei. Doch der Ruf nach einem Paradigmenwechsel hin zu agrarökologischen Produktionsverfahren mit möglichst niedrigem externen Input, die Fokussierung auf kleinbäuerliche Produzenten und die Anerkennung der Multifunktionalität der Landwirtschaft sei in der deutschen und internationalen Agrarpolitik weitgehend ungehört verhallt. Daher fordert die EKD-Kammer die längst überfällige Neuausrichtung der Entwicklungs- und Agrarpolitik am Recht auf Nahrung, die nicht länger durch ungerechte Strukturen im Bereich der Handels- und Finanzpolitik blockiert werden dürfe. (ab)
28.05.2015 | permalink
UN-Ziel verfehlt: 795 Millionen Menschen weltweit leiden Hunger

Rund 795 Millionen Menschen leiden weltweit immer noch an Hunger, 780 Millionen davon in Entwicklungsländern. Damit gilt jeder Neunte als unterernährt, wie aus dem jüngsten Welthungerbericht hervorgeht, den die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO am Mittwoch gemeinsam mit dem UN-Welternährungsprogramm und dem Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) veröffentlichte. Erfolge bei der Hungerbekämpfung sind regional höchst ungleich verteilt: Während in Lateinamerika „nur“ noch 5,5% der Bevölkerung und in Westafrika 9,6% betroffen sind, ist in Subsahara-Afrika fast jeder Vierte chronisch unterernährt. Die Zahl der Hungernden stieg dort kontinuierlich auf aktuell 220 Millionen an. Doch der Löwenanteil der weltweit Hungernden (64%) lebt mit 512 Millionen Menschen in Asien. Auch wenn die Zahl der Hungernden im Vergleich zum Bericht 2014 nur um 10 Millionen sank und 57 Staaten das erste Millenniumsentwicklungsziel (MDG) verfehlen werden, ist FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva um Optimismus bemüht: „Das Fast-Erreichen des Hungerziels zeigt, dass wir die Geißel des Hungers tatsächlich in dieser Generation überwinden können.” Erfolgversprechende Ansätze seien inklusives Wachstum, Investitionen in die Landwirtschaft und soziale Sicherungsnetze in Verbindung mit politischer Stabilität und vor allem dem nötigen Willen. Doch die Weltwirtschaftslage der letzten Jahre, extreme Wetterbedingungen, Naturkatastrophen, politische Instabilität und Kriege – 19% der Unterernährten leben laut FAO in Krisenländern – hätten die optimale Zielerfüllung verhindert. Das erste MDG sah vor, bis 2015 in Entwicklungsländern den Anteil der Unterernährten an der Bevölkerung gegenüber dem Zeitraum 1990-1992 zu halbieren. Dieser sank von 23,3% auf 12,9%, nicht zuletzt begünstigt durch den Anstieg der Weltbevölkerung um 1,9 Milliarden Menschen. Vom ehrgeizigeren Ziel des Welternährungsgipfels 1996, die absolute Zahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren, bleiben die Staaten meilenweit bzw. 285 Millionen Menschen entfernt. Zwar hungern heute 216 Millionen Menschen weniger als noch 1990, doch 155 Millionen des Rückgangs entfallen alleine auf China. Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, forderte mit Blick auf den G7-Gipfel im Juni mehr Entschlossenheit und staatliche Mittel: „Setzt sich der Trend der letzten zehn Jahre fort, rückt unser Ziel – eine Welt ohne Hunger bis 2030 – in weite Ferne. Dann wären wir erst nach dem Jahr 2060 so weit.“ Fortschritte lassen sich Dieckmann zufolge erzielen, wenn Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ins Zentrum der Bemühungen gestellt werden: „Kleinbauern produzieren rund drei Viertel aller Nahrungsmittel in Entwicklungsländern. Mit mehr Unterstützung können sie mehr produzieren und mehr Einkommen erwirtschaften und so den Hunger in ihren Ländern besiegen.“ (ab)
26.05.2015 | permalink
Klimawandel: Chancen und Risiken für Landwirtschaft in Deutschland

Höhere Temperaturen, feuchtere Winter und häufigere Wetterextreme stellen Landwirte in Deutschland künftig vor große Herausforderungen. Das geht aus dem am Samstag veröffentlichten Monitoring-Bericht der Bundesregierung zur Anpassung an den Klimawandel hervor. Dieser beleuchtet schon heute spürbare Veränderungen in mehreren Lebensbereichen und nennt geeignete Anpassungsstrategien. Die Möglichkeiten der Bauern, dem Klimawandel zu begegnen, sind den Autoren zufolge vergleichsweise breit gefächert, da sie seit jeher auf sich verändernde Klima- und Witterungsbedingungen reagieren. Die Auswirkungen stellen dennoch ein zweischneidiges Schwert dar: Einerseits können extrem trockene und heiße Witterungsperioden, Starkregen oder Hagel Einbußen bewirken und Ertrags- und Qualitätsschwankungen zwischen den Jahren die Planbarkeit erschweren. Zudem erfordere die Verschiebung der jahreszeitlichen Witterungsverläufe von den Landwirten jedes Jahr aufs Neue die Anpassung an veränderte Bedingungen bei der Wahl von Pflanzenart und -sorte, den Fruchtfolgen sowie bei der Planung von Aussaat, Düngung und Ernte. Andererseits könnten die Erträge bei einem leichten Temperaturanstieg und längeren Vegetationsperioden steigen, wenn ausreichend Wasser vorhanden ist. Auch der Anbau von bisher in unseren Breitengraden selten gedeihenden Fruchtarten könnte ausgeweitet werden. Perspektiven sehen die Experten für wärmeliebende Kulturpflanzen wie Körnermais, Sorghum-Hirse, Sojabohne, Sonnenblume oder Hartweizen. Gerade was Soja angeht habe das Interesse im Süden des Landes in den letzten Jahren stark zugenommen. Ob es zu einem dauerhaft hohen Anbauumfang komme, sei jedoch von der Nachfrage und dem Zuchtfortschritt bei Sojabohnen abhängig. Da Ökolandwirte auf gentechnikfreies Saatgut angewiesen sind, sei zu erwarten, dass mehr Sojasaatgut in Deutschland erzeugt werde. Auch die Wahl der Sorten biete Landwirten die Chance, bei gleichbleibender Fruchtart auf neue Anbaubedingungen zu reagieren. Sie können sich mit Sorten, die besser an längere Trockenphasen angepasst sind und sichere Erträge versprechen, gegen Wetterkapriolen wappnen. Gerade einjährige Kulturen ermöglichen eine kurzfristige Anpassung, während dies bei Dauerkulturen schwieriger sei. Im Fokus des Berichts steht zwar die BRD, doch die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, betonte, dass Bemühungen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels nicht an den deutschen Grenzen Halt machen dürfen: „Entwicklungsländer sind von Wetterextremen und verschlechterten Anbaubedingungen in Folge der Erderwärmung häufig besonders stark und zunehmend betroffen. Deutschland muss diese Länder bei der Anpassung unterstützen.“ (ab)